Winterberg/Bochum. Die Angeklagten sollen mit Ticketgeschäften über Viagogo und Co. den Fiskus betrogen haben. Der Fall ist komplex. Die Hintergründe zum Verfahren.

Die Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft Bochum den vier Angeklagten am Landgericht Bochum macht, wiegen schwer. So sollen die Männer gemeinsam Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem gewinnbringenden Handel von Veranstaltungstickets begangen haben. Über Jahre hinweg sollen sie, nach Auffassung der Anklagevertreter, ohne die notwendigen gewerblichen Anmeldungen und steuerlichen Meldungen, gehandelt haben. Neben dem 44-jährigen Hauptangeklagten aus Warburg, der aktuell in Untersuchungshaft sitzt, müssen sich auch zwei Winterberger, ein 68-Jähriger und ein 29-Jähriger, vor Richter Carsten Schwadrapp verantworten. Insgesamt geht es in den drei Anklageschriften um einen Millionenschaden. Der Hauptangeklagte soll mehr als zwei Millionen Euro Umsatz-, Gewerbe- und Einkommenssteuer hinterzogen haben. Bei den beiden Winterbergern geht es um eine mutmaßliche Schadenssumme von knapp 700.000 Euro, die man gemeinschaftlich mit dem Warburger am Fiskus vorbei erwirtschaftet haben soll.

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Das Geschäftsmodell des Angeklagten

Der Warburger soll ab dem Jahr 2012 ein Geschäftsmodell etabliert haben, das sich auf den Ankauf und Weiterverkauf von Veranstaltungstickets spezialisierte. Dabei nutzte der Angeklagte, laut Staatsanwaltschaft, eine Vielzahl von Aliasnamen und setzte gezielt auf Mitarbeiter, die auf Provisionsbasis arbeiteten, um die Karten zu erwerben. Die Eintrittskarten wurden anschließend auf diversen Ticketbörsen wie Viagogo, Ebay und der mittlerweile geschlossenen Website Seatwave zu deutlich höheren Preisen weiterverkauft.

Besonders brisant: Um den Behörden zu entgehen, sollen die Angeklagten ausländische Gesellschaften gegründet haben. Diese Gesellschaften dienten als Deckmantel für den Zahlungsverkehr und ermöglichten es den Angeklagten, die Einnahmen auf deren Konten zu leiten. Dabei sollen die Winterberger Zugriff auf diese Konten gehabt haben, während der Warburger durch Barzahlungen und Überweisungen seinen Anteil erhielt. Die Gewinne aus dem Handel wurden offenbar gleichmäßig unter den drei Angeklagten aufgeteilt.

Steuerrechtliche Verstöße

Alle drei Angeklagten sollen die erzielten Erlöse weder bei den Finanzbehörden gemeldet noch in ihren persönlichen Steuererklärungen angegeben haben. Dies führte dazu, dass erhebliche Steuerbeträge hinterzogen wurden. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeklagten den deutschen Fiskus über Jahre hinweg bewusst um hohe Summen betrogen haben.

Die Anklage umfasst neben Steuerhinterziehung auch den Vorwurf der versuchten Steuerhinterziehung und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Dabei erstrecken sich die Tatvorwürfe über einen Zeitraum von mehreren Jahren: Der 68-jährige Winterberger soll seit 2017 gemeinsam mit den anderen Angeklagten das Geschäftsmodell betrieben haben

Einem 51-Jährigen wird zudem vorgeworfen, den Hauptangeklagten zwischen 2014 und 2020 unterstützt zu haben. Er soll verschiedene Bankkonten zur Verfügung gestellt und bei der Organisation des Handels geholfen haben.

Dieser Strafrahmen ist möglich

Sollten die Angeklagten verurteilt werden, drohen ihnen empfindliche Strafen. Bei Steuerhinterziehung kann die Strafe je nach Schwere des Falls von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren reichen. Im vorliegenden Fall, bei dem es über Jahre hinweg um hohe Summen gegangen sein soll, könnte ein erhebliches Strafmaß zur Debatte stehen.

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Möglichkeiten, die sich im digitalen Zeitalter für illegale Geschäfte bieten, aber auch auf die Risiken, die mit solchen Praktiken einhergehen. Der Prozess wird zeigen, inwieweit die Vorwürfe zutreffen und welche Konsequenzen die Angeklagten zu erwarten haben.

Gegenüber der WP gab der Verteidiger des 68-jährigen Winterbergers ein Statement ab: „Mein Mandant und auch ich haben ein von der Anklage abweichendes Verständnis vom relevanten Umsatzsteuerrecht. Mein Mandant war, und wir sind daher der Auffassung, dass Steuern nicht hinterzogen wurden“, sagte der Herforderer Rechtsanwalt Stephan Röding. Aktuell läuft bei dem Mammutverfahren noch die Beweisaufnahme.

Das Gericht hat noch weitere Termine bis Ende Oktober anberaumt.