Brilon/Berlin. Trotz Umfragetief: Der SPD-Abgeordneter Dirk Wiese aus Brilon sieht Chancen für Kanzlerschaft und plant prominente Besuche im Sauerland.

Die SPD hat es aktuell nicht leicht. Nach aktuellen Umfragen sind die Sozialdemokraten soweit von der Kanzlerschaft entfernt, wie ein Elefant von einer Karriere als Balletttänzer. Nur 15 bis 18 Prozent der Wähler wollen ihr Kreuz noch bei der SPD machen, Tendenz weiter sinkend. Zum Vergleich: Die Herausforderer der CDU kommen nach aktuellen Umfragen auf 30 Prozent. Der heimische Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese (41) gibt sich unbeeindruckt. Er sieht immer noch gute Chancen für einen SPD Kanzlerschaft. Trotzdem schaut er nicht nur meit einer rosaroten Brille auf die aktuelle Situation in Deutschland und der Region. Ein Gespräch mit dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion

Mehr aus dem Altkreis Brilon

Herr Wiese, die Gesundheitsversorgung steht in Deutschland zunehmend im Fokus der politischen Debatten, vor allem aufgrund der anstehenden Reformen, die im Herbst von der Bundesregierung erwartet werden. Die Bevölkerung zeigt großes Interesse daran, wie die zukünftige Versorgung gesichert werden kann. Welche konkreten Maßnahmen sehen Sie als notwendig an, damit die Gesundheitsversorgung in der Region auch langfristig stabil bleibt?

Dirk Wiese: Es gibt ein sehr großes Interesse der Bevölkerung an einer guten und erreichbaren Gesundheitsversorgung, und das zu Recht. Die Reformen im Bund, die für den Herbst angekündigt sind, werden hier sicherlich richtungsweisend sein. Es ist wichtig, dass Land und Bund gemeinsam an einem Strang ziehen, um die Gesundheitsversorgung nachhaltig auf dem Land zu sichern. Auch die Apotheken stehen dabei vor großen Herausforderungen, insbesondere durch Nachwuchssorgen und stagnierende Einkommensentwicklungen. Zudem ist zum Beispiel die starre Präsenzpflicht für Apotheker meiner Meinung nach nicht mehr zeitgemäß. Hier muss dringend etwas getan werden, um die Versorgung langfristig sicherzustellen.

Das Maria-Hilf-Krankenhaus war mit der Landesreform eher zufrieden. Bald steht die Reform im Bund an.
Das Maria-Hilf-Krankenhaus war mit der Landesreform eher zufrieden. Bald steht die Reform im Bund an. © WP | Jana Naima Schopper

Wie steht es um die B7n?

Die Diskussion um die Umgehungsstraße B7n bewegt seit Jahren die Menschen in Brilon und der Umgebung. Immer wieder wird die Frage nach dem aktuellen Stand der Planungen laut. Könnten Sie uns einen Überblick geben, wo das Projekt derzeit steht? Gibt es zudem Fortschritte bei anderen wichtigen Verkehrsprojekten in der Region, wie der Reaktivierung der Alme- und Röhrtalbahn?

Das Thema der Umgehungsstraße B7n ist mir sehr wichtig, und ich bleibe in Berlin auch weiterhin am Ball. Ich frage regelmäßig beim Bundesverkehrsministerium nach dem Planungsstand. Aktuell geht es vor allem auch darum, welche Zufahrtswege aus Brilon raus noch erhalten bleiben. Es ist für mich undenkbar, den Mühlenweg oder die Rixener Straße gleichzeitig dicht zu machen. Darüber hinaus arbeiten wir auch an der Aktivierung der Alme- und Röhrtalbahn, um den Nahverkehr in der Region weiter zu stärken.

Deutschland steckt derzeit in einer Phase der wirtschaftlichen Unsicherheit. Verbände wie „Die Familienunternehmer“ äußern lautstarke Kritik an den Sozialabgaben, die sie als Belastung für die Unternehmen empfinden. Wie bewerten Sie die wirtschaftliche Lage und die Sorgen der Unternehmer, gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung?

Die wirtschaftliche Situation ist von starker Unsicherheit geprägt, allerdings gibt es auch erste positive Signale seitens der Unternehmerschaft in Richtung zweite Jahreshälfte und insbesondere 2025. In einer Industrieregion wie dem Sauerland stehen wir vor großen Herausforderungen, insbesondere durch zu viel Bürokratie und nach wie vor hohe Energiepreise. Umso wichtiger war es, dass die Bundesregierung vor der Sommerpause ein Wachstumspaket geschnürt hat. Die Warnungen der Familienunternehmer müssen wir ernst nehmen, aber es gibt auch andere Meinungen, wie die des BDI oder DIHK, die eine differenziertere Sichtweise vertreten.

Reform der Schuldenbremse

Die Schuldenbremse ist ein heiß diskutiertes Thema, insbesondere in Zeiten, in denen immer wieder Forderungen nach mehr staatlichen Investitionen laut werden. Wie lassen sich notwendige Investitionen in die Zukunft, wie etwa in Bildung und Infrastruktur, mit der Schuldenbremse vereinbaren?

Für mich ist klar, dass es keine Mehrheit für eine Abschaffung der Schuldenbremse gibt, und deshalb wird sie auch weiterhin Bestand haben. Allerdings sehe ich sehr wohl, dass eine Reform notwendig ist. Selbst Peer Steinbrück, einer der Architekten der Schuldenbremse, spricht sich für eine Reform aus. Es geht darum, Investitionen in die Zukunft, insbesondere im Bildungsbereich, zu