Wehringhausen. Vor zehn Jahren wurden die Produktionshallen des Batterieherstellers Varta in Wehringhausen abgerissen. Eine Nachfolgenutzung bleibt ungewiss.
Wenn die städtebauliche Entwicklung der Varta-Insel in Hagen-Wehringhausen sich mit der zuletzt erlebten Dynamik fortsetzt, droht bei der irgendwann fälligen Beseitigung der dort sprießenden Vegetation schon wieder die Baumpflegesatzung zu greifen: Zehn Jahre ist es inzwischen her, dass mit dem offiziellen Spatenstich für die Bahnhofshinterfahrung die ehemaligen Produktionshallen des weltbekannten Batterieherstellers abgerissen wurden. Damit wurde der 23. März 2012 nicht bloß zum symbolischen Startschuss für ein 60-Millionen-Euro-Straßenprojekt, sondern für die Wirtschaftsförderung in einer Stadt mit akutem Gewerbeflächenmangel zugleich zum Tag 1 einer dringend erforderlichen Nachfolge-Vermarktungsoffensive.
Sanierung des kontaminierten Bodens
Die weitgehend mit Beton-Bodenplatten und Asphaltflächen versiegelte Varta-Insel muss zunächst von den Giftstoffen aus jahrzehntelanger Batterieproduktion befreit werden.Hier übernimmt der Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung (AAV) die Regie, der auf die Sanierung kontaminierter Flächen spezialisiert ist und schon beim Bau der Bahnhofshinterfahrung seine Expertise unter Beweis gestellt hat.In diesem Jahr, so die Stadt Hagen, plane der AAV auf Grundlage einer bereits vorliegenden Gefährdungsbeurteilung, einen Sanierungsplan für die Varta-Insel zu erarbeiten.Kernpunkt der Flächenaufbereitung wird sein, einen unterirdischen Graben unter dem Gelände, durch den Ennepe-Wasser fließt und der einst zum Betrieb technischer Anlagen im Rahmen der Batterieproduktion diente, zu sanieren und freizulegen.Die Hinterlassenschaften der Schlacken und Stoffe in den zubetonierten Böden werden zurzeit im Rahmen eines Monitoringverfahrens überprüft, bevor das Wasser in den Fluss sickert.Ansonsten soll der Untergrund, aus dem schon das Grün sprießt, nach Möglichkeit gar nicht angefasst, sondern für die Ewigkeit versiegelt werden.Die Kosten für diese Maßnahmen trägt zu 80 Prozent der AAV. Den Restbetrag übernimmt die Hagener Industrie- und Gewerbeflächen GmbH (HIG).
Inzwischen sind wir bei Tag 3672 (524 Wochen), und außer Schuttbeseitigung, einer Verkehrsanbindung per Kreisel und einem stabilen Grundstückszaun ist auf dem 62.000-Quadratmeter-Areal wahrnehmbar bislang wenig bis nichts geschehen. Die Stadt Hagen, die das Gelände 2019 über die Hagener Industrie- und Gewerbeflächen GmbH (HIG) erworben hat, verweist auf Anfrage lediglich auf „interessante Gespräche zur Nutzung der Fläche“ und stellt in Aussicht, dass in diesem Jahr ein Sanierungsplan für den verseuchten Grund (siehe Infobox) entstehen könne.
Unternehmen brauchen Signale
„Die Hagener Unternehmerschaft braucht endlich Signale in der Flächenpolitik“, fordert derweil der für Standortfragen verantwortliche SIHK-Geschäftsführer Christoph Brünger. Dabei blickt er, neben den Arealen an der Dolomitstraße im Lennetal, vorzugsweise auf die Gewerbe-Potenzialflächen am Böhfeld, Hammacher und an der Grundschötteler Straße. Aber auch rund um die Westside sowie auf dem einstigen Varta-Grund könnte sich der Lobbyist der regionalen Unternehmerschaft ein anderes Entwicklungstempo vorstellen. „Mit der Zeit der internen Umstrukturierungen muss es jetzt mal gut sein“, erwartet Brünger vom neuen Geschäftsführer der „Hagen-Wirtschaftsentwicklung“ (ehemals Hagen-Agentur) Christopher Schmitt keine weiteren organisatorischen Klimmzüge, sondern endlich konkretes operatives Handeln.
„Zu einem modernen Wirtschaftsstandort gehört eine aktive Flächenvorratspolitik – hier verfügt Hagen lediglich noch über Restmengen. Für Industriebetriebe ist nicht alles bloß virtuell, sie leben von der Produktion und vom Transport“, mahnt Brünger. Für viele Betriebe bedeute Klimaneutralität heute einerseits die Entwicklung innovativer Produkte, andererseits aber auch die Modernisierung der Produktionsstandorte, um die eigene Klimabilanz zu verbessern.
„Hagen braucht endlich ein Gesamtkonzept – eine Flächenstrategie muss her“, betrachtet Brünger die Varta-Insel als einen wichtigen Mosaikstein. Allerdings schreibt er der Stadt ins Stammbuch, hier nicht ausschließlich auf den Dienstleistungssektor zu setzen. Vielmehr seien die 37.000 Quadratmeter nutzbare Fläche zwischen den Hängen des Kuhlerkamps und der kanalisierten Ennepe auch bestens für ein City-Logistik-Drehkreuz geeignet: „Hagen muss hier die künftigen Verkehrsprobleme mitdenken und die Erreichbarkeit der Innenstadt sichern.“
Im Hagener Rathaus gedenkt man derweil, bei der Varta-Insel mit besonders langem Atem ausreichend Platz für moderne Dienstleistungsunternehmen sowie hochwertige Büronutzungen zu reservieren. Entsprechende Potenziale seien in fußläufiger Nähe zum Hauptbahnhof und mit bester Anbindung zu A1, A45 und A46 sowie zur Infrastruktur der Innenstadt durchaus gegeben. Zudem könne eine entsprechende Qualität der Arbeitsplätze auch das Szene-Quartier Wehringhausen strukturell positiv befruchten.
Baukörper mit Raum für Grün
Das bislang vorliegende, durchaus attraktive Varta-Insel-Gestaltungskonzept der Stadtplaner sieht vorzugsweise drei- bis viergeschossige Baukörper vor, die mit Dachterrassen mit Blickrichtung Ennepe versehen werden. Zudem soll zwischen den Objekten ausreichend Raum für Grün und Plätze mit Aufenthaltsqualität verbleiben.
Der dazu erforderliche Bebauungsplan zur Nutzung der Fläche, so die Haltung der Stadt, solle idealerweise gemeinsam mit konkreten Investoren entstehen. Grundsätzlich werde nach ersten Gesprächen auf der Immobilien-Messe Expo-Real 2021 eine zeitnahe Vermarktung angestrebt. Was damit konkret gemeint sei, lässt die Stadt zehn Jahre nach Abriss der Varta-Hallen weiterhin offen.