Hagen. Wie Martin Haselhorst, Redaktionsleiter bei der WP in Arnsberg, Hagen als Einkaufsstadt erlebt.

Das fängt ja gut an. Ein Landjunge auf dem Weg in die Großstadt. Es geht zum Einkaufserlebnis nach Hagen. Sonst nur unterwegs in seiner Heimatstadt Werl oder in seinem Arbeitsplatz Sauerland steht er plötzlich mit seinem Bulli vor dem Parkhaus der Volme-Galerie und weiß nicht weiter. Die Kontrollstange kratzt am Dach, ein Meter neunzig Höhe reichen nicht, Rückwärtsgang rein. Der Ausflug wird trotzdem ein Happy End haben.

Aber von Beginn an: Im Auto höre ich den alten Klassiker „Hot town, summer in the city“, passt zum Wetter an diesem Tag. 26 Grad. Was mache ich da eigentlich in der Stadt? Möhnesee ist doch auch schön. So oft treibt es mich wahrlich nicht in die Einkaufszentren des Landes. Ich bin weder Shopping-Queen noch Einkaufsheld, weiß aber, wo ich mich wohl fühle.

Gutes Parkleitsystem

Hagen stand da bislang nicht auf meiner Liste der „lovely places“, bin meist vom Bahnhof gekommen, was in den meister Städten nicht die beste Wahl ist. Die gezielte Anfahrt mit dem Pkw in die City kann den Kleinstädter zuweilen schon einmal überfordern. Nicht aber in Hagen. Das Parkleitsystem verdient seinen Namen, ist gut sichtbar und nicht hieroglyphisch überfrachtet. Ich finde mein Parkhaus, später auch eins für die Ausmaße des Bullis. Im Untergrund der Rathaus-Galerie ist es hell, großräumig und sauber – bin echt positiv überrascht, es gibt im Land wahrlich schmuddligere Parkgaragen.

Mittelzentrum unter einem Dach

Auch der oft leidige Uringeruch von Treppenaufgängen aus Parkhäusern bleibt mir hier erspart. Und kaum öffnet sich die Ausgangstür stehe ich im Erdgeschoss der Rathaus-Galerie. Ohne Frage: sehr einladend, ein schöner Empfang. Der plätschernde Indoor-Brunnen ist allerdings nichts für schwache Blasen unter Druck, die eine längere Autofahrt hinter sich haben. Eine Etage höher aber das gut ausgeschilderte Kunden-WC – auch gut.

Ein Kleinstädter, der nur zur Not mal nach Dortmund oder Münster fährt, findet im Erdgeschoss der Rathaus-Galerie quasi ein komprimiertes Angebot von Markengeschäften, das ihm eigentlich alle Wünsche erfüllt. Das ist mehr, als die Fußgängerzone vor der eigenen Haustür zu bieten hat. Ein Mittelzentrum unter einem Dach. Rossmann, Saturn, Nanu Nana, Camp David oder Hunkemöller. Eigentlich doch alles da, was man braucht. Ein Früchte-Paradies verbreitet sogar südländisches Markt-Flair im Galerie-Korpus. Okay, oben in der Etage ist auch in einer Hagener Einkaufsgalerie schon einmal Leerstand. Der aber ist intelligent durch Folien auf den Schaufensterscheiben überschminkt.

Also mal draußen gucken. Ist ja schönes Wetter. Wer hier fremd in die Stadt kommt, schaut sich einmal um und entscheidet sich für eine Richtung. Bei mir ist es der Weg nach links weg vom Friedrich-Ebert-Platz über die Mittelstraße. Die Auslage der Blumenbörse hat was Gemütliches. Und dann ein Ballon-Supermarkt. Sachen gibt es hier. . . Spätestens vor dem Fan-Artikel-Shop des ehemaligen Basketball-Bundesligisten Phoenix Hagen weiß ich als Sportfan, in welcher Stadt ich gelandet bin. Das kenne ich, und Lokalpatriotismus finde ich gut.

