Arnsberg. Landgericht Arnsberg rollt ein altes Verfahren neu auf. Angeklagtes Elternpaar aus Sundern spricht von „Lüge“, jetzt liegt ein Urteil vor.

Der Prozess gegen ein Ehepaar aus Sundern, angeklagt wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, endete vor der Vierten Großen Strafkammer des Landgerichts nach nur drei Verhandlungstagen etwas überraschend. Die Staatsanwaltschaft hatte dem 61-jährigen Mann vorgeworfen, seine beiden Töchter in den Jahren 1995 und 1996 in insgesamt 37 Fällen missbraucht zu haben. Seine 48-jährige Ehefrau wurde der Beihilfe beschuldigt. Das Ehepaar bestritt die Anschuldigungen vehement und sprach von Lügen, die von ehemaligen Mitbewohnern aus Polen verbreitet worden seien. Diese hätten die Kinder beeinflusst, um Rache für ihre Ausweisung aus der Wohnung zu nehmen. Der 61-Jährige gab an, in diesen Jahren täglich, auch als Selbstständiger, schwer und lange gearbeitet zu haben.

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Deshalb schon und weil damals mehrere Bekannte aus Polen bei ihnen in der 80 Quadratmeter großen Wohnung, die auf Matratzen im den Zimmern verteilt schliefen, lebten, wären solch Taten gar nicht möglich gewesen. Weil es mit den Mitbewohnern zu Differenzen gekommen war und sie des Hauses verwiesen wurden, habe man diese Behauptungen des Missbrauchs verbreitet. Während der Beweisaufnahme wurden die heute erwachsenen Töchter als Zeuginnen gehört. Ihre Aussagen führten zu erheblichen Zweifeln an den Vorwürfen.

Der Vorsitzende Richter stellte fest, dass die Angaben der Zeuginnen oft allgemein und widersprüchlich waren. Für die Zeit der beiden Vernehmungen wurde die Öffentlich vom Prozess ausgeschlossen. Das ist dann möglich, wenn es gilt, schutzwürdige Interessen von Kindern zu berücksichtigen. Letztlich führte die Unsicherheit über die genauen Tatzeiten und die Widersprüche in den Aussagen zu einem Freispruch. „Die Angaben der angeblich Geschädigten waren recht allgemein gehalten, waren oft nicht nachvollziehbar, und es gab keine Details. Zudem wurden Widersprüche zwischen den vor circa zwei Jahren bei der Polizei gemachten Angaben und denen jetzt im Verfahren deutlich“, argumentierte der Vorsitzende.

Der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ kam hier zur Anwendung.

Für den Prozess waren zunächst fünf Verhandlungstage angesetzt. Dazu ist es nun nicht mehr gekommen.

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Dass es überhaupt zu einem Prozess kommen konnte, liegt daran, dass die Verjährungsfristen für den Tatbestand und die Strafverfolgung bei sexuellem Missbrauch von Kindern inzwischen deutlich verlängert worden sind. Die Töchter hatten erst jetzt ihre Eltern angezeigt und so die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ausgelöst.

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Was bis zum Urteil geschah:

Die Staatsanwältin wirft dem 61-jährigen Mann aus Sundern konkret vor, in der Zeit von Ende August 1995 bis Ende August 1996 seine damals 10-jährige Tochter in 35 Fällen sexuell missbraucht zu haben. Das Kind habe sich ihrer Mutter gegenüber offenbart, diese habe ihr aber nicht geholfen, obwohl sie die Möglichkeit dazu gehabt habe. Danach soll es zu zwei weiteren Fällen des Missbrauchs gekommen sein. Außerdem soll der Angeklagte sich zwischen 1995 und 1999 vor seiner Tochter selbst befriedigt haben. Darüber hinaus, so die Anklage, habe er seine zweite Tochter, ebenfalls im Kindesalter, in zwei Fällen missbraucht.

Nach der richterlichen Belehrung, zu den Vorwürfen schweigen zu können, gaben ihre Rechtsbeistände an, dass sich ihre Mandanten äußern werden. Beide Angeklagten stritten die Vorwürfe ab. Der Vater der Töchter: „Die Anklageschrift ist ausgemachte Lüge. Ich habe in diesen Jahren täglich lange und schwer gearbeitet, war deshalb wenig zu Hause.“ Unter Tränen: „Ich war ein guter Vater, der seine Kinder geliebt hat, ich hätte so etwas nie gemacht.“

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Er sagte aber aus, dass zu den angeführten angeblichen Tatzeiten mehrere Verwandte aus Polen, die damals noch keine Arbeit hatten, bei ihnen in der 80 Quadratmeter großen Wohnung gelebt und im Wohnzimmer auf Matratzen geschlafen haben. Er sei praktisch nie allein mit den Kindern gewesen. Die wegen Beihilfe vor Gericht stehende Angeklagte, seine Ehefrau, bestätigt die Angaben ihres Mannes. Die Angeklagte: „Hätte mein Mann so etwas gemacht, wäre ich nicht bei ihm geblieben.“ Beide waren bemüht nachzuweisen, dass zu den angegebenen Zeiten die Taten allein schon deswegen nicht möglich waren, weil der Vater ständig außer Haus gearbeitet habe und weil Verwandte mit in der Wohnung gelebt haben. Mit ihnen sei es zu Differenzen gekommen, weshalb man die „Gäste“ der Wohnung verwiesen habe.

Seitdem seien diese Behauptungen des Missbrauchs verbreitet worden. Die beiden Angeklagten glauben, dass der Wohnungsrausschmiss der Grund für diese Anschuldigungen ist. Zudem hätten es die Verwandten verstanden, ihre Kinder auf ihre Seite zu bekommen. Die Angeklagte weinend: „Den Töchtern gefiel unsere Lebensweise nicht. Ihr Verhalten hat mich krank gemacht. Ich habe doch für sie nur Gutes gemacht, verstehe das Ganze nicht.“