Neheim. Robert Mazur kam mit 17 Jahren nach Deutschland. Heute ist er bei Pro Vita Geschäftsführer eines großen Pflegedienst-Anbieters in Arnsberg.

Sein Job ist nah am Menschen. Robert Mazur ist Geschäftsführer und Teilhaber des im Großraum Arnsberg bedeutenden Pflegedienstes Pro Vita. Seinen Beruf hat er von der Pike auf gelernt. „Ich wollte immer weiterkommen“, erinnert sich der heute 50-Jährige und nennt damit die Grundlage für eine nicht ganz alltägliche Biografie. Der junge Mann, der mit seiner Familie im Alter von 17 Jahren aus Polen auswanderte, trägt heute die Verantwortung für mehr als 300 Mitarbeitende.

Der kleine Robert wurde am 25. Mai 1974 im oberschlesischen Birkenau bei Gleiwitz geboren. Dort ging er zur Schule und lebte mit seiner Mutter und deren Brüdern in einem Haus. Der Vater war früh verstorben. Nach der regulären Schule besuchte er eine Maschinenbau-Meisterschule. In Gedanken war er aber schon weit weg. „Ich wollte ein besseres Leben“, erzählt Mazur. Besser als das, was ihm die mit dem Verfall der Bergbaus zunehmend strukturschwache Region nach dem Fall des eisernen Vorhangs zwischen Ost und West versprach. Die Familie wanderte aus. „Ich war da die treibende Kraft“, sagt Mazur. Es ging nach Deutschland, wo der Großvater bereits in Lippstadt lebte.

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Als anerkannter Spätaussiedler kam Robert Mazur nach der Fahrt aus Polen im alten Ford Fiesta über Hamm in das Aufnahmelager Unna-Massen - und von dort zunächst in eine Notwohnung. Sofort ging es zum Deutsch-Intensiv-Sprachkursus. Das Kolpingbildungswerk hatte diesen im Haus „Goldener Stern“ in Alt-Arnsberg angeboten mitsamt Internatsunterkunft. Robert Mazur lernte fleißig und entdeckte seine Liebe zur Region. „Das Sauerland, die Landschaft und die Art der Menschen haben mir gefallen“, erinnert er sich. Seit 1992 lebt er in Arnsberg.

Ausbildung zum Krankenpfleger

In Deutschland startete Robert Mazur komplett neu durch. Er begann ein Praktikum und dann eine Ausbildung zum Krankenpfleger im Johannes-Hospital in Neheim. „Ich wollte etwas mit Menschen machen“, sagt Robert Mazur. Es war eine gute Wahl, denn die Arbeit lag ihm. Nebenbei jobbte er noch in der ambulanten Pflege. „Die Menschlichkeit und die dort erlebte Dankbarkeit haben mich getriggert!“, weiß er noch heute. 1996, nach der Ausbildung, begann er beim drei Jahre zuvor gegründeten Pflegedienst Pro Vita.

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Er machte Weiterbildungen, übernahm die Pflegedienstleitung und bekam neben seinen Touren auch Einblicke in die Verwaltung. Damals arbeiteten rund zehn Mitarbeitende in dem Betrieb. Als 2001 einer der beiden damaligen Teilhaber ausgeschieden war, bot sich die Chance, bei Pro Vita einzusteigen und den ersten Geschäftsführer-Vertrag zu unterschreiben. Robert Mazur erzählt dazu eine Anekdote: Als auf dem Weg zu seiner Hochzeit in Polen sein Auto einen Totalschaden erlitt, kam er ins Grübeln. „Da wollte ich mein Geld nicht einfach wieder in ein Auto stecken, das beim ersten Schlüsselumdrehen seinen Wert verliert“, erinnert er sich. Er investierte lieber in seine berufliche Zukunft.

Das Unternehmen wuchs. Schon 1998 wurde eine der ersten Tagespflegeeinrichtungen in Arnsberg und Betreutes Wohnen im Haus Andreas gegründet. 2008 wurde in Ense ein Pflegeheim eröffnet, 2015 kamen die Tagespflege und das Betreute Wohnen im Herbeckeweg in Neheim hinzu, 2017 und 2022 weitere Einheiten des Betreuten Wohnens in der Annastraße und in der Pauluskirche und 2020 auch eine Wohngemeinschaft mit Tagespflege in der Neheimer Stembergstraße. Zeitgleich wurden andere Pflegedienste - deren Patienten und Personal - übernommen. Robert Mazur rechnet vor, dass seit seinem Einstieg rund 10.000 Menschen ambulant versorgt, 700 in Tagespflegen betreut und 600 im betreuten Wohnen begleitet wurden und werden. 3500 Hilfsbedürftige sind an ein Hausnotrufsystem angeschlossen. 600 Personen wurden vollstationär versorgt.

