Mit eurem Song „Hallo Welt“ wollt ihr jetzt Deutschland beim Song Contest vertreten. Mit Deutsch-Rap haben es noch nicht viele Künstler international probiert. Woher nehmt ihr den Mut?

Das ist eine gute Frage. Letztendlich habe ich den Song losgetreten. Ich habe angefangen zu schreiben und nach und nach alle ins Boot geholt. Der Song war zwar gezielt für den ESC gedacht. Aber es war wichtig für mich, dass ich mit ein paar Freunden von mir performe. Letztendlich sind wir authentische Musiker. Wir machen das, was wir mögen. Wir machen das, was wir feiern. So ist der Song entstanden. Dass man sich jetzt da mit fünf weiteren Teilnehmern battlet, war zweitrangig. Jetzt sticht der Song raus.

+++ So lief es mit Stefan Raab: Nico Suave beim Bundesvision Song Contest +++

Solltet ihr am 4. März das Ticket für Turin lösen, gibt es dann noch eine mehrsprachige Version?

Den englischen Part haben wir sowieso schon drin. Buket singt ohnehin auf englisch. Das passt ganz gut. So wird die Message auch noch deutlicher. Die Leute können natürlich international da draußen mit Deutsch nicht ganz so viel anfangen. Ich find’s aber auch spannend, wenn Europa ein musikalisches Bild von Deutschland bekommt, das man so nicht vermutet. Es ist zwar eine Hymne, aber nicht so krass groß, bombastisch. Wir lassen uns natürlich auch etwas für die Performance einfallen. Aber ich finde es auch ganz spannend, mal zu sehen, ob ein Song mit mehr Understatement auch eine Chance hat. Ich glaube: Ja!

Ihr seid im Radio seid einer Woche schon gut vertreten. Ist alleine das schon ein Erfolg. Eine gute Chartplatzierung in Deutschland wäre doch auch was wert, oder?

Ja, klar. Es ist mit deutscher Musik im Radio wieder sehr schwer geworden. Wenn man sich die Airplay-Charts ansieht, ist aktuell nicht viel Deutsch zu sehen. Das ist extrem schade. Wir haben in Deutschland viele Musiker, die einen radiotauglichen Sound machen. Aber es sind die Türen einfach mal zu. Das ist eine gute Sache, dass in diesem Jahr die Radiostationen mit eingebunden werden. Dass man gesagt hat, dass der Vorentscheid darüber stattfindet. Radio hat so viel Power.

Alles im Überblick: Diese Acts treten beim Deutschen ESC-Vorentscheid an

Es heißt „Nico Suave und das Team Liebe“. Bist du der Chef der Truppe?

Wir haben uns lange gefragt, wie wir es hinbekommen, dass wir als Gemeinschaft auftreten, ohne all unsere Artist-Namen zu nutzen. Das wäre zu lang. Wir hatten vorher schon einen Song, eine Version, die wir mit den „Liebe Allstars“ gemacht haben. Daran anzuknüpfen, schien uns logisch.

Ihr müsst jetzt richtig trommeln, weil das Publikum am 4. März abstimmt. Wen wollt ihr alles aktivieren? Muss deine Mutter in Menden jetzt ihre Freundinnen am Kaffeetisch überzeugen?

Darüber haben wir uns noch gar nicht so viele Gedanken gemacht. Im Moment reden wir eher darüber, wie die Performance aussieht. Was wollen wir anziehen? Es gibt auch viele Proben. Aber im eigenen Freundeskreis und in der Familie wird auch ganz sicher noch ordentlich die Trommel gerührt. Definitiv!

Als Musiker möchte man sich meist nicht gerne in seinen Auftritt hineinreden lassen. Beim ESC wollen immer viele Menschen mitreden. Wie empfindet ihr das gerade?

Letztendlich muss man schon wissen, dass es mit ein paar Regularien zu tun hat, wenn man antritt. Wenn du dich in eine Beziehung stürzt, dann hast du zwei Menschen, die unterschiedlich ticken, aber gewisse Schnittmengen haben. Es geht ja dann darum, wie kompromissbereit man ist und mit welchen Kompromissen ich leben kann. Genauso ist das auch beim ESC. Klar, wollen wir uns nicht reinreden lassen, gemeinsam mit dem Team in den kreativen Austausch zu gehen, finden wir allerdings sogar eher bereichernd. Um da vielleicht auch noch eine Brücke zu meinem Alter zu schlagen: Ich bin schon lange dabei und weiß mittlerweile sehr gut, was ich will.

Im ARD-Interview hast du gesagt, dass du seit deiner Kindheit ein großer ESC-Fan bist. Aber du machst ja selbst doch eine ganz andere Musik, so nah die Message auch dran sein mag. Wie passt das zusammen?

Das macht es doch gerade so spannend. Ich habe in meinem Leben und meiner Karriere auf so vielen unterschiedlichen Bühnen stehen dürfen, aber so ein Event, das ist nochmal etwas ganz anderes. Das ist einfach ein neues Level. Ich hab den ESC früher mit meinen Eltern geschaut, und wenn ich mir jetzt überlege, dass meine Kinder mich eventuell auch dort sehen können, ist das einfach eine geile Geschichte.

Es gibt gerade einen großen Hype um Eskimo Cowboy. Die Gruppe ist nicht für den Vorentscheid ausgewählt worden. Hättet ihr euch gewünscht, dass die dabei sind?

