Arnsberg. Nur „ das längste Praktikum der Welt“ oder doch mehr? Was steckt hinter dem Freiwilligen Handwerksjahr? Das meinen die Kammer und Arnsberger Betriebe.

„Die Idee finde ich gut, denn viele Jugendliche haben eine andere Vorstellung vom gewünschten Beruf. Bei uns müssen Mitarbeitende zum Beispiel den ganzen Tag stehen, das haben einige Auszubildende vorher nicht bedacht“, sagt Dina Lage, Friseurmeisterin bei „City Coiffeur“ in Arnsberg. Um welche Idee es geht, erläutert auf Nachfrage der Redaktion Hendrik Schmitt:

„Wie stellen potenzielle Auszubildende und Handwerksbetriebe fest, dass sie zu zueinander passen? Idealerweise über ein Praktikum“, weiß der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Südwestfalen mit Sitz in Arnsberg. Oftmals reiche die Zeit aber nicht aus, um die Vielzahl an Berufen und Betrieben während der Schulzeit kennenzulernen, so Schmitt: „Die Lösung könnte ein freiwilliges Handwerksjahr sein, das seit 2024 in Schleswig-Holstein angeboten wird.

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„In die gleiche Kerbe haut“ Jan Bauer. „Wie soll es nach der Schule weitergehen? Auf diese Frage wissen ganz offenbar immer mehr Jugendliche keine konkrete Antwort“, hat Bauer beobachtet. Woran das liegen könnte? Ein Grund dafür sei, dass Schülerinnen und Schüler während ihrer Schulzeit viel zu selten mit der Berufswelt in Kontakt kommen, so der Präsident des Landesverbandes der Kreishandwerkerschaften in NRW weiter. Aber bleiben wir zunächst vor Ort.

Er begrüße angesichts des Nachwuchsmangels alle Aktionen, die junge Menschen an das Berufsleben heranführen, erklärt Hendrik Schmitt. „Ein freiwilliges Handwerksjahr mit mehrmonatigen Praktika in verschiedenen Betrieben wäre ein guter Schritt, die Vielfalt des Handwerks kennenzulernen und seine Fähigkeiten auszuprobieren“, so der Hauptgeschäftsführer aus Arnsberg. Das freiwillige Handwerksjahr sollte analog zum Bundesfreiwilligendienst organisiert sein und der Sozialversicherungspflicht unterliegen, hat er schon sehr konkrete Vorstellungen.

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Und was meinen Vertreter weiterer heimische Handwerksbetriebe? Bäckermeister und Betriebswirt im Handwerk Matthias Kemper aus Arnsberg :„Ein freiwilliges Handwerksjahr fände ich gut, weil es den Jugendlichen einen Einblick in den Betrieb gibt. Bei uns im Bäckerhandwerk heißt es auch für die Auszubildenen jeden Tag früh aufstehen, als Geselle muss man schon um drei Uhr morgens in der Backstube stehen.“

Stimmen aus Arnsberg zum Freiwilligen Jahr im Handwerk
Findet die Idee gut: Friseurmeisterin Dina Lage aus Arnsberg. © WP | Wolfgang Becker

Marcus Jost vom Autohaus Jost in Arnsberg :„Wir haben gute Erfahrungen mit den Schulpraktika gemacht, da bekommt ein Praktikant schon einen umfassenden Einblick in die Betriebsabläufe.“

Stimmen aus Arnsberg zum Freiwilligen Jahr im Handwerk
„Daumen hoch“ zum Freiwilligen Jahr im Handwerk auch bei Marcus Jost vom Autohaus Jost in Arnsberg. © WP | Wolfgang Becker


Mit diesem zusätzlichen Angebot werde die Berufsorientierung gestärkt, betont Hendrik Schmitt die Notwendigkeit zusätzlicher Maßnahmen. Vorab zu klären seien jedoch die Fragen der Finanzierung.

Blick in den „Hohen Norden“ zeigt: Es funktioniert

Kommt es also, das „Freiwillige Jahr“? Im Westdeutschen Handwerkskammertag (WHKT) wird dieses Thema derzeit von den sieben nordrhein-westfälischen Handwerkskammern diskutiert. Dabei könnte NRW vom Blick in den hohen Norden profitieren: Ergänzend zu verpflichtenden und freiwilligen Praktika ist in Schleswig-Holstein ein freiwilliges Handwerksjahr schon „unterwegs“. Wie läufts?

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Erste Erfahrungen bei der Handwerkskammer Lübeck, in deren Einzugsgebiet das „freiwillige Handwerksjahr“ gestartet ist, seien ausgesprochen positiv, berichtet der Landesverbands-Geschäftsführer Ulrich Müller. Rund 150 Betriebe und mehr als 80 Jugendliche hätten sich gemeldet, mit Förderung des Schleswig-Holsteinischen Instituts für berufliche Bildung seien zunächst 25 Jugendliche im Alter zwischen 15 und 25 Jahren in ein freiwilliges Handwerksjahr gestartet. Und was kommt dabei rum? Neben wertvollen Berufserfahrungen und der Erkenntnis, ob ein gewähltes Berufsfeld auch für eine spätere Ausbildung in Frage kommt, gibt es beim freiwilligen Handwerksjahr in Schleswig-Holstein monatlich 450 Euro Aufwandsentschädigung.

„Ein solches freiwilliges Handwerksjahr, angelehnt an die Regelungen eines freiwilligen sozialen Jahres, wünschen wir uns auch in NRW“, erklärt das Präsidium des Landesverbandes der Kreishandwerkerschaften. Man werde in den Dialog mit der Politik gehen, um das Projekt voranzutreiben, denn insbesondere von der Politik benötige das Handwerk Unterstützung. „Wir brauchen Rechtssicherheit in Punkten wie Mindestvergütung, Kettenverleih (sprich, Ausbildung in unterschiedlichen Unternehmen) sowie Befreiung von der Schul- oder Berufsschulpflicht während eines freiwilligen Handwerksjahres, formulieren die Kammern bereits klare Forderungen.