Hüsten. Die Hüstener Speditionsunternehmer Hubertus und Lena Gössling verzweifeln an Bürokratie-Anforderungen. An Wahlversprechen auf Besserung glauben sie nicht.

Die Bundestagswahl steht vor der Tür. Das große Thema vieler Parteien: Entbürokratisierung. „Da redet doch im Moment jeder drüber!“, sagt der Hüstener Spediteur Hubertus Gössling, „ändern tut sich aber nichts. Wir sind behördenmäßig total aufgebläht.“ Dem Senior-Chef (68) zur Seite springt Tochter Lena. Die 42-Jährige schlägt sich seit Jahren mit von ihr so empfundenen Auswüchsen der Bürokratie herum. „Im Ernst. Das macht langsam keinen Spaß mehr“, sagt sie.

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In der 1955 gegründeten Spedition Gössling trägt Lena inzwischen in dritter Generation Verantwortung. 25 Lastkraftwagen schickt das Unternehmen auf die Reise und beschäftigt rund 90 Mitarbeiter. Im Alltag erleben sie - wie viele andere Unternehmer auch - diverse Hürden durch Bürokratie, sicher immer wieder verändernde Gesetze und behördliche Regelungen. „Jedes für sich mag ja irgendwie Sinn machen“, sagt Lena Gössling, „aber die Summe macht es. Es ist einfach zu viel.“

Beispiele kann sie liefern

Beispiele? Ja, da kann und will sie reichlich liefern. Auf zwei Din A4-Seiten hat sie viele Dinge notiert, durch die sie sich als Unternehmerin gegängelt oder unnötig aufgehalten fühlt. Sie fängt an mit dem Energieeffizienzgesetz, das eine Firma verpflichtet, jedes Elektrogerät auf Effizienz zu prüfen und dann einen Plan zu veröffentlichen, wie man Energie sparen will. Die meiste Energie verbraucht die Spedition aber beim Diesel. „Und was sollen wir hier sparen?“, fragt Hubertus Gössling, „sollen wir die Lkw abschaffen?“ Energiespartrainings bietet Gössling seinen Fahrern schon seit 30 Jahren an - aus eigenem Interesse. Die Umstellung auf Elektro-Lkw sei auch noch keine Alternative. „Die kosten das Doppelte!“, sagt Lena Gössling. Ihre 1,7 Millionen Euro Photovoltaik-Einspeisung dürfe sie nicht dem Dieselverbrauch entgegen rechnen. „Für mich ist das nicht zu verstehen!“, sagt sie.

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Und schon ist sie bei einer ihrer Lieblingspossen behördlicher Eskalation. Im Rahmen des Marktstammdatenregisters musste eine Photovoltaikanlage am Standort Dieselstraße 18 angemeldet werden. Es folgte eine Aufforderung die Adresse der Anlage auf Dieselstraße 918y umzubenennen. „Diese Adresse gibt es aber nicht!“, sagt Lena Gössling. Seitdem schlägt sie sich mit Netzbetreiber und der Bundesnetzagentur herum. „Ich soll nachweisen, dass es die Adresse nicht gibt“, so die Unternehmerin.

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Und so reiht sich eins an das andere. Im Rahmen einer aufzuklärenden Unstimmigkeit vor dem Transparenzregister hinsichtlich der Gesellschafterverhältnisse reichte es nicht aus, die Situation zu erklären. Erst war der zuständigen Behörde der Gesellschaftsvertrag zu alt, später sei sie darum gebeten worden, die Verhältnisse nicht schriftlich, sondern bildlich in einem Organigramm darzustellen. „Malen nach Zahlen, oder was ist das?“, ärgert sich Hubertus Gössling.

Im Rahmen des Hinweisgeberschutzgesetzes muss die Firma ab 50 Mitarbeiter - und eine der beiden Gössling-Firmen hat 52 Beschäftigte - eine externe Anlaufstelle bezahlen, an die sich Mitarbeiter bei Unregelmäßigkeiten im Betrieb wenden können. 1300 Euro im Jahr koste das die Spedition Gössling. Umgekehrt aber hake vieles, wenn die Betriebe einmal Hilfe bräuchten wie zum Beispiel beim Gewinnen von Arbeitskräften. Im Rahmen der Westbalkanregelung erhofft sich die Spedition, Fahrer aus Osteuropa anstellen zu dürfen. Hierfür gibt es Kontingente, die über die Bundesagentur für Arbeit gesteuert werden. „Wir haben da seit einem halben Jahr Leute, die für uns fahren würden“, sagt Hubertus Gössling, „bis das aber jetzt alles entschieden ist, brauchen wir die Fahrer auch nicht mehr. Das dauert alles zu lange!“

„Müssen alle darunter leiden“

Unternehmen sind aufgefordert, in ihrem geschäftlichen Handeln jederzeit Transparenz bieten zu können. Das kann Lena Gössling auch nachvollziehen. Nicht aber versteht sie, dass es nicht reicht, bei Rechnungen nur diese zu sichern, sondern warum sie die komplette Mail für Jahre speichern soll. „Ich habe doch früher den Briefumschlag auch nicht aufbewahrt“, sagt sie. Und schon ahnt sie, wo das generelle Problem liegt: „Es gibt viele Regelungen, um Missbrauch und schwarze Schafe zu stoppen, aber wir alle müssen darunter leiden!“

Und dann gibt es ja noch die Zusatzanforderungen. So verlange das Kraftfahrtbundesamt in regelmäßigen Abständen, dass mitgeteilt wird, was und wo welcher Lkw in welcher Kalenderwoche gefahren ist. „Für statistische Zwecke“, so Lena Gössling. Für sie werde da unnötige Arbeit erzeugt. „Das macht müde“, klingt sie frustriert.

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Von der Politik gibt es Versprechen. Erst in dieser Woche verkündete CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz aus Arnsberg in seinem Newsletter: „Europa muss beim Bürokratierückbau vorangehen. Wir werden mit einer neuen Bundesregierung diesen Kurs unterstützen und ihn durch einen mutigen Rückbau auch unserer nationalen Bürokratie begleiten“. Auch den Arnsberger FDP-Bundestagsabgeordneten Carlo Cronenberg, Unternehmer aus Müschede, treibt das Thema um. „ Bürger und Unternehmen in unserem Land leiden schon viel zu lange unter einer überbordenden Bürokratie. Ganz besonders betroffen ist der Mittelstand, davon können unsere Betriebe im Sauerland ein Lied singen: Erfassungen, Anträge, Bearbeitungszeiten bei Behörden – all das lähmt sie und damit unseren Wohlstand“. Daher habe die Bundesregierung, damals noch mit der FDP, auch das Bürokratieentlastungsgesetz IV beschlossen.

Lena Gössling hat eine klare Vorstellung davon, wie Behörden arbeiten sollten. „Sie müssen doch für uns Dienstleister sein und uns helfen“, sagt sie, „und bei Nachfragen muss man uns doch auch mal glauben anstatt alles 15 Mal nachzukontrollieren und sich belegen zu lassen.“

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