Sundern. Das Ehrenmal in Hachen wird 100 Jahre. Es symbolisiert die tiefen Wunden zweier Weltkriege in der Gemeinde. Angst vor einem Krieg ist greifbar.

Wie viele andere Menschen blicken Claudia Vellmer und Josef Ricke seit geraumer Zeit mit Besorgnis auf die weltpolitische Landkarte. „Das Thema Krieg ist urplötzlich mit den Geschehnissen in der Ukraine wieder greifbar. Auch weil es so nah ist“, sagt Vellmer. Claudia Vellmer ist gemeinsam mit Josef Ricke Teil des Arbeitskreises Dorfgeschichte. Der Arbeitskreis gehört dem Verein Burgdorf Hachen an, der sich um die Belange im „Tor zu Sundern“ kümmert. „Wir im Arbeitskreis sind eine kleine Gruppe, setzen uns aber intensiv mit der Hachener Ortsgeschichte auseinander“, berichtet Josef Ricke.

Zentraler Teil der Geschichte der Ortschaft, in der heute rund 3000 Menschen leben - Hachen ist damit der zweitgrößte Ort Sunderns nach der Kernstadt -, ist die Burg, die hoch über Hachen thront. Viele auswärtige Besucher, die die Hachener Straße entlangfahren, erblicken auf der Bergkuppe einen steinernen Turm. „Der Turm ist das Ehrenmal für die Gefallenen der beiden Weltkriege. Noch immer wird er mit der Burg verwechselt, doch die Ruine der Festung befindet sich einige Meter weiter hinten und ist vom Tal aus im Grunde gar nicht zu erkennen“, betont Josef Ricke.

Claudia Vellmer und Josef Ricke haben sich intensiv mit der Geschichte des Ehrenmals in Hachen auseinandergesetzt.
Claudia Vellmer und Josef Ricke haben sich intensiv mit der Geschichte des Ehrenmals in Hachen auseinandergesetzt. © Eric Claßen | Eric Claßen

Errichtet wurde das Ehrenmal 1924 - ursprünglich zum Gedenken an die Soldaten aus Hachen, die im Ersten Weltkrieg getötet wurden. „Es sind 43 Gefallene bei einer damaligen Einwohnerzahl von rund 600 bis 700 Menschen. Das war ein enormer Einschnitt für den Ort“, erklärt Josef Ricke. Bevor das in der Literatur auch als Kriegerdenkmal bezeichnete Gebäude errichtet werden konnte, vergingen Jahre. Es wurde lange beraten, zahlreiche Pläne wurden überprüft und dann nach sorgsamem Abwägen entschieden, das Denkmal im Stil der Burg oben zu errichten. Schwere Bruchsteine mussten in mühsamer Arbeit vom Tal auf den Berg geschleppt und dort vermauert werden. Wochenlang waren laut Claudia Vellmer Mitglieder der Kyffhäuserkameradschaft damit beschäftigt.

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Jahrelang stand es oben über Hachen, erlebte die wirtschaftliche Erholung des Deutschen Reiches in den „Goldenen Zwanzigern“, aber auch die Wirren der Weimarer Republik, die letztlich im Aufstieg der Nationalsozialisten und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs endeten. Die Tafeln für die Gefallenen wurden ergänzt, diesmal waren 66 tote Soldaten aus Hachen zu beklagen. Weitere 16 wurden vermisst, noch immer ist das Schicksal einiger dieser Männer nicht geklärt.

Nach dem Abriss wird das Ehrenmal 1987 auf dem Burgberg in Hachen einige Meter weiter hinten neu aufgebaut. 
Nach dem Abriss wird das Ehrenmal 1987 auf dem Burgberg in Hachen einige Meter weiter hinten neu aufgebaut.  © Arbeitskreis Dorfgeschichte Hachen | Arbeitskreis Dorfgeschichte Hachen

„Ich finde, dass man in der heutigen Zeit umso sensibler mit dem Thema Krieg umgehen sollte. Das Jubiläum des Ehrenmals in diesem Jahr sollte uns ermahnen, wie schlimm Krieg sein kann. Und welche Auswirkungen er für die Menschen in einem Ort haben kann“, unterstreicht Claudia Vellmer. In der Endphase des Zweiten Weltkriegs waren in Hachen auch litauische Soldaten als Verbündete der Wehrmacht untergebracht. Viele von ihnen wurden bei einem Bombenangriff der Alliierten getötet. Auch der Absturz eines Versorgungsflugzeugs wenige Tage später forderte Todesopfer.

