Hagen. Im russischen Laden „Wassnet“ werden weiterhin Produkte aus der Heimat verkauft. Edeka und Rewe hingegen haben russische Artikel verbannt.

Die Theken und Regale sind gut gefüllt. Im einen Gang locken lose und in Tüten verpackte Bonbons, gegenüber Kekse in Kartons, und einen Gang weiter finden die Kunden Konserven und in Gläsern eingelegte Tomaten, Gurken oder Zucchini-Kürbis-Püree. In den Kühltheken liegen Fisch, Fleisch und Wurstwaren zum Verkauf bereit. „Unser Geschäft und auch unsere Lagerräume sind voll“, sagt Irina Kirsch, und fügt an: „Zum Glück.“

Die 39-Jährige betreibt gemeinsam mit ihrem Mann Wladimir Kirsch das russische Lebensmittelgeschäft „Rasswet“ in der Boeler Straße 55 in Hagen.

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Wie die Geschäftsleute, die seit 24 Jahren in Deutschland leben, die momentane Zeit erleben? „Unsere Kunden wissen, dass wir, auch wenn wir gebürtige Russen sind, nichts für den Krieg gegen die Ukraine können“, sagt Irina Kirsch mit fester Stimme. Nein, feindliche Kommentare habe sie bislang noch von niemandem gehört, „dass ist bei unseren Kindern – sie sind sieben und elf Jahre alt – leider anders. Die beiden werden seit ein paar Tagen von einigen anderen Kindern in der Schule gemobbt.“

Die Ladentür wird mit Schwung geöffnet, „Privet Irina“ („Hallo Irina“) begrüßt die Kundin, eine Landsmännin, die Chefin. Die beiden wechseln ein paar Worte, die Frau kauft einige Lebensmittel ein und verlässt das Geschäft.

„Wir sind ein Multi-Kulti-Laden“, sagt Irina Kirsch, „bei uns kaufen nicht nur Russen, sondern auch Polen, Rumänen, Bulgaren und Deutsche. Manchmal verständigen wir uns in Zeichensprache, auch das geht.“

Bonbons aus Moskau

80 Prozent der Produkte, die es bei „Rasswet“ zu kaufen gibt, stammen aus Russland, „die Bonbons hier zum Beispiel kommen aus Moskau“, deutet die 39-Jährige auf lose Ware in Schütten. Lieferengpässe gebe es keine, die Großlager in Deutschland seien schließlich noch gut gefüllt, „wir bestellen bei sechs großen Firmen, da gab es bislang noch keine Probleme“.

Ob sie damit rechne, dass sich die Lage, wenn sich der Krieg gegen die Ukraine noch lange hinziehe, verschärfe? „Ich weiß es nicht. Einige unserer Produkte werden aber auch nach russischen Rezepten hergestellt und haben auch russische Etiketten, wurden aber tatsächlich in Deutschland produziert“, sagt die Kauffrau, „oder in Holland, wie diese Kondensmilch hier nach original russischem Rezept“.

Russischer Wodka und russisches Bier

Hinten an der Wand des Geschäftes, das die Kirschs seit zwei Jahren in Altenhagen betreiben, steht russischer Wodka, daneben stehen etliche mit russischem Bier gefüllte Flaschen – von leer gefegten Regalen kann hier keine Rede sein.

Anders das Bild bei Edeka, wenn man in jene Regale blickt, in denen gewöhnlich Produkte aus Russland angeboten werden.

„Spirituosen, Gebäck, Fertiggerichte – wir haben sämtliche aus Russland stammenden Artikel ausgeräumt“, sagt Michael Clever.

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Der Einzelhändler betreibt drei Edeka-Märkte – einen Markt an der Eppenhauser Straße, einen weiteren an der Fleyer Straße und einen dritten Markt in Schalksmühle – und erklärt: „Die Edeka-Zentrale in Moers hat schon vor einigen Tagen den gesamten Import für russische Ware gestoppt, und bis auf weiteres gibt es auch keinen Nachschub.“

Damit zeige man sich dem ukrainischen Volk gegenüber solidarisch, „allerdings ist das keine Leistung, mit der wir uns rühmen oder daraus einen Nutzen ziehen wollen“, unterstreicht der Einzelhändler. Und die deutliche Ablehnung gegenüber des von Russland gestarteten Krieges werde auch nicht werbetechnisch umgesetzt und vermarktet. So würden beispielsweise keine erklärenden Schilder an Regalen, wo normalerweise russische Artikel zu finden seien, platziert.

Ausrangierte Lebensmittel werden nicht vernichtet

Und was passiert mit den russischen Produkten, die aus den Regalen entfernt worden sind? „Sie werden nicht vernichtet, sondern wir unterstützen damit und mit weiteren Lebensmitteln die ukrainische Bevölkerung“, betont Michael Clever. Heißt: Ein Hilfskonvoi, der Richtung Polen fährt, wird auch mit Edeka-Produkten bestückt sein.

„Am Donnerstag starten Fahrzeuge des Hohenlimburger Transport und Logistik-Unternehmens Celik mit den Hilfsgütern “, sagt Michael Clever und hofft, dass dadurch der flüchtenden Bevölkerung zumindest ein klein wenig geholfen werden kann.

Rewe führt 36 Produkte aus Russland

Und wie reagiert Mitwerber Rewe/Kaufpark (zu der Handelskette gehört auch der Discounter Penny) auf den Russland-Ukraine-Krieg? „Rewe hat seitens der Zentrale mehr als 75.000 Produkte gelistet, davon wurden nach jüngster Erhebung 36 Produkte in Russland produziert“, teilt Pressesprecher Thomas Bonrath auf Nachfrage mit.

„Rasswet“ bedeutet Sonnenaufgang

Das russische Wort „Rasswet“ bedeutet „Sonnenaufgang“.In dem Geschäft an der Boeler­ Straße 55 werden seit vielen Jahren russische Lebensmittel angeboten; Irina und Wladimir Kirsch haben den Laden­ vor zwei Jahren von ihren Vorgängern übernommen.Irina Kirsch wurde in Sibirien geboren. Als 15-Jährige wanderte sie mit ihrer Familie nach Deutschland aus.Seit 24 Jahren wohnt sie in Hagen, da hier auch einige ihrer Verwandten leben.

Diese seien für Rewe-Märkte bundesweit bestellbar gewesen, was allerdings nicht zwangsläufig bedeute, dass diese in jedem Supermarkt im Sortiment geführt würden. Einige auf russische Produkte spezialisierte Lieferanten hätten Rewe nach der Invasion mitgeteilt, besagte Artikel nicht mehr zu liefern.

Sprecher Bonrath weiter: „Wir haben uns dazu entschieden, auch die übrigen in Russland hergestellten Produkte nicht mehr zu bestellen. Dadurch entstehen aber keine Regallücken.“ Wesentlich größer sei nämlich die Zahl der Produkte, die zum russischen und osteuropäischen Sortiment zählen, aber nicht direkt in Russland produziert würden. Diese in anderen Herkunftsländern erzeugten Alternativprodukte würden weiterhin angeboten.