Attendorn/Bonn. Es ist eine besondere Ehre: Nur 150 der 216.000 Bundeswehrsoldaten werden zum „Oberst der Reserve“ ernannt. Einer von ihnen kommt aus Attendorn:
Es ist eine besondere Auszeichnung, die Volker Arndt vor wenigen Tagen in Bonn erhielt: Der gebürtige Attendorner, von 1987 bis 1999 als aktiver Bundeswehrsoldat unter anderem in der Türkei im Einsatz, darf sich nun „Oberst der Reserve“ nennen. Ein Dienstgrad, den nur 150 der insgesamt rund 216.000 Bundeswehrsoldaten tragen. Wir sprachen mit dem 53-jährigen Diplom-Kaufmann aus der Hansestadt über seine Zeit bei der Bundeswehr und seine Beförderung.
Herr Arndt, für alle Nicht-Soldaten aus Attendorn und Umgebung: Was steckt hinter dem Dienstgrad „Oberst der Reserve“?
Volker Arndt Der Dienstgrad Oberst ist der höchste Offizierdienstgrad in der Gruppe der Stabsoffiziere unmittelbar unter dem Brigadegeneral. Der Zusatz Reserve verdeutlicht, dass der Dienstgrad an einen Reservisten verliehen wurde – in diesem Falle also mir. Ich bin zwar seit 1999 nicht mehr als Aktiver im Dienst, dafür aber seit 2004 regelmäßig als Reservistendienstleistender.
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Was ist dann Ihre Aufgabe?
Reservisten unterstützen die Bundeswehr im gesamten Aufgabengebiet. Im Schwerpunkt leistet die Reserve Beiträge zur Landes- und Bündnisverteidigung, zum Heimatschutz sowie zur Unterstützung alliierter oder befreundeter Streitkräfte im eigenen Land. Darüber hinaus dienen sie dem Personalersatz der „aktiven“ Truppen und steuern damit einen entscheidenden Beitrag zu deren Arbeits- und Durchhaltefähigkeit bei.
Kann jeder Bundeswehrsoldat den Dienstgrad „Oberst der Reserve“ erhalten?
Zur Person
Volker Arndt wurde am 9. August 1967 in Attendorn geboren. Er ist verheiratet und hat einen Sohn. Arndt hat an der Universität der Bundeswehr Hamburg BWL mit dem Schwerpunkt Personal studiert. Zu seinem militärischen Werdegang gehören u. a. Stationen in Höxter, Emden, Hannover und Oldenburg.Im Jahr 1991 wurde Arndt zum Leutnant befördert, 1994 zum Oberleutnant, 1997 zum Hauptmann, 2006 zum Major der Reserve, 2008 zum Oberstleutnant der Reserve und nun zum Oberst der Reserve.
Nein. Er wird nur verliehen an jene Soldaten, die die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Dies sind, vereinfacht dargestellt, eine entsprechende Ausbildung und ein langjähriger Werdegang mit vorgegebenen Stationen sowie ein Dienstposten, der mit dem Dienstgrad „Oberst“ hinterlegt ist. Für Reservisten gelten hierbei grundsätzlich die gleichen Voraussetzungen und Anforderungen hinsichtlich Eignung, Leistung und Befähigung wie für die „aktiven“ Stabsoffiziere.
Welche Bedeutung hat diese Auszeichnung für Sie persönlich?
Mit dieser Beförderung habe ich mir parallel zu meinem Zivilberuf in vielen herausfordernden, intensiven und prägenden Jahren den maximal möglichen Spitzendienstgrad für Reservisten erarbeitet. Ich empfinde eine unbändige Freude sowie enormen Stolz auf das Erreichte. Ich durfte auf herausragenden Positionen üben und wachsen: Ich war Kompaniechef, stellvertretender Bataillonskommandeur und schließlich Kommandeur des Abwehrbataillons 7 in Höxter sowie Generalstabsoffizier in der 1. Panzerdivision in Hannover und Oldenburg, bevor ich vor zweieinhalb Jahren meine aktuelle Aufgabe als Leiter der Abteilung Grundlagen und Weiterentwicklung des Abwehrkommandos der Bundeswehr in Bruchsal übernahm. Meine Beförderung ist mir eine Ehre und gleichzeitig eine tiefe persönliche Verpflichtung, mich weiterhin aktiv in die Bundeswehr einzubringen.
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Wie und wo wurden Sie befördert?
Befördert wurde ich im Kommando der Streitkräftebasis auf der Hardthöhe in Bonn durch den Inspekteur der Streitkräftebasis, Herrn Generalleutnant Martin Schelleis. Meine Frau Rita nahm an der Zeremonie teil, was mir sehr wichtig war, hat sie doch während meiner vielen Reservistendienstleistungen immer wieder auf mich verzichten müssen. Die Corona-Pandemie machte bei meiner Beförderung ihren direkten Einfluss „geltend“ – der Feierlichkeit tat dies aber keinen Abbruch. Ich werde mich sicherlich mit einem lachenden Auge an die Zeremonie zurückerinnern, wenn ich mir die „vermummten“ Gesichter anschaue.