Zurück zum Ebert-Platz

Über den Märkischen Ring bringt es keinen Einkaufsgast – da zieht einem im natürlichen Bewegungsfluss nix hin. Also zurück zum Friedrich-Ebert-Platz. Eigentlich sehr nett hier – viele Cafés, Eingang zu zwei Einkaufsgalerien, Extrablatt, Bar Celona und New Yorker. Kleinstädter, was willst du mehr, für dich ist das ein Metropolis.

Ist zwar alles irgendwie auch verwechselbar, aber trotzdem gemütlich. Dass die Palmen vor der Bar Celona kein einheimisches Gewächs sind, ist mir klar. Der Cappuccino wurde ja auch nicht an der Volme erfunden. Wer hier sitzt, erlebt Multikulti, wie es ihm das auch von Herzen geliebte westfälische Heimatkaff in seinen von Kartoffelfeldern umringten Stadtmauern nicht bieten kann. Ein schönes Gemurmel unterschiedlicher Sprachen. Hat was von Urlaub, ist aber auch Spiegelbild einer von Migration geprägten Stadt.

Für den Einkaufsmuffel ist das der perfekte Platz. Beim Käffchen Frau und pubertierende Kinder für drei Stunden verabschieden und schön in der Sonne Zeitunglesen. Irgendwas aber stört: Ist wahrscheinlich die Austauschbarkeit. Wie überall versuchen sich zwei Bank-Platzhirsche – Märkische Bank und Sparkasse – mit repräsentativen Gebäuden zu übertrumpfen. Dumm, dass das alte Rathaus mit seinem Turm irgendwie nicht richtig ins Szene gesetzt ist. Von vorne zugeparkt mit Fahrzeugen von Handwerkern und Lieferanten.

Volme bleibt dem Gast verborgen

Normalerweise entdecke ich Städte gerne vom Fluss aus. Aber wo ist eigentlich die Volme? In die Stadt integriert ist sie nicht, für den sich nur zentriert bewegenden Gast fließt sie unauffindbar im Hinterhof, weil er den Fluss ja gar nicht sucht. Eine logische Anbindung fehlt. Wasser gibt es ja trotzdem – im Mataré-Brunnen vor der Volme-Galerie oder an der Wassersäule vor der Sparkasse. Bei 29 Grad kühlt allein das Hören des Plätscherns wohltuend. Immer noch „Hot town, summer in the city“.

Perspektivwechsel

Martin Haselhorst, Redaktionsleiter in Arnsberg, hat sich im Rahmen der Serie „Zuversicht“ in der Hagener Innenstadt umgeschaut.Zeitgleich war seine Kollegin Yvonne Hinz, Redakteurin in der Stadtredaktion Hagen, in der Neheimer City auf Einkaufstour.

Wer es irgendwie normaler, bodenständiger und vielleicht auch typischer mag, muss sich in Richtung 1-B-Lagen bewegen. Die Blütenpracht von Blumen 2000 in der Kampstraße gibt einer Stadt wirklich Charme, ebenso wie Nina’s Frittenhaus oder der Obststand an der Ecke Elberfelder Straße. Die Elberfelder Straße nehme ich noch mit, hier wird besorgt, was gebraucht wird, weniger geshoppt. Eigentlich genau mein Ding.

Bevor es nach Hause geht, noch was zu trinken. 31 Grad inzwischen – very hot town, summer in the city. Da gehört man doch eigentlich in den Biergarten. Und siehe da: Da ist was Traditionelles, was auch alte Hagener kennen. Das Wirtshaus Spinne ist ein wohltuender Kon­trast zu den Bar Celonas dieser Welt. Doch ein Stück Westfalen mitten in der City. Ein Pils zum Abschied – war doch schön hier, ich komme wieder, keine Frage.