Inzwischen arbeitet Pro Vita in Kooperation mit dem Gesundheits- und Seniorenzentrum am Bremers Park im Arnsberger Pflegeverbund. Geschäftspartner ist Bremers-Park-Betreiber Thorsten Vlatten, der auch seit drei Jahren Teilhaber und Geschäftsführer bei Pro Vita ist. Für Robert Mazur schließt sich da ein Kreis. Als er damals seine Ausbildung im JoHo Neheim begann, war Thorsten Vlattens Vater Herbert dort Verwaltungsdirektor. Thorsten Vlatten lobt Robert Mazur als „authentisch, ehrlich und fair“ und beruflich einen „brüderlich freundschaftlichen Partner“.

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Die Expansion und der Arnsberger Pflegeverbund helfen, um auf einem schwierigen Markt zu bestehen. „Unser Ziel ist es, die Menschen so lange wie möglich in ihrem häuslichen Umfeld zu bewahren“, sagt Robert Mazur, „wir sind stolz darauf, die Menschen versorgen zu dürfen, die dieses Land aufgebaut haben und uns unseren Wohlstand, in dem wir heute leben, ermöglicht haben.“ Die häusliche Pflege sei angesichts eines Pflegeproblems mit fehlenden Kapazitäten an Pflegeheimplätzen auch alternativlos. Laut den Ergebnissen der Pflegevorausberechnung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) wird ihre Zahl von rund 5 Millionen Ende 2021 auf etwa 6,8 Millionen im Jahr 2055 ansteigen. Dabei werden bereits 2035 etwa 5,6 Millionen (+14 %) erreicht. „Vor diesem Hintergrund habe ich kein Verständnis dafür, wieso wir uns hier in Deutschland so schwer tun, ausländische Pflegekräfte mit ihren Berufsausbildungen anzuerkennen“, beklagt Mazur.

„Wer in der Pflege den Fokus nicht mehr auf dem Menschen hat, der hat schon verloren.“

Robert Mazur
Geschäftsführer Pro Vita

Das Wachsen von Pro Vita versperrt Mazur nicht den Blick auf das Wesentliche. „Wer in der Pflege den Fokus nicht mehr auf dem Menschen hat, der hat schon verloren“, sagt er. Das gelte sowohl mit Blick auf die Patienten als auch auf die Mitarbeiter. Oft, so weiß der Geschäftsführer, seien die ambulanten Pflegekräfte für Alleinstehende eine Art Familienersatz. „Wir bringen Emotionen ins Haus und viele Patienten erzählen uns alles“, sagt er. Im Optimalfall aber sei eine Familie im Hintergrund, die die Pflege unterstütze und in die Betreuung der Menschen integriert sei.

Pro Vita ist bei den Mazurs eine Familiensache. Ehefrau Martyna arbeitet in der Verwaltung mit, die 22-jährige Tochter ist Kauffrau im Gesundheitswesen und ebenfalls im Betrieb tätig. Roberts Mazurs Mutter Veronika und ihr Partner helfen noch immer in der Tagespflege aus. Die zweite Tochter ist zwölf Jahre alt.

Auf die vergangenen mehr als 30 Jahre schaut Robert Mazur mit Stolz und Dankbarkeit zurück. Aus dem Migranten wurde ein erfolgreicher Geschäftsmann. Wenn er heute auf die aktuelle Zuwanderung und den Umgang mit den Menschen schaut, stellt er sich Fragen: „Unsere Migration war klar geregelt. Wir müssen auch denen, die jetzt kommen, schnell den Zugang auf den Arbeitsmarkt ermöglichen“, fordert er. Zugleich rät er dringend auch allen Migranten, sich „nicht zu lange in der Komfortzone aufzuhalten“, sondern aktiv zu werden. „Man darf nicht warten, bis jemand etwas für einen tut, sondern muss es selber angehen“, so Mazur, „dann gibt es auch immer einen Weg und man kann der Gesellschaft etwas zurückgeben.“

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