Menden. In Dortmund und Bergkamen werden „Spaziergänge“ von Impfgegnern als nicht genehmigte Versammlung aufgelöst – in Menden nicht. Das steckt dahinter
Beim ersten „Spaziergang“ von Impfgegnern in Menden war die Polizei nur Begleitung – in anderen Städten wie Dortmund oder Bergkamen griffen die Beamten hingegen durch und lösten die Treffen mit Verweis auf eine nicht angemeldete Demonstration auf. In NRW offenbart sich so ein regelrechtes Behörden-Wirrwarr mit Blick auf die Auslegung des Versammlungsgesetzes.
Gut 100 Menschen marschierten am Montagabend durch die Mendener Innenstadt. Die als „Spaziergang“ getarnte – und zuvor über den Kurznachrichtendienst Telegram verabredete – Zusammenkunft ist von der Kreispolizei nur begleitet, aber nicht aufgelöst worden. Anders als in Bergkamen oder Dortmund. „Ich kann verstehen, dass es wie ein Flickenteppich wirkt – und das behördenübergreifend“, sagt Polizeisprecher Lorenz Schlotmann auf WP-Anfrage. Gleichwohl: Eine einheitliche Linie der Polizei in NRW gibt es derzeit nicht, es fehle schlichtweg eine Anweisung des Innenministeriums.
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Und die wird es auch nicht geben, wie ein Sprecher des NRW-Innenministeriums auf WP-Anfrage mitteilt. „Wir können keine einheitliche Linie rausgeben, weil nicht jedes Treffen gleich ist“, heißt es dazu. Die Kreispolizeibehörde muss anhand ihrer Erkenntnisse vor Ort entscheiden. Solange keine Banner hochgehalten und Parolen gebrüllt werden, ist der Handlungsspielraum mit Blick auf das Versammlungsgesetz begrenzt; es gibt jedoch einen Ermessensspielraum, den jede Behörde anders auslegt.
Versammlungsgesetz ein weites Feld
Im Märkischen Kreis fahre man daher erst einmal die Linie, die Zusammentreffen nicht aufzulösen. Denn: „Die Teilnahme ist erst einmal nicht strafbar, das macht es schwierig“, erklärt Lorenz Schlotmann. Noch dazu sei das Versammlungsgesetz ein recht großer Rechtsbereich. Es liegt hier daher im Ermessen der jeweiligen Dienststelle, wie das Gesetz in solchen Fällen interpretiert werde. „Solange aus diesen Gruppen keine Straftaten heraus begangenen werden, lassen wir sie gewähren.“ Derzeit geht die Polizei nur gegen den Versammlungsleiter vor. Ist der jedoch unbekannt und nicht klar erkennbar, verlaufen auch strafrechtliche Ermittlungen im Sande.
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Diese Auslegungssache wird beim Blick über die Ruhr in den Kreis Unna deutlich. Landrat und Behördenleiter Mario Löhr (SPD) kündigt ein konsequentes Vorgehen an: „Die Menschen haben ein verfassungsmäßiges Recht auf Versammlungsfreiheit. Die Teilnehmenden wollen dem Rechtsstaat allerdings auf die Füße treten, indem sie das Versammlungsrecht versuchen zu umgehen. Das lassen wir als zuständige Versammlungsbehörde nicht zu.“ Denn die Teilnehmer würden sich vorab gezielt in Chats verabreden. Dieses Vorgehen erschwere der Polizei eine einsatztaktische Planung im Vorfeld und somit den Schutz der Veranstaltungen, die Prüfung von möglicherweise zeitgleich stattfindenden Protesten sowie die Verfügung von Auflagen.
Am Montag, 20. Dezember, gab es in insgesamt 68 Städten in NRW „Spaziergänge“ von Impfgegnern, wie das Innenministerium mitteilt. Mal wurden diese aufgelöst, mal nur begleitet.