Neheim. 25 Jahre jung, Altenpflegerin und Mutter: Aliena wird voraussichtlich am Rollstuhl gefesselt bleiben. Ihre Familie legt eine Spendenaktion an.
„Ich will einfach nur Mama sein“, sagt Aliena Feldmann, „Ich will mit meinen Kindern spielen, sie in den Arm nehmen, sie auf den Schoß nehmen - mich um sie kümmern.“ Doch genau das kann die Neheimerin seit mehr als einem halben Jahr nicht mehr; seit Juni, um genau zu sein. Denn da wurde bei der 25-Jährigen eine extrem seltene Autoimmunerkrankung diagnostiziert: Das Stiff-Person-Syndrom (SPS).
Auch interessant
Beim SPS kommt es im Rahmen einer autoimmunen Störung zu einer gesteigerten Erregbarkeit der Muskulatur. Zu den Symptomen gehört eine erhöhte Spannung der Muskulatur mit Muskelverhärtungen und Steifigkeitsgefühl, insbesondere im Bereich der rumpfnahen Muskulatur. Oft auch einschießende Muskelkrämpfe, die häufig durch bestimmte Reize (z.B. Berührung, Geräusche, Schreck) ausgelöst bzw. verstärkt werden. Im Dezember 2022 hatte Celine Dion, die weltweit bekannte kanadische Musikerin, der Welt eröffnet, dass sie am Stiff-Person-Syndrom leidet. Im letzten Jahr erschien eine Dokumentation namens „I Am: Celine Dion“ von der Regisseurin Irene Taylor, in der Celine Dion über die Krankheit spricht.
Auch interessant
„Beim Stiff-Person-Syndrom handelt es sich um eine sehr seltene Erkrankung mit einer Neuerkrankungsrate von einer Person auf eine Millionen Menschen pro Jahr“, sagt Mareike Horn, Aok-Sprecherin. „Darum wird auch ein Neurologe bzw. eine Neurologin im ganzen Arbeitsleben wahrscheinlich maximal einen Fall sehen und daher immer versuchen, Betroffene in spezialisierte Strukturen zu überweisen.“
7-jährige Tochter: „Ich will nicht , dass du stirbst“
Im Sommer 2024 wird diese seltene Krankheit bei Aliena Feldmann diagnostiziert. Unerwartet beginnt sie zu krampfen, hat enorme Schmerzen, kann sich nicht bewegen. Nach gut einem Monat kann sie zwar einigermaßen am Gehstock laufen - ist aber wackelig. Inzwischen bewegt sie sich nur noch im Rollstuhl fort; liegt je nach Tagesform nur im Bett und leidet unter Schmerzen. Mit ihr leiden ihre Mutter Dana, ihr Freund Roman und ihre beiden 7- und 4-jährigen Kinder.
Die 7-jährige Tochter sorgt sich. „Mama, ich will nicht, dass du stirbst“, habe sie zu ihrer kranken Mama gesagt. Aliena schießt eine Träne in die Augen: „Sterben werde ich nicht; aber auch nie wieder so leben wie vorher.“ Fangen spielen, herumtoben - all dies scheint in weite Ferne gerückt zu sein, wenn es überhaupt noch einmal möglich ist.
Was Medizinerinnen und Mediziner vielleicht einmal in ihrer beruflichen Laufbahn sehen, ist für Aliena bitterer Alltag. Jede Stunde, jede Minute muss sie damit rechnen, dass ihre Muskeln plötzlich „getriggert werden“, wie sie es nennt, und verkrampfen. Damit nicht genug, können schon kleinste Berührungen, Geräusche oder auch das auf den Schoß nehmen ihrer Kinder die Muskeln der jungen Mutter triggern und ein schmerzhaftes Verkrampfen auslösen.
Aber auch außerhalb der Verkrampfungen lebt Aliena nicht mehr ohne Schmerzen - ist auf beruhigende und schmerzlindernde Medikamente angewiesen. „Es ist, als würden die Knochen in meinen Beinen brennen“, sagt sie, „ich kann es kaum beschreiben ... gleichzeitig schmerzen die Muskeln.“ Sie liegt im Arm ihrer Mutter, Dana, die jeden Schmerzschub mitzufühlen scheint. Sie steht ihrer Tochter seit Beginn an zur Seite, kümmert sich um ihre Enkelkinder und versucht, all das anstehende Organisatorische zu managen. „Ich liebe meine Tochter - und stehe ihr bei“, so Dana. Auch in diesen Minuten, in denen klar wird, wie sehr die Psyche der jungen Frau und Mutter leidet.
Eigentlich, so der Plan, sollte ein Treffen stattfinden - zuhause, in Alienas Wohnung. Doch vor rund zwei Wochen hält sie die Schmerzen nicht mehr aus. Jede Berührung, jedes Geräusch scheint sie zu triggern. „Wir haben sie dann ins Krankenhaus gebracht - wir wussten ja auch nicht, was wir tun sollten.“ Dort erhält sie verschiedene Medikamente: für die Entspannung der Muskeln; gegen die Schmerzen. Das Treffen findet erst später virtuell per Video-Anruf ins Krankenhaus statt.
