Arnsberg. Die 57-Jährige soll einer an Schmerzen leidenden Patientin nicht geholfen haben. Gegen das Urteil des Schöffengerichts Arnsberg will sie vorgehen.
War die heute 62-jährige Krankenschwester des Sauerlandklinikums mit der außergewöhnlichen Situation in ihrer Nachtschicht im Mai 2019 überfordert, hat sie fahrlässig oder gar vorsätzlich gehandelt indem sie, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, an einer Patientin eine Körperverletzung durch Unterlassen begangen haben sollte?
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Bei einer Patientin hatten sich nach einer Operation in der darauffolgenden Nacht Blutungen mit immer stärker werdenden Schmerzen eingestellt. Die angeklagte Krankenschwester soll trotz von der Patientin bekundeten heftigen Schmerzen nicht eingegriffen haben. Aufgrund ihres Zustandes hatte diese mehrfach vergeblich versucht zu klingeln, was ihr aber nicht gelang. Andere mussten das für sie erledigen.
Laut Zeugenaussagen knapp zwei Stunden nicht reagiert
Nach Zeugenaussagen soll die Schwester knappe zwei Stunden nicht reagiert, aber der Patientin gesagt haben: „Seien Sie ruhig, schlafen Sie jetzt, wir sind hier kein Hotel.“ Der Staatsanwalt sah hier, so wie mehrere Sachverständige in ihren Gutachten, eine vorsätzliche Körperverletzung durch Unterlassen und beantragte vor dem Arnsberger Schöffengericht für das Vergehen eine Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen à 70 Euro. Er stellte klar, dass die in der Beweisaufnahme gehörten Zeuginnen ihn in seiner Meinungsbildung bestätigt hatten.
In der Folgenacht musste sich die Patientin einer weiteren Operation unterziehen. Die Verteidigerin widersprach in ihrem Plädoyer dem Staatsanwalt heftig. „Meine Mandantin hat der Patientin mehrfach Schmerzmittel verabreicht. Als diese nicht wirkten, hat sie einen Arzt gerufen. Dass dieser aber nicht sofort kommen konnte, ist ihr nicht anzurechnen. Nach der Dokumentation hat die Angeklagte zuvor mehrfach geholfen. Sie hat alles gemacht, was in ihrer Obliegenheit stand“, argumentierte die Verteidigerin.
Der Staatsanwalt habe sich auf die vagen Erinnerungen der Zeuginnen gestützt. „Meine Mandantin hat bei diesem Drama noch gut reagiert. Sie war in einer Stresssituation. Eine solche hat sie in ihrer über 40 Jahre langen Praxis noch nicht erlebt“, fügte die Anwältin hinzu.
Weil der Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung durch Unterlassen nicht erfüllt sei, beantragte sie einen Freispruch. Dieser Antrag aber wurde vom Gericht zurückgewiesen. Das Gericht sah nach der umfangreichen Beweisaufnahme den Vorwurf der Staatsanwaltschaft als gerechtfertigt an. Es verurteilte die Angeklagte zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen à 70 Euro.
Berufung angekündigt
„Das Gericht hat bei der Urteilsfindung berücksichtigt, dass sie damals in einer Extremsituation waren, die Tat fünf Jahre zurückliegt und sie keine Vorstrafen haben. Trotzdem haben sie die enormen Schmerzen der Patientin zu lange ignoriert oder zumindest falsch eingeschätzt“, begründete der Vorsitzende das Urteil. Die Anwältin will gegen die Entscheidung in Berufung gehen.