Arnsberg. Familie Heymer lobt Lesepatenprojekt von Buchhandlung Vieth und Merz Stiftung. Warum es für sie ein abendliches Ritual ist, vorzulesen.

„Wir lesen jeden Abend im Bett“, sagt Linda Heymer, „ich finde das wichtig.“ Das Ritual sei gut für die Kinder, um am Abend zu entspannen. „Ich lese gerne lebendig vor.“ Ihre Tochter Charlotte ist sechs Jahre alt und geht seit diesem Schuljahr in die erste Klasse der Regenbogenschule auf dem Schreppenberg in Arnsberg. Der städt. Grundschulverbund „Regenbogen“ ist Teil des Projekts „Lesetüten“ (Initiative der IG Leseförderung im Börsenverein und der Verlage).

Das Konzept „Lesetüten“

Jedes Kind erhält zur Einschulung als Willkommensgruß eine fantasievoll bemalte und farbenfrohe Lesetüte mit einem Erstlesbuch der Partnerverlage. Der Clou ist, dass Kinder der ersten Klasse die Blankotüten für die Schulanfänger*innen bemalen und sie den Neuankömmlingen zum Schuljahresbeginn überreichen. Die Bemalung und Verteilung der „Lesetüten“ wird von Buchhandlungen organisiert.

Bestückt werden die Tüten mit einem Erstlesebuch (broschierte Sonderausgabe – entweder aus dem Arena oder Oetinger Verlag) sowie einem Klinkenhänger („Kein Eintritt, lese gerade...“) und einem Antolin Lesezeichen. Ein an die Eltern gerichtetes Begleitschreiben zum Thema Lesen im Grundschulalter, die Vorlage finden Sie in unserem Downloadbereich (Vorlage auch in Arabisch, Polnisch, Rumänisch, Russisch und Türkisch erhältlich), sollte, wie z.B. auch ein Lesezeichen auf dem Adresse und Öffnungszeiten Ihrer Buchhandlung zu finden sind, in der Tüte nicht fehlen. 

(Quelle: Lesetüte - Börsenverein, boersenverein.de)

Zu diesem Zweck haben die Zweitklässlerinnen und Zweitklässler des Grundschulverbundes die Lesetüten bunt gestaltet und als „Lesepaten“ in einem feierlichen Rahmen an die Erstklässler übergeben. „Die Kinder aus der zweiten Klasse haben die Lesetüten dann gemeinsam mit den Kindern der ersten Klasse geöffnet und sich die Inhalte angesehen“, sagt Manuela Zöllner, Konrektorin. „Sie haben dann auch schon gemeinsam im Buch geblättert.“

Nicht jedes Kind wächst mit Lesen auf

Für Charlotte nun nicht unbedingt etwas Neues, aber für viele Kinder ein erster Schritt in die „Lesekompetenz“. Denn die Lesetüte soll erste Leseanreize bieten - und die Kinder, wie auch ihre Eltern, dazu animieren, gerne auch mal gemeinsam in ein Kinderbuch zu schauen. Charlotte, ihr etwas älterer Bruder und auch das Nesthäkchen im Alter von gerade einmal einem Jahr genießen die Zeit mit ihrer Mutter oder auch ihrem Vater beim Vorlesen. „Auch diese Buch haben wir direkt gelesen“, sagt Linda Heymer, „Charlotte ist auch sehr neugierig und stellt zwischendurch Fragen. Zum Beispiel: ‚Sind das echte Leute?‘“

Die Erstklässler (vorne) und ihre Paten (hinten) aus der zweiten Klasse.
Die Erstklässler (vorne) und ihre Paten (hinten) aus der zweiten Klasse. © WP | Thora Meißner

Es ist das Interesse an Geschichten, das durch dieses Projekt gefördert werden soll - fernab der Smartphones, Tablets und Smart-TV-Geräte. „Wenn die Kinder daran gewöhnt sind, schon im Kindergartenalter Bücher vorgelesen zu bekommen, dann merkt man das später auch, wenn sie selbst eine Geschichte schreiben“, sagt Andrea Deyda, Schulleiterin der Regenbogen-Gemeinschaftsschule. „Man merkt es am Wortschatz, aber auch am Satzbau.“