Wo werden Sie ihre Urkunde aufbewahren?
Ich werde meine durch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer persönlich unterzeichnete Ernennungsurkunde an meiner Erinnerungswand als gerahmtes Bild aufhängen, unmittelbar neben meiner Ernennungsurkunde zum Leutnant, die mir vor fast genau 30 Jahren überreicht wurde. An dieser Wand finden sich ausgewählte Fotos, Bilder, Urkunden und Wappen, die mich immer wieder an herausragende, sehr intensive und schöne Momente meines militärischen Lebens erinnern.
Welche besonderen, vielleicht auch traurigen Erlebnisse verbinden Sie mit Ihrer Zeit bei der Bundeswehr?
Vieles, was mich hat erfolgreich werden lassen, verdanke ich der Ausbildung, die ich bei der Bundeswehr absolvieren und den wertvollen Erfahrungen, die ich in den verschiedensten Verwendungen und auf unterschiedlichsten Führungsebenen machen durfte. Insbesondere mein Einsatz in Diyarbakir/ Kurdistan als Führer einer Aufklärungsgruppe mit zwei Spürpanzern im Jahr 1991 hat mich und mein Verständnis von guter Führung, von persönlicher Führungsverantwortung und Fürsorgeverpflichtung nachhaltig geprägt. Fern von Zuhause unter permanenter Unsicherheit hinsichtlich des irakischen Potenzials zum Einsatz chemischer Kampfmittel mittels Raketen gegen unseren Standort war es für meine Soldaten und mich der erste richtige Einsatz mit allen denkbaren Risiken, Unsicherheiten und Unwägbarkeiten. Ich habe lernen dürfen, dass verantwortungsvolle Führung von Menschen immer auf gegenseitigem Vertrauen und guter erfolgreicher Zusammenarbeit basiert und immer auch eine Fürsorgeverpflichtung des Anführers für die ihm anvertrauten Menschen impliziert. Gegenseitiges Vertrauen und gute Zusammenarbeit kann man indes nicht befehlen, beide wachsen im Miteinander, im gemeinsamen Bestehen schwieriger Aufgaben insbesondere unter widrigen Bedingungen.
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Mit welchen Argumenten können Sie jungen Menschen eine Ausbildung schmackhaft machen?
Die Bundeswehr bietet eine ungeheure Vielfalt verschiedenster Berufsbilder. Gute Bezahlung, qualifizierte Berufsausbildung und Weiterqualifizierungen, vielfältige Fach- und Führungsverantwortung bereits in jungen Jahren und gelebte Kameradschaft sind tolle Lernfelder und Alleinstellungsmerkmale, die auch für spätere zivilberufliche Tätigkeiten qualifizieren. Auch wer sich für „agile“ Methoden begeistert, kommt um die Bundeswehr als Arbeitgeber nicht herum – „Agilität“ im Sinne einer jederzeitigen Handlungsflexibilität ist schon immer elementarer Bestandteil der Auftragstaktik der Bundeswehr. Und dies nicht erst, seitdem das Wort Agilität in aller Munde ist. Und jeder Unteroffizier, jeder Offizier, jeder Stabsoffizier und jeder General hat einmal klein angefangen und war selbst einmal Gefreiter. Dies ist im Vergleich zu jedem anderen Unternehmen einzigartig, weil Karrieren in der Bundeswehr für jeden immer ein Beginnen im Kleinen bedingen.
Kommen wir zu einem aktuellen Thema: Die Bundeswehr zieht sich aus Afghanistan zurück. Eine richtige Entscheidung?
Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Einerseits ziehen sich alle am Einsatz beteiligten internationalen Kräfte in diesem Jahr aus Afghanistan zurück. Der Abzug der Bundeswehr ist insofern eine logische Konsequenz und eine richtige Entscheidung. Eine Fortführung des Einsatzes nur durch die Bundeswehr wäre nicht leistbar und nicht verantwortbar. Andererseits stellt sich implizit die Frage, ob und inwiefern der fast 20-jährige Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan als erfolgreich bezeichnet werden kann. In meiner persönlichen Bewertung wird sich der Erfolg daran messen lassen müssen, ob die Erfolge, die wir erzielen konnten, auch dann weiter bestehen bleiben, wenn die Taliban mit dem Komplettabzug der alliierten Kräfte erneut die Macht in Afghanistan vollständig übernehmen.
Wie sehen Sie die Bundeswehr im Jahr 2030 aufgestellt?
Im Jahr 2030 sehe ich eine hervorragend ausgebildete, materiell gut aufgestellte, jederzeit einsatzbereite und hochmotivierte Bundeswehr, die die Aufgaben der Landes- und Bündnisverteidigung sowie das internationale Krisenmanagement gleichermaßen beherrscht. Hoch motivierte, hervorragend qualifizierte und einsatzbereite und -willige Reservisten werden auf dem Weg dahin und danach weiterhin einen wichtigen Beitrag zur Durchhaltefähigkeit der Bundeswehr leisten.