Altenhagen. In Teilen Altenhagens dominiert immer noch Müll das Stadtbild. Von der Welle der Hilfsbereitschaft kam rund um den Bahnhof nicht viel an.

Am Abend der Volme-Flut standen Hunderte Menschen an der Altenhagener Brücke. „Sie haben sich gefreut und nur auf den einen Moment gewartet. Sie haben geklatscht und gejubelt, als das Wasser über die Kante schwappte. Das hat mich als Hagener sauer gemacht. Statt zu helfen haben sie sich gefreut“, sagt Mikail Isik. „Gefreut über eine Katastrophe.“

Isik betreibt einen Schlüsseldienst am Bahnhof und ist Vorsitzender des Rats der Muslime. Viele Menschen haben sich nach der Katastrophe an ihn gewandt. Und tun es bis heute. „Sie sind sauer. Es ist immer noch dreckig. In der Straße ist viel Schlamm und Müll. Am schlimmsten ist der Staub“, sagt er. Vor allem in der Straße am Hauptbahnhof wirbeln Autos auf der Durchfahrt immer neue Wolken auf. Auch drei Wochen nach der Flut ist es noch nicht gelungen, den gesamten Müll aus der Straße zu schaffen. Obwohl der Hagener Entsorgungsbetrieb (HEB) bereits zweimal vor Ort war.

 Altenhagen drei Wochen nach der Flut. Immer noch Müllberge und Staub dominieren das Stadtbild.
Altenhagen drei Wochen nach der Flut. Immer noch Müllberge und Staub dominieren das Stadtbild. © WP | Laura Handke

„Man kann die Türen oder Fenster kaum auf lassen“, sagt Christian Scholl, der hier die Firma Hermann Evers betreibt. Die ersten Tage stand knöchelhoch der kontaminierte Schlamm in der Straße und auf den Wegen. Keller waren voll Wasser. Autos sind abgesoffen, das Gebäude der Arbeitsagentur ist seit der Flut unnutzbar. Viele Geschäfte wurden überflutet. Am Wochenende dann kam noch einmal der HEB, um Müll abzufahren, sagt Scholl.

Von der Welle der Hilfsbereitschaft, die viele andere Stadtteile derweil erleben, ist rund um den Bahnhof nicht viel zu merken.

Aus Erlebnissen für die Zukunft lernen

„Wir haben unseren Nachbarn unter die Arme gegriffen und sie uns. Aber ein großes gemeinsames Anpacken in der gesamten Straße oder Hilfe von Leuten aus anderen Stadtteilen gab es nicht wirklich“, schildert Scholl seine Erfahrungen. Er selbst hatte genügend Unterstützung durch Familie und Freunde. „Aber viele andere waren schon auf sich allein gestellt.“

Zur Wahrheit gehöre aber auch, „dass manche einfach nur auf die Hilfe warten, statt selbst anzupacken“, sagt Mikail Isik. Dass Anwohner den Zustand einfach so hinnehmen, nach dem Motto: Irgendwann kommt wer, der den Dreck wegmacht. In Eckesey hat Isik eine ganz andere Art des Zusammenhalts erlebt. Helfer aus anderen Städten rückten an, „das war toll“, erinnert sich Isik, der in Eckesey mitgeholfen hat und den Helfern seinen Respekt zollen will.

Viele Ethnien im Stadtteil

Hagen. Altenhagen drei Wochen nach der Flut. Immer noch Müllberge und Staub dominieren das Stadtbild.
Hagen. Altenhagen drei Wochen nach der Flut. Immer noch Müllberge und Staub dominieren das Stadtbild. © WP | Laura Handke

Warum ist es in Altenhagen anders? „Hier sind viele Ethnien vertreten“, sagt Christian Scholl. Die fünf häufigsten Nationalitäten in Altenhagen-Süd: Deutsche (5666/63,6 Prozent), Syrer (518/5,8 Prozent), Rumänen (491/5,5 Prozent) Türken (451/5,2 Prozent) und Bulgaren (339/3,8 Prozent). Ohne es böse zu meinen, sagt der Hagener: „Viele, die hier leben, haben das System nicht verstanden, sprechen unsere Sprache nicht“, will Scholl, dessen Keller bis fast an die Decke vollgelaufen ist und dessen Haus zwei Tage ohne Strom war, betonen, dass es hier gerade mit Blick auf die Integrationsarbeit noch viele Baustellen gibt – das gilt für die Zeit vor und nach der Flut gleichermaßen.

„Es wäre schön, wenn Streetworker oder Übersetzer im Einsatz gewesen wären. Wenn die Leute mehr an einem Strang gezogen hätten. Und natürlich auch, wenn angesichts der Bevölkerungsdichte die Aufräumarbeiten schneller laufen würden.“ Vor allem sieht Scholl eine Chance, aus den Erlebnissen für die Zukunft zu lernen. „Die Flut hat Probleme aufgezeigt, die angegangen werden sollten.“ Dazu zählt neben all den Diskussionen um Schutzmaßnahmen, Alarmierungsketten und Aufräumarbeiten eben auch das Thema Integration.

>>> HINTERGRUND: Die drei Häuser an der Brücke

Zumindest das Groß-Sanierungsprojekt des markanten Häuser-Ensembles an der Altenhagener Brücke hat durch die Flut keinen nennenswerten Schaden genommen: Für rund 800.000 Euro saniert die ISS Grundbesitz GbR aus Schwerte dort drei Häuser (Hausnummern 1, 3 und 5). „Wir liegen mit den Arbeiten gut im Plan. Die Fassade ist fertig, die Innenrenovierungen laufen weiter“, sagt Gesellschafter Sascha Schubert.

Die ISS Grundbesitz GbR saniert die Häuser an der Altenhagener Brücke. Sascha Schubert von ISS Immobilienbüro.
Die ISS Grundbesitz GbR saniert die Häuser an der Altenhagener Brücke. Sascha Schubert von ISS Immobilienbüro. © WP | Michael Kleinrensing

„Was Schäden angeht, hatten wir Glück. Wir haben keinen Keller, da die Häuser auf der Brückenplatte und den Pfeilern stehen, die einen Teil der Brücke über die Volme absichern“, so Schubert.

Erst vor rund zwei Jahren musste die Firma zwei Grundpfeiler an der hinteren Seite des Grundstücks sanieren. Dort war die Standsicherheit nicht mehr gegeben, die Pfeiler waren marode. 35.000 Euro wurden hier investiert.

„Niemand kann sagen, welchen Schaden die Brücke davongetragen hätte, wenn die Pfeiler nicht erst saniert worden wären“, sagt Schubert.

Ein Statiker ist nach der Flut bereits vor Ort gewesen und hat die Brücke für den Verkehr nach einer kurzzeitigen Sperrung wieder freigegeben. „Die Arbeiten laufen jetzt normal weiter. Wir werden voraussichtlich noch dieses Jahr fertig.“