Ganz ehrlich: Ich kannte die Gruppe nicht. Ich bekomme von diesem Shitstorm, wenn man das so nennen kann, wenig mit. Ich beschäftige mich gerade mit ganz anderen Dingen. Ich will mich fokussieren auf den Event. Ich kann schon nachvollziehen, dass die enttäuscht sind. Die haben eine große Fanbase. Die Fans sind enttäuscht. Hey, aber für uns ist das auch eine gute Promo.

+++ Das könnte Sie auch interessieren: Nico Suave spricht von einer gewissen Sehnsucht nach Menden +++

Du kommst aus Menden. Fiebern deine Freunde noch mit?

Ich kenne noch richtig viele Leute in Menden. Leider ist der Kontakt über die Jahre abgebrochen. Jeder macht sein eigenes Ding, hat seine Familie gegründet, lebt in seiner eigenen Bubble. Manchmal ist das halt so. Es gibt aber viele Menschen, mit denen ich viel verbinde. Wenn man ehrlich ist: Ich wollte immer weg aus Menden. Nachdem ich weggezogen war, bin ich zurück nach Menden. Ich wollte ein Jahr bleiben, daraus sind dann sechs geworden. Da hab ich dann eigentlich den Deckel drauf gemacht. Meine Mum und Teile meiner Familie leben noch in Menden. Ich hab nicht abgeschlossen, aber gesagt: Das ist Vergangenheit.

.+++ Auch interessant: Nico Suave auf einem Spaziergang durch die Vergangenheit: Menden machte ihn zum Rapper +++

Und die Gegenwart?

Mittlerweile fahre ich extrem gerne zurück. Sobald ich 30 Kilometer vor Menden bin, freue ich mich extrem, dort hinzufahren. Da kommen Heimatgefühle auf. Wenn ich da bin und mal kurz was besorgen muss, kann es passieren, dass ich zwei, drei Stunden brauche, weil ich dann alte Spots abfahre und mich erinnere. Das ist ganz geil. Wie oft im Leben ist es so, dass du alte Dinge beiseite schiebst und dich damit nicht mehr befasst. Aber dann ist dieser Moment da: Dann ploppt es wieder auf und löst was in dir aus. Das ist eine schöne Sache. Mein Zwillingsbruder und ich haben eine sehr intensive Jugend gehabt, auf die ich gerne zurückblicke.

Was sind diese Spots? An welchem Ort in Menden hältst du dich besonders gerne auf?

Auf meinem Album gibt es einen Song. Der heißt „Altes Haus“. Das ist eigentlich eher metaphorisch gemeint. Aber ich beschreibe diesen Ort, an den es mich immer wieder hinzieht. Es gibt verschiedene Spots, an denen ich in Menden sehr viel Zeit verbracht habe. Aber es gibt einen Ort an einem See, an einem Teich. Da haben wir sehr viele Partys gefeiert.

+++ Das könnte Sie auch interessieren: Der Mendener Nico Suave will mit seinem „Team Liebe“ nach Turin +++

Am Hexenteich?

Ja! Da haben wir legendäre Partys gefeiert. Aber ich habe diesen Ort auch eher als Metapher benutzt für dieses Feeling, das ich habe, wenn ich zurück in meine Heimat fahre.

Du bist damals über Dendemann nach Hamburg gekommen?

Jein. Dendemann ist ja auch Mendener und hat sein erstes Album in Hamburg gemacht. Er hat mich quasi als Feature auf sein Album draufgepackt. Ich habe diverse Shows mitgemacht. Er hat mich mit auf Tour genommen. Damals hat mich die Musikindustrie auch zum ersten Mal wahrgenommen. Damals waren Universal und BMG, die ganzen großen Plattenfirmen, alle in Hamburg. Da ging es alles relativ schnell. Für mich war klar. Dende ist vorangegangen. Ich habe die Optionen. Ich folge.

Habt ihr noch Kontakt?

Dende wohnt mittlerweile in Berlin. Wir haben Kontakt, nicht sehr oft. Gerade letztens haben wir noch geschrieben. Wenn ich in Berlin bin, besuche ich ihn auch sicher. Aber wir sind halt alle in einem Alter, wo jeder in seinem Umfeld lebt, seine Bubble hat. Aber wir sind cool miteinander.

Auch interessant

Contest

ESC 2022: Diese Acts treten beim deutschen Vorentscheid an

Kannst du dir auch mal vorstellen, ganz mit der Musik aufzuhören?

Jetzt in der Pandemie, da gab es viele Momente aus verschiedensten Gründen. Da fragst du dich: Macht das noch Sinn? Musik ist so allgegenwärtig. Aber Musik fällt auch nicht vom Himmel. Die Entstehung ist mit sehr viel Arbeit verbunden. Für uns ist das Live-Business essenziell. Wenn das fehlt und du Kinder hast, fragst du dich schon: Wie lange kann ich das durchstehen? Ich glaube, dass wir jetzt Licht am Horizont erkennen können. Egal wie schlecht ich ticke, ich versuche immer etwas Positives zu finden, irgendwas, woran ich mich festklammern kann. Bei „Hallo Welt“ sieht es ja so aus als würden wir nur in Batik-Shirts und langen Gewändern rumlaufen und Herzchen in die Luft pusten. Aber das komplette Gegenteil ist der Fall. Es ging mir noch nie so schlecht wie in der Zeit als der Song entstanden ist. Aber ich konnte mich daran festhalten, weil der Song in mir ein so positives Feeling ausgelöst hat. Musik soll emotionalisieren. Ich glaube, dass der Song das machen kann. Ich wünsche mir, dass der Song das machen kann und die Menschen da draußen das fühlen.