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Es gebe auch viele Kinder, die nicht in den Genuss der „Familienzeit am Abend“ beim Lesen kämen - und die einen Anreiz bräuchten, sich für Bücher und das Lesen zu interessieren, erklärt Deyda weiter. Und genau für diese Kinder sei das Projekt ein erster Schritt, mit Büchern in Verbindung zu kommen und eventuell den Spaß am Lesen zu entdecken. Die Mädchen einmal mehr als die Jungs, wie die Erfahrung zeige. Im Hause Heymer liest auch der achtjährige Sohn. „Er möchte dann natürlich viel lieber etwas aus Harry Potter vorgelesen haben“, so Linda Heymer, „aber dafür sind die anderen beiden dann zu jung. Das verstehen sie noch nicht.“

Regenbogenschule ist leseaktiv

Es ist nicht die einzige Aktion, die an der Regenbogenschule auf dem Schreppenberg durchgeführt wird, um die Lesekompetenz zu stärken. Regelmäßig wird auch die Stadtbibliothek besucht, an Lesewettbewerben teilgenommen und auch die Lesetipps der Buchhändlerin Sonja Vieth umgesetzt. „Sie gibt uns regelmäßig Lesetipps, die unsere Schülerinnen und Schüler auch gerne beherzigen.“ Und auch die Eltern könnten von diesen Tipps profitieren. Denn oftmals fehle einem ja die Zeit, selbst nach spannenden und kindgerechten Bücher zu recherchieren. Ab und zu organisiere Sonja Vieth eine Buchlesung in der Schule - mit Autorinnen und Autoren von Kinderbüchern.

Die Grund- und Förderschulen aus Alt-Arnsberg holen ihre „Lesetüten“ aus der Buchhandlung Vieth ab. Die Merz Stiftung finanzierte das diesjährige Projekt.
Die Grund- und Förderschulen aus Alt-Arnsberg holen ihre „Lesetüten“ aus der Buchhandlung Vieth ab. Die Merz Stiftung finanzierte das diesjährige Projekt. © WP | Thora Meißner

Sonja Vieth ist auch diejenige, die das Projekt Lesetüten ins Rollen gebracht hat. „Ich habe überlegt, wie wir die Finanzierung hinbekommen und mich dann an die Merz Stiftung gewandt“, so Sonja Vieth, „Diese hat auch direkt einer Anschubfinanzierung zugestimmt.“ Zusätzlich ausgestattet mit einem Lesezeichen inkl. Anlauttabelle aus dem Hause Vieth wurden dann die rund 280 Lesetüten an sechs Arnsberger Schulen übergeben. Die Kinder der städtischen Verbundsschule „Regenbogen“ durften die Lesetüten bereits vorher abholen und testen.

„Lesekompetenz ist das A und O“

„Die Lesekompetenz ist das A und O“, sagt Charlotte Merz von der Merz-Stiftung. Sie sei direkt begeistert von dem Projekt gewesen und habe die Anstoßfinanzierung daher auch direkt zugesagt. Es gebe zu viele Kinder, die nicht das Glück hätten, dass ihnen ihre Eltern vorläsen.

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Auch eine Weiterbegleitung des Projekts kann sie sich vorstellen. „Wenn das Projekt gelingt und einen positiven Effekt erzielt, kann man das gerne wiederholen“, so Merz. Dazu wäre natürlich ein Feedback der Eltern und Schulen wichtig sowie eine Evaluierung des Lesetüten-Projekts. Die Eltern der Adolf-Sauer-Schule, Johannesschule, Norbertusschule, Franz-Josef-Kochschule, Fröbelschule und der Verbundsschule „Regenbogen“ können sicherlich bald ein Feedback geben.

Buchhandlung Sonja Vieth und die sechs Arnsberger Schulen freuen sich bereits auf das nächste Jahr. Denn dann sind all diejenigen, die dieses Jahr in die erste Klasse kamen, in der zweiten Klasse und damit Paten des Lesetüten-Projekts - um das Lesen mit Freude zu vermitteln. „Zukünftig würden wir das Projekt auch gerne auf die anderen Grundschulen ausweiten“, sagt Sonja Vieth. „Wir wollten es jedoch zunächst in Alt-Arnsberg ‚testen‘.“