Breckerfeld. Sie stammen aus Odessa, sind vor dem Ukraine-Krieg geflohen. Jetzt hat eine Familie bei den Emdes in Breckerfeld ein neues Zuhause gefunden.
Es ist dieser eine Tag, der 24. Februar, der auf einen Schlag ihr ganzes Leben verändern soll. Der eine Tag, an dem Tatjana (42), Galina (66) und Vova (17) die Geschosse der Russen in Odessa hören. An dem sie sich im Badezimmer zu dritt zusammen auf den Boden kauern, weil das nächste sichere Versteck zu weit entfernt ist von ihrem Haus. Der eine Tag, ab dem plötzlichen Krieg ist.
Krieg im eigenen Land, Krieg in Europa. Russland hatte die Ukraine überfallen.
Weg von den Freunden in der Ukraine
„Unser Leben ist nicht mehr so wie vorher. Kinder und Menschen sterben. Es ist schlimm. Wir wissen nicht, wann es zurückgeht, wie es weitergeht“, sagt Tatjana und Tränen schießen ihr in die Augen. „Wir können gar nicht beschreiben, was wir fühlen. Viele Freunde sind noch dort.“ Dort in Odessa. In der Heimat. Der Heimat, die die Familie zurücklassen musste, um in Sicherheit zu sein.
Seit gut anderthalb Wochen leben Tatjana, ihr Sohn und ihre Mutter nun in Breckerfeld bei Familie Emde. „Die Ruhe, die Wärme, die Sicherheit die wir hier gefunden haben. Wir sind sehr dankbar. Das sind ganz, ganz großartige Menschen“, sagt die 42 Jahre alte Deutschlehrerin.
Ein Zuhause auf Zeit
Die Familie aus der Ukraine sitzt im Wohnzimmer zusammen auf der Couch. Sie haben hier ein Zuhause auf Zeit gefunden. „Wir lachen viel, auch wenn die Situation traurig und dramatisch ist“, fasst Helma Emde das zusammen, was beide Familien in den letzten Tagen erlebt haben. Denn vergangenen Mittwoch sind die Kriegsflüchtlinge bei der fünfköpfigen Familie – Lars und Helma (48 und 45), Tom (17), Jonas (13) und Luis (9) – im Untergeschoss eingezogen, nach zwei Tagen auf der Flucht.
Die Flucht nach Breckerfeld war privat organisiert. „Eigentlich wollten wir erst nicht weg“, beschreibt Tatjana die gemischten Gefühle beim Aufbruch. Aber die Nachrichten wurden immer schlimmer. Und der erhoffte Frieden und Abzug der russischen Truppen blieb aus.
Flucht über Rumänien
Dann kam die traurige Gewissheit: „Wir wussten, dass wir gehen müssen.“
Über einen Freund der Familie Emde, der seit mehreren Jahren in Odessa lebt und die Stadt ebenfalls Mitte Februar von einem auf den anderen Tag verlassen musste, kamen die beiden Familien miteinander in Kontakt. „Für uns stand sofort fest, dass wir helfen wollen. Wir haben hier genug Platz im Haus“, sagt Lars.
Über Rumänien kamen Tatjana, Galina und Vova mit dem Bus, und dann mit einem Flug nach Dortmund und schließlich in die Hansestadt. Und die Drei wurden mit offenen Armen in Breckerfeld empfangen.
Schon Freunde geworden
Vova geht mit Tom zur Schule, besucht die Oberstufe am Hildegardis-Gymnasium, das sich sofort bereiterklärte, den Schüler, der gut Deutsch spricht und in der Heimat bereits sein Abitur absolviert hat, aufzunehmen. Die Söhne sind schon Freunde geworden, oder wie Vova sagt: „Es war ein Match.“
Mutter Tatjana soll bald am Reichenbach-Gymnasium Ennepetal, wo auch Helma Emde unterrichtet, anfangen können. Auch Galina fühlt sich wohl, auch wenn sie kein Deutsch spricht.
„Das hat wirklich vorbildlich geklappt“, betont auch Lars Emde die unbürokratische Hilfe für die Familie. Helma Emde betont: „Wichtig ist, für diese Menschen hier eine Perspektive zu schaffen.“
Beten für Frieden
Und das, obwohl alle wissen, dass die Familie irgendwann zurückgeht. In die Heimat. Nach Odessa. Wenn der Krieg vorüber ist.
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„Wir beten jeden Tag dafür, dass wieder Frieden ist“, sagt Tatjana. Frieden in der Heimat. Frieden, auf den die kleine Familie aus der Ukraine seit jenem Tag, seit jenem 24. Februar hofft. Es war der Tag, der ihr ganzes Leben von einer Sekunde auf die andere auf den Kopf gestellt hat.