„Ich möchte endlich wieder Normalität“
Aliena ist medikamentös auf „höchster Stufe“ eingestellt - wirkungslos. Doch Morphium möchte sie nicht einnehmen, will nicht abhängig werden. Schlafen könne sie auch nicht, erhalte auch dafür Präparate. „Sie wirken teilweise aber auch paradox“, sagt Aliena, „Die, die mir beim Einschlafen helfen sollen, halten mich wach.“ Drei Tage lang sei sie teilweise wach - schliefe dann aber fast zwei Tage durch.
„Ich möchte endlich wieder Normalität - spazieren gehen, mich mit Freunden treffen und für meine Kinder da sein. Wieder Mama sein, Frau sein. Leben.“
„Ich möchte endlich wieder Normalität - spazieren gehen, mich mit Freunden treffen und für meine Kinder da sein. Wieder Mama sein, Frau sein. Leben.“ Nicht nur das: Aufgrund ihres Krankheitsbildes wird Aliena nie wieder in ihrem Beruf arbeiten können. „Ich habe in der Altenpflege gearbeitet - mit Herzblut. Ich habe das total gerne gemacht. Das wird nie wieder gehen!“
Um ein bestimmtes Medikament zu erhalten, muss Aliena eine Zweitmeinung zu ihrer Krankheit einholen. „Ich sollte eigentlich schon letzte Woche ins Ruhrgebiet verlegt werden“, sagt sie, „Aber das musste verschoben werden - ich stehe nun auf der Warteliste.“ Dort, so erklärt Mutter Dana, soll eine Zweitmeinung sozusagen das Krankheitsbild bestätigen, damit sie Medikamente, die ihre Krankheit zwar nicht stoppen, jedoch um einiges lindern, erhalten kann. Das Stiff-Person-Syndrom ist unheilbar. Ihr ganzes Leben wird sie mit dieser Krankheit leben müssen.
„Die Behandlung der seltenen Krankheit stützt sich auf drei Säulen: 1. Physiotherapie und muskelentspannende Maßnahmen, 2. muskelentspannende Medikamente (zur symptomatischen Behandlung) und 3. ggf. Immuntherapie (z.B. mit Kortisonpräparaten, Immunglobulinen oder Immunsuppressiva)“, heißt es zum SPS auf den Webseiten der Deutschen Hirnstiftung.
Hoffnung auf das lindernde Medikament
Aliena wird einen Tag nach dem virtuellen Treffen in die Uniklinik im Ruhrgebiet verlegt - soll dort ebenfalls untersucht werden und hofft auf eine bestätigende zweite Meinung, damit die medikamentöse Behandlung von ihrer Krankenkasse genehmigt wird.
Aok-Sprecherin Horn teilt unabhängig von diesem speziellen Fall mit: „Die medikamentöse Behandlung ist teilweise nicht für diese Erkrankung zugelassen (off-label-use), teilweise sind aber durch sehr breit formulierte Zulassungsvoraussetzungen Medikamente zugelassen. Wenn eine Behandlung außerhalb der Zulassung erfolgt, ist bei der Krankenkasse ein Einzelfallantrag zu stellen.“
Auch interessant
Ihre Mutter Dana und ihr Freund Roman erhoffen sich gute Nachrichten - kurz, dass sie die lindernden Medikamente bekommt - und möchten noch weiter vorsorgen: „Aliena wird nicht mehr ohne Rollstuhl leben können und auch ihren Job nicht mehr ausüben können. Wir wissen nicht, wie es weitergeht“, sagt Dana. Freund Roman hat daher eine Spendenaktion ins Leben gerufen, um Gelder für den eventuellen Umbau der Wohnung oder auch den Umzug in eine barrierefreie Wohnung zu finanzieren. „Um den Alltag mit ihren Kindern bestmöglich zu meistern, benötigt sie dringend ein behindertengerechtes Auto sowie eine barrierefreie Wohnung“, schreibt er.
Wer Aliena Feldmann gerne unterstützen möchte, kann sich per Mail bei thora.meissner@funkemedien.de melden oder direkt über die Gofundme-Spendenplattform helfen: https://gofund.me/6307ced6.
Mehr Nachrichten? Folgen Sie der WP Arnsberg/Sundern in den sozialen Medien:
- Folgen Sie uns auf Facebook: Westfalenpost Arnsberg/Sundern
- Bekommen Sie neue Einblicke auf Instagram: @wp_arnsberg_sundern
- Die WP Arnsberg/Sundern auf WhatsApp: WP Arnsberg/Sundern
- Das tägliche Update per E-Mail: Der WP Arnsberg Newsletter