Arnsberg. Die Umsetzung des mit deutlichen Mehrheiten beschlossenen Rathaus-Projekts wird von Politik kritisch begleitet. Harte Vorwürfe gibt es von Grünen und der AfD.

Seit gut zehn Jahren diskutiert die Politik in Arnsberg über ein neues oder zu sanierendes Rathaus. Mit Fortschreiten der Planung und vor allem dem Eintreten von Bauverzögerungen und Kostenerhöhungen aus verschiedensten Gründen keimt immer wieder eine politische Diskussion auf. Festzuhalten bleibt aber, dass das Rathaus-Projekt in so ziemlich allen Entscheidungsstufen mit klaren Mehrheiten der Politik in Rat und Ausschüssen auf den Weg gebracht wurde.

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Einstimmig waren 2015 - da war Bürgermeister Ralf Bittner noch nicht im Amt, sondern sein Vorgänger Hans-Josef Vogel - Beschlüsse zur Aufnahme der Planung und Einleitung eines Wettbewerbsverfahrens. Im Juli 2019, als es um die konkrete Umsetzung der Sanierung des Rathauses mit Neuerrichtung eines Flachtraktes ging, gab es 33 Ja- und 12 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung im Rat. Ein verändertes Konzept wurde im September 2019 im Rat mit 43 Ja-, einer Nein-Stimme und zwei Enthaltungen verabschiedet. Die finale Abstimmung über die Planung und Kostenberechnung zur Leistungsphase III und die Fortsetzung der weiteren Leistungsphasen IV bis VI - das war schon im zweiten Jahr der Corona-Pandemie mit Folgen für Wirtschaft und Baukosten - wurde im Juni 2021 mit 38 Ja-, zehn Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen beendet.

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Inzwischen ist viel passiert: Ukraine-Krieg, Altlastenfunde und Preissteigerungen. Unsere Redaktion fragte daher die Parteien im Rat noch einmal, wie zufrieden sie mit dem gesamten Prozess sind. Die Antworten zeigen auf, warum und wo die Politik Probleme mit einer nicht mehr umkehrbaren Entscheidung hat.

„Als Grüne in Arnsberg waren wir von Anfang an skeptisch gegenüber der finalen Planung dieses Projekts und haben konsequent gegen dessen Umsetzung gestimmt“, sagt Verena Verspohl von den Grünen. Bei folgenden Detailabstimmungen hätten sich die Grünen enthalten, „da das Vorhaben trotz der bekannten schwerwiegenden Defizite durch das Ja der anderen Parteien nicht mehr zu stoppen war“. Sie ergänzt: „Wir haben 2021 nochmals beantragt, eine Neu-Evaluation anzulegen, um dieses Wuchtprojekt zu hinterfragen - vergebens.“ Mit der aktuellen Umsetzung seien die Grünen nicht zufrieden, weil „Bedenken bezüglich der Nachhaltigkeit und der ökologischen Ausrichtung nicht berücksichtigt wurden“. Daher hätten sich die Grünen „inhaltlich von Beginn an distanziert“. Die Projekt- und Bauleitung aber betont: „Auch in energetischer Hinsicht ist es ein Vorzeigeprojekt“, so Michael Bartnik. Er verweist auf die große PV-Anlage und die erzielte Energieeffizienz.

„„Es war den Bediensteten der Stadt nicht mehr zuzumuten, im alten Rathaus zu arbeiten.“

Frank Neuhaus
Fraktionsvorsitzender der SPD im Arnsberger Rat

Für die SPD erinnert Fraktionsvorsitzender Frank Neuhaus daran, dass „es den Bediensteten der Stadt nicht mehr zuzumuten war, im alten Rathaus zu arbeiten“. Das Gebäude sei „schlicht Schrott“ gewesen. Es sei zu berücksichtigen, dass die von der Politik abgesegneten Planungen und Kalkulationen vor der Coronakrise, dem Ukrainekrieg, steigender Inflation und dem Auffinden der Altlasten begonnen hätten. „Das konnte damals niemand voraussehen“. Der Bereich Neheim und Hüsten würde mit dem Bürgerzentrum gewinnen. „Gut, dass es dem Projektteam trotz schlechter Rahmenbedingen gelungen ist, das Großprojekt jetzt sehr lange konstant zu halten“, betont Neuhaus.

