Hochsauerland. Ist es der Spatz oder die Meise? Die Stunde der Wintervögel zeigt, welche Vogelarten wie oft bei uns in den Sauerländer Gärten vorkommen.

In den heimischen Gärten war im Januar wieder Vogel-Inventur angesagt. Der Naturschutzbund Deutschland hatte zum Jahresanfang zur „Stunde der Wintervögel“ eingeladen. Der NABU und sein bayerischer Partner Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) hatten Naturfreunde/innen aufgerufen, eine Stunde lang die Vögel am Futterhäuschen, im Garten, auf dem Balkon oder im Park zu beobachten. Im Mittelpunkt der Aktion standen vertraute und weit verbreitete Vogelarten wie Meisen, Finken, Rotkehlchen und Spatzen.

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Auf der Internestseite des NABU kann man die Ergebnisse bundesweit, landesweit und für einzelne Kreise eingrenzen. Demnach haben im HSK diesmal 321 Vogelfreunde mitgemacht und in 253 Gärten 9677 Vögel gezählt. Zum Vergleich: 2024 meldeten 351 Beobachter ihre Daten, 2023 waren es nur 186 und 2022 exakt 527. Die Zahl schwankt also. Den Vogel abgeschossen hat seit 2019 und auch diesmal der Haussperling, von dem jetzt 1281 Exemplare gezählt wurden. Er kommt in 56,13 Prozent der Gärten mit durchschnittlich 5,06 Vertretern vor. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Rückgang von 1,23 Vögeln oder eben um 20 Prozent. Die weiteren Ergebnisse zeigt die Grafik. Entgegen dem bundesweiten Trend wurden im HSK mehr Amseln als im Vorjahr (plus 13 Prozent) und mehr Stare (Platz 11 und mit 236 Tieren ein Plus von 134 Prozent) gezählt.

Ein Haussperling sitzt auf einem verschneiten Busch.
Ein Haussperling sitzt auf einem verschneiten Busch. Seine Art führt die Hitliste nach Auswertung der NABU-Wintervogelzählung an. © DPA Images | Julian Stratenschulte

Werner Schubert, als langjähriger Leiter der Biologischen Station des HSK mit Sitz in Brilon inzwischen im Ruhestand, findet die „Stunde der Wintervögel“ generell gut. „Sie fördert das Naturbeobachten und weckt das Interesse daran.“ Allerdings mahnt er beim Betrachten der Zahlen zur Relativierung. „Die Anzahl sagt ja lediglich aus, welche Vögel binnen einer Stunde an der Futterstelle zu sehen waren. Das müssen aber nicht zwangsläufig auch die am häufigsten vorkommenden Vogelarten in der jeweiligen Region sein.“

Nach seinen Zahlen gibt es bundesweit zum Beispiel 7,5 bis 9 Millionen Buchfinken-Brutpaare und nur 4,1 bis 6 Millionen Haussperlinge. Er ist davon überzeugt, dass auch bei uns im HSK der Buchfink die Hitliste anführt, obwohl er in der NABU-Auflistung für den HSK nur auf Rang 8 kommt. Auch vom Rotkehlchen sind bundesweit 3,4 Millionen Brutpaare nachgewiesen; es macht sich aber an den Futterstellen auffällig rar. Schubert: „Das liegt ganz einfach daran, dass das Rotkehlchen ein Weichfutterfresser ist und an den Futterstellen häufig nur Sonnenblumenkerne angeboten werden.“ Das gilt auch für andere Vogelarten.

Die vermeintlich so hohe Population der Haussperlinge stellt Werner Schubert sehr in Frage: „Das Angebot an den Futterstellen sagt ihnen einfach sehr zu. Generell hat sich der Lebensraum für den Sperling aber zu seinem Nachteil verändert. Früher gab es einfach mehr naturnahe Hausgärten, eine andere Form der Landwirtschaft, die Erntewagen mit Körnern fuhren noch durchs Dorf. Die Zahl der Sperlinge hat nach unseren Erkenntnissen massiv abgenommen.“

Die WP Brilon auf Social Media

Generell sieht es laut Schubert im HSK mit dem Vogelbestand unterschiedlich gut oder schlecht aus: „Der Grünspecht ist zum Beispiel ein Klimagewinner, wohingegen sich das Braunkehlchen auf einem insgesamt eher niedrigen, aber stabilen Niveau bewegt.“  In Hallenberg in den Nuhnewiesen habe man dank des Besitzes von Naturschutzflächen das landesweit zweitgrößte Aufkommen. Landwirte dürfen dort erst mähen, wenn die Brut ausgeflogen ist. Der Neuntöter halte sich gut, brauche aber die Kombination aus Hecken und Weidetieren, in deren Dung sich bestimmte Käfer als Nahrungsquelle tummeln. Und während die Raubwürgerbestände bundesweit arg schrumpfen, ist der HSK immer noch ein Hotspot für dieser Vogelart.  

Laut NABU hatten trotz des nasskalten Wetters viele Vogelfreunde/innen in NRW bei der „Stunde der Wintervögel“ mitgemacht: Über 20.000 Teilnehmende zählten in 14.776 Gärten insgesamt 467.983 Vögel und meldeten ihre Beobachtungen. Besonders auffällig war landesweit in NRW ein Rückgang bei häufigen Arten wie Haussperling, Kohlmeise und Amsel. Dennoch führt der Haussperling mit 60.996 Sichtungen weiterhin die Liste der häufigsten Wintervögel im Bundesland an.

„Die geringeren Meldezahlen bei Arten wie Kohl- und Blaumeisen sind vermutlich auf die bisher milden Temperaturen zurückzuführen. Bei ausreichend Nahrung und wenig Kälte ziehen viele Vögel nicht in die Gärten und Futterstellen, sondern finden ihr Futter in der freien Natur. Diese Schwankungen sind typisch für die Vogelwelt im Winter“, erklärt Elisabeth Stanzl vom NABU NRW.

Auffällig ist der Rückgang der Amsel-Meldezahlen in NRW, die im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent abgenommen haben. Eine mögliche Ursache ist das Usutu-Virus, das im Sommer erneut für Erkrankungen und Todesfälle bei Amseln gesorgt hat. „Die Abnahme der Zahlen bei so bekannten Arten wie Amseln oder Kohlmeisen ist aber ein Indiz dafür, dass unsere Vogelwelt unter Druck steht. Krankheiten, intensive Flächennutzung und der Verlust von Lebensräumen setzen den Vögeln zu“, betont Stanzl.

Doch es gibt auch positive Nachrichten: Bergfinken wurden in NRW über 16.000-mal gesichtet – ein Anstieg von beeindruckenden 1401 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im HSK landete er auf Platz 20 (+314 Prozent). „Diese Art zieht im Winter in großen Schwärmen durch die Landschaft. Ein faszinierendes Schauspiel, das viele Teilnehmende der Aktion beobachten konnten“, so Stanzl weiter.