Hagen. Im Stil von Wintergärten schützen Gastronomen am Bahnhof ihre Tische vor den Türen. Eine Entwicklung, die gut ankommt. Hier die Reaktionen.
Es klingt wie ein verwegen-tollkühner Husarenstreich, wie ihn in unserer ordnungs- und gestaltungsrechtlich in engen Korsettstangen agierenden Stadtgesellschaft ja eigentlich nur das empörte Wiehern eines Amtsschimmels auslösen kann: Da hausen in Pandemie-Zeiten engagierte Gastronomen im Bahnhofsquartier ohne Rücksprache ihre vor den Türen platzierten Tische mit Seitenwänden und Regenschutz ein. Aber man höre und staune: Niemand fordert den sofortigen Abriss. Im Gegenteil: Polizei, städtische Ordnungsbehörden und Politik in Hagen beäugen das kreative Treiben mit Wohlwollen und versuchen nun, den vermeintlichen Wildwuchs mit wohlwollendem Ermessensspielraum in tolerable Bahnen zu lenken.
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„Im Bereich der Bahnhofstraße und des Graf-von-Galen-Rings sind in den vergangenen Monaten die Außenbereiche einiger gastronomischer Betriebe nicht nur deutlich angewachsen, sondern haben durch den Aufbau von Plastikfensterfronten und Überdachungen auch einen deutlich anderen Charakter angenommen“, rieb sich Grünen-Sprecher Hans-Georg Panzer in der Bezirksvertretung Mitte jetzt verwundert die Augen. Dies habe zum einen Auswirkungen auf die Nutzung des öffentlichen Raums beispielsweise für Passanten, aber zugleich auch für Feuerwehr- und Rettungsdienstkräfte im Einsatz, formulierte der Politiker einerseits seinen gesunden Argwohn, plädierte aber zugleich für den Erhalt der Bauten – wenn auch in geregelten Bahnen.
Erhalt in geregelten Bahnen
Mit genau diesem konstruktiven Ansatz blickt zurzeit auch das Hagener Ordnungsamt auf die entstandenen Konstruktionen. „Natürlich wäre es uns lieber gewesen, wenn man erst mit uns gesprochen hätte, bevor man anfängt zu bauen, aber wir befinden uns mit den Betreibern im konstruktiven Dialog und suchen im Rahmen unserer Ermessensspielräume nach vernünftigen Lösungen“, beschreibt Ressortleiter Thomas Lichtenberg seine Kompromissbereitschaft. „Da die Objekte alle in Begleitung eines Architekten entstanden sind, handelt es sich um wertige Geschichten, die nichts kaputt machen.“
Wesentliche Voraussetzung für eine solche Sondernutzung bleibt natürlich, dass eine Bürgersteigbreite von 1,50 Metern für Passanten verbleibt und durch die Einhausungen mit Wintergartencharakter keine sicherheitsrelevanten Aspekte – beispielsweise Anschlüsse zu Feuerwehrhydranten – blockiert werden. Somit bleiben natürlich auch die Fußweg-Bereiche unter den Arkaden am Graf-von-Galen-Ring für Passanten frei. „Grundsätzlich ist es natürlich ein Balanceakt, der Kreativität der Gastronomen genügend Spielraum zu lassen und diese Entwicklungen als eine Form der Wirtschaftsförderung zu betrachten“, zeigt Lichtenberg nach den zähen Corona-Lockdown-Phasen und den vielen Einschränkungen für die Branche für diese Investitionen durchaus Verständnis.
Polizei befürwortet diese Entwicklung
Nichtraucherschutz gewährleisten
Einerseits sind die neu entstandenen Einhausungen mit Heizstrahlern zumindest im Winter von der Außenwelt nahezu komplett abgeschlossen. Andererseits werden dort kräftig Zigaretten konsumiert, was sich wiederum ohne freie Durchlüftung mit den Nichtraucherschutzgesetzen nicht vereinbaren lässt.Daher drängt das Ordnungsamt jetzt darauf, dort zumindest die Seitenwände wieder zu öffnen, um den gesetzlichen Regelungen zu genügen.
Rückendeckung erhält er dabei sogar von der Polizei: „Die Situation dort ist jetzt sortierter, freundlicher und sauberer“, hält Raimund Riedl, als Erster Polizeihauptkommissar Leiter der Wache Innenstadt, die Gastro-Erweiterungen für geeignete Treffpunkte, die einen gepflegteren Aufenthalt ermöglichen. Die Zahl der am Entree zur Innenstadt in Hauseingängen herumlungernden Gestalten habe deutlich abgenommen
„Die Situation hat sich städtebaulich positiv entwickelt“, unterstreicht auch SPD-Ratsherr Jörg Meier den durchaus niveauvollen qualitätvollen Anspruch der Leichtbau-Wintergärten. „Es ist eine gute Idee, die ordnungsrechtlichen Dinge im Dialog abzuarbeiten – dies ist ein Gewinn für die gesamte Situation.“ Dem vorsichtigen Vorstoß von Grünen-Vertreter Michael Kretschmann, über eine Gestaltungssatzung künftigen Wildwuchs in geregelte Bahnen zu lenken, erteilte Baudezernent Henning Keune prompt eine klare Absage: „Ich sehe hier keine Fehlentwicklung, die wir mit einem solchen Instrument regeln sollten.“