Menden. Noch schärfere Vorwürfe gegen die Betreiber des Mendener Impfzentrums. Verantwortlicher Kassenärztevertreter sieht Nötigung durch Testzwang.
Die Kritik am privaten Mendener Impfzentrum wird noch einmal schärfer: Der frühere ärztliche Leiter des MK-Impfzentrums Dr. Gregor Schmitz wirft dem Betreiber Nötigung vor, weil dieser jeden, der geimpft werden will, zu Tests zwinge. Das sei ein Fall für den Staatsanwalt.
+++ Hintergrund: So funktionierte der große Impf-Samstag in Menden +++
„Personen eine Covid-Impfung nur nach einem Schnelltest zu verabreichen, ist aus meiner Sicht eine Nötigung, da es keine medizinische Begründung hierfür gibt“, sagt Schmitz, der als Regionalleiter der Kassenärztlichen Vereinigung auch für die Corona-Impfungen im Kreis mitverantwortlich ist. Inwieweit das tatsächlich strafbar sei, müsse die Staatsanwaltschaft beurteilen.
Dr. Gregor Schmitz: Die Begründung schürt unnötig Ängste
Auch Schmitz kritisiert vor allem die Aussage des Dr. Arutyun Arutyunyan, der neben Dr. Walter Blaß das Mendener Impfzentrum betreibt. Arutyunyan hatte gesagt, dass es gefährlich sei, in eine bestehende Infektion hinein zu impfen. Damit werde „in der ohnehin schon irrationalen Impfdiskussion bei vielen Bürgerinnen und Bürgern zusätzliche Ängste geschürt“, sagt Schmitz.
Schmitz weiter: „Zu keinem Zeitpunkt wurde auch nur von einem Experten gefordert vor einer Impfung einen Schnelltest machen zu lassen. Dies ist aus medizinisch wissenschaftlicher Sicht absolut unnötig. Herr Arutyunayan stellt damit auch alle Ärztinnen und Ärzte sowie alle, die sich seit Monaten mit großem Engagement um die Impfungen bemühen, öffentlich als Dilettanten hin. Woher er seine exklusive Meinung nimmt, ist mir nicht bekannt.“ +++ Hintergrund: So hatten die Ärzte die Tests begründet +++
Kassenärztliche Vereinigung: Tests nur im Einzelfall gerechtfertigt
Schmitz stellt es auch in Frage, „ob die durchgeführten Zwangstests mit jeweils 8 Euro + 3,50 Euro Materialkosten zu Lasten der Allgemeinheit über die Kassenärztliche Vereinigung abgerechnet werden dürfen oder nicht“. Mittlerweile äußert auch die Kassenärztliche Vereinigung Zweifel. Man könne sich lediglich im Einzelfall „Sachverhalte vorstellen, in denen es Sinn macht, umfassender zu testen“, sagt Sprecher Daniel Müller. „Denkbar wären etwa enge Räumlichkeiten bzw. zu geringe Abstände oder eben eine gehäufte Personenzahl aus besonders vulnerablen Gruppen. Ob diese Einzelfälle konkret gegeben sind, entzieht sich unserer Kenntnis. Solche denkbaren Einzelfälle müssen nach ärztlicher Einschätzung vor Ort getroffen werden.“
Nach WP-Informationen soll die Kassenärztliche Vereinigung den Vorgang mittlerweile intensiv prüfen. Es steht der Vorwurf des Abrechnungsbetrugs im Raum. Wie berichtet blieb Dr. Walter Blaß dabei, dass er die Tests für medizinisch notwendig halte. Er vermute Neid.
Dr. Gregor Schmitz will den Fall selbst nicht anzeigen, weil er selbst nicht zum Kreis der Betroffenen gehöre. Strafanzeigen lagen bis Mittwochnachmittag bei der Staatsanwaltschaft nicht vor. Der Arnsberger Oberstaatsanwalt Thomas Poggel erklärte auf WP-Nachfrage allerdings, dass die Staatsanwaltschaft auch von Amts wegen Ermittlungen aufnehmen könne, wenn beispielsweise durch Äußerungen wie durch Gregor Schmitz solche Vorwürfe öffentlich werden. Ob das geschieht, ist offen. Auch eine Bewertung durch die Ärztekammer steht noch aus. +++ Alles zum Zeitplan um die Impfungen im privaten Mendener Impfzentrum +++
Bürgermeister begrüßt Impfinitiative grundsätzlich – niedrigschwelliges Angebot
Bürgermeister Roland Schröder erklärte auf Anfrage, dass er grundsätzlich die Impfinitiative in Menden sehr begrüße: „Ich sehe, dass in hoher Frequenz geboostert wird.“ Er begrüße auch das niedrigschwellige Angebot außerhalb der Praxen. Eine rechtliche und medizinische Einschätzung zur Testpflicht könne er nicht abgeben, betont Schröder. Die Stadtverwaltung stellt den Bürgersaal zur Verfügung, hat aber selbst mit dem Betrieb des Zentrums nichts zu tun.
Gregor Schmitz, hatte selbst mit Kollegen in Balve eine aus der Praxis ausgelagerte Impfstelle gegründet. „Einigen Ärztinnen und Ärzten habe ich auch bei dem Aufbau kleiner Impfstellen beratend zur Seite gestanden. Von allen Kolleginnen und Kollegen aber, die unser Modell jetzt kopieren, um sich durch Manipulationen zu bereichern, distanzieren ich mich ausdrücklich.“