„„Im Hochtrakt sind einige offensichtliche Mängel, die durchaus vorab erkennbar waren, vernachlässigt worden.“

Christoph Schmidt
CDU-Vertreter in der Baukommission

„Tendenziell eher unzufrieden“, zeigt sich Christoph Schmidt von der CDU. Er ist auch Mitglied der Baukommission. Als Fachmann weiß er aber, dass für Umbauten und Bauen im Bestand „immer besondere Regeln“ gelten. Die exakte Erfassung der Rohbaukonstruktion erweise sich zu Beginn der Planungen immer als sehr schwierig. Das bedeute, dass die weiteren aufsetzenden Planungen nur auf einer Annahme zum Rohbau basieren, „was im Bauverlauf immer wieder zu Schwierigkeiten und Verzögerungen führen kann, weil die Annahmen oft nicht der Realität entsprechen“. Auch sei die exakte Feststellung der Tragfähigkeit, unter Berücksichtigung von Schadeinflüssen an Betonbauteilen, im Vorfeld schwer einzuschätzen, was sich beim Flachtrakt deutlich gezeigt habe und einen Neubau, samt aller Planungsleistungen, erforderlich gemacht habe. „Im Hochtrakt sind einige offensichtliche Mängel, die durchaus vorab erkennbar waren, vernachlässigt worden. Die erforderliche Sanierung der vorhandenen Stahlbetonrippendecken war vorhersehbar, zumindest sehr wahrscheinlich, wurde aber nicht gänzlich in die Kalkulation aufgenommen“, kritisiert Schmidt.

„Als FDP-Fraktion haben wir uns von Beginn an für einen Generalunternehmer eingesetzt, um die Kosten zu begrenzen.“

Florian Bordieck
Mitglied der Baukommission aus Reihen der FDP

Die FDP fühlt sich im Nachgang beim Blick auf heutige Probleme bestätigt. „Skeptisch zeigten wir uns bei der Entscheidung über die Kernsanierung des Bestandobjektes. Diese Skepsis wurde durch Altlasten und Dekontaminationen bestätigt“, sagt Florian Bordieck, der für die Arnsberger Liberalen in der Baukommission sitzt. Es hätte schnellere und sicher günstigere Alternativen gegeben. „Als FDP-Fraktion haben wir uns von Beginn an für einen Generalunternehmer eingesetzt, um die Kosten zu begrenzen“, so Bordieck. Er verweist aber darauf, dass in der Bauausführung das Projekt „recht rund“ laufe. Materialmangel und Lieferverzug seien globale Probleme. „In diesem Projektstadium noch großartige Budget- oder Zeitersparnisse zu erzielen, ist leider kaum möglich“, weiß Bordieck.

Die AfD spricht weiter von einer „Fehlmaßnahme“ und hätte andere Prioritäten gesetzt als das Arbeitsumfeld der Rathausmitarbeiter. „Wir hätten uns gewünscht, dass erstmal die Infrastruktur in der Stadt in Ordnung gebracht wäre“, so Fraktionsvorsitzender Otto Strauß, „zudem ist an diesem Betonbunker nichts erhaltenswert.“ Ihm fehle bei der Planung ein „Bezug zu unserer Tradition als Lampenstadt“. Welchen Bezug ihm zur Leuchtenstadt - so die richtige Bezeichnung - vorschwebt, lässt Otto Strauß offen. Die Projektleitung verweist darauf, dass das Lichtkonzept der Büros maßgeblich auf Lichtlösungen des heimischen Unternehmens Trilux basiere.