Dunkle Zeiten in Hachen

Das Ehrenmal geriet nach den beiden Weltkriegen im Bewusstsein der Menschen in Hachen nach und nach in den Hintergrund. Josef Ricke und Claudia Vellmer haben gemeinsam mit den anderen Mitgliedern des Arbeitskreises hierzu 2019 sogar ein Buch mit dem Titel „Dunkle Zeiten in Hachen“ veröffentlicht. „In vielen Familien wurde über den Krieg, speziell den Zweiten Weltkrieg, wenig bis gar nicht gesprochen“, sagt Vellmer. Man habe jahrelang recherchiert und stand auch zeitlich unter Druck, wie die Hachenerin ausführt: „Irgendwann sterben die Zeitzeugen weg, und dadurch gehen vielleicht wichtige Informationen für immer verloren. Deswegen mussten wir uns beeilen.“

Im Inneren des Ehrenmals sind die Namen der Gefallenen der beiden Weltkriege aus Hachen aufgeführt.
Im Inneren des Ehrenmals sind die Namen der Gefallenen der beiden Weltkriege aus Hachen aufgeführt. © Eric Claßen | Eric Claßen

In den 1980er-Jahren wurde das Ehrenmal baufällig, weil es an der Kante des Berges stand. Noch im Zweiten Weltkrieg hatten amerikanische Soldaten das Dach schwer beschädigt. Der Wassereinbruch bei Regenwetter führte auf Dauer zur Instabilität. Erdrutsche am Berg destabilisierten das Gebäude so weit, dass es 1985 für baufällig erklärt wurde. Die Hachener besannen sich aber der Bedeutung der historischen Landmarke, sammelten Geld und sorgten dafür, dass es 1987 einige Meter versetzt neu aufgebaut werden konnte, wo es noch heute steht.

„Es war vor allem der verstorbene Helmuth Schwartpaul, der sich für eine Versetzung des Denkmals um einige Meter von der Kante weg einsetzte. Für die Planungen und Durchführung dieses Projektes wurde ein Gremium aus Hachener Ratsmitgliedern und Delegierten aller örtlichen Vereine gebildet. Der gesamte Abbruch und Wiederaufbau wurde durch heimische Unternehmen durchgeführt, wobei einige Hachener Bürger durch ihren persönlichen Einsatz und durch ihre Spendenbereitschaft dafür sorgten, dass der Neuaufbau in der bisherigen Form innerhalb kürzester Zeit erfolgen konnte“, betont Ricke.

Für seine Arbeit ist der Arbeitskreis Dorfgeschichte Hachen bereits ausgezeichnet worden.
Für seine Arbeit ist der Arbeitskreis Dorfgeschichte Hachen bereits ausgezeichnet worden. © Arbeitskreis Dorfgeschichte Hachen | Arbeitskreis Dorfgeschichte Hachen

Damit das Kriegerdenkmal nicht wieder in Vergessenheit gerät und vor dem Hintergrund des 100-jährigen Jubiläums hatte der Arbeitskreis Dorfgeschichte ursprünglich geplant, ein Fest in diesem Jahr zu organisieren. Es sollte am Tag der Einweihung - dem 3. August -stattfinden. „Wir haben allerdings den Aufwand unterschätzt und schnell festgestellt, dass wir es dieses Jahr nicht realisieren können. Nun wollen wir in Ruhe überlegen, ob wir das Fest zum Jubiläum im nächsten Jahr nachholen können“, spekuliert Josef Ricke.