Arnsberg. 15.000 Menschen folgen Marie Tigges auf Instagram. Die Arnsberger Landwirtin über den Wandel der Branche – und welche Rolle Frauen dabei spielen.
„Übernahme der Susannes. Die kleinen Huhnfluencer“, betitelt Marie Tigges den kurzen Videoclip auf ihrem Instagram-Kanal „marie.vom.tiggeshof“. Zu sehen sind mehrere Hühner, die argwöhnisch in die Kamera im Gras blicken. Einige von ihnen gehen so nah an die Linse, so dass nur noch die roten, wabbeligen Hühnerhälse zu sehen sind, was in den Kommentaren unter dem Beitrag für Belustigung sorgt.
Das Video, so schreibt Marie Tigges, hätten die Hühner selbst aufgenommen, indem sie den roten Aufnahmeknopf auf dem Handy betätigt hätten, das sie zuvor im Hühnerstall im Gras liegen gelassen hat.
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Der Instagram-Beitrag zeigt nur einen kurzen Ausschnitt aus dem Leben der 28-jährigen Landwirtin aus Arnsberg, verdeutlicht aber, was Marie Tigges vor hat. „Bei mir sind die Menschen hautnah dabei“, sagt sie. Zum Beispiel, wenn ein Kalb erkrankt, ein Rind zur Schlachtung kommt oder wie das Ei aus dem Huhn ploppt. „Da waren viele Leute erstaunt, weil sie das vorher noch nie gesehen haben.“
Instagram-Kanal „Marie vom Tiggeshof“ unerwartet erfolgreich
Zusammen mit ihren Eltern bewirtschaftet Marie Tigges derzeit den gleichnamigen Bioland-Bauernhof in Arnsberg-Ainkhausen. Nach Angaben der Stadt Arnsberg wohnen hier etwa 35 Menschen. Den Instagram-Kanal hat sie bereits vor einigen Jahren erstellt, um den eigenen Hofladen zu bewerben. Mittlerweile folgen ihr unter „marie.vom.tiggeshof“ mehr als 15.000 Menschen. Wie konnte das passieren?
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Mit Beginn der Corona-Pandemie fielen für Marie Tigges einige Aufgaben auf dem Bio-Bauernhof weg: Die junge Landwirtin hat einen Bachelor of Arts in Sozialer Arbeit und ist unter anderem für die pädagogischen Angebote für Kinder und Jugendliche auf dem Hof verantwortlich. „Ich hatte ein Mitteilungsbedürfnis und brauchte ein Ventil“, so die 28-Jährige. Ihren Auftritt hat sie professionalisiert. Doch woher die vielen Follower kommen, kann sie sich auch nicht erklären.
Wandel in der Landwirtschaft: Nähe zum Verbraucher wird gesucht
Ihre Vermutung: Landwirtschaft sei aktuell ein Trendthema, mit ihrem Alter entspreche sie selbst der eigenen Zielgruppe auf Instagram und ihr Geschlecht könnte auch eine Rolle spielen. „Mein Vater sagt, dass ihm nicht so viele Menschen zuhören würden“, sagt Marie Tigges. 7000 Menschen verfolgen ihre Beiträge täglich.
Also mehr Selfiestick statt Mistgabel in der modernen Landwirtschaft? „Als kleiner Betrieb muss man neue Wege gehen und vieles ausprobieren“, sagt Marie Tigges. Doch sie betont: Die tägliche Arbeit auf dem Hof bleibt gleich. Sie melkt die Kühe und mistet den Hühnerstall aus. Ihre Tätigkeiten und den Sinn dahinter erläutert sie nun halt noch nebenbei in ihren Beiträgen auf Instagram. Diese veröffentlicht sie in der Regel am Abend. „Ich möchte die Menschen in ihrem Konsum beeinflussen und Wertschätzung für meinen Beruf und für in Deutschland hergestellte Lebensmittel vermitteln“, sagt sie.
„Marie vom Tiggeshof“: Frauen in der Landwirtschaft sind unterrepräsentiert
Die neue Generation von Landwirten müsse sich wieder mehr an den Verbrauchern orientieren und mehr Rücksicht auf die Natur nehmen, so die 28-Jährige. Über den Instagram-Kanal habe sie andere junge Landwirte getroffen. Mit ihnen unterhalte sie sich über die zukünftigen Herausforderungen in der Branche wie der anhaltenden Dürre und dem Klimawandel. Aber auch über den Wandel in der Branche, den Marie Tigges selbst erlebt.
Noch seien Frauen in der Landwirtschaft unterrepräsentiert, bemängelt die Landwirtin. „Es nervt, dass der Mann immer noch als Chef des Betriebs gesehen wird“, sagt sie. „Ich beobachte aber, dass immer mehr junge Frauen einen Betrieb übernehmen. Sie haben eine andere Herangehensweise, machen zum Beispiel mehr Öffentlichkeitsarbeit und haben in vielen Fällen einen anderen Umgang mit den Kunden.“ Sie kenne auch Männer, die dafür ein Gespür hätten, doch viele würden sich nicht trauen.
Marie Tigges hat sich aus ihrer Komfortzone getraut. Doch war alles sofort so einfach? „Am Anfang war es eine Hürde, in die Kamera zu sprechen. Vor anderen Leuten mache ich das nicht, das ist mir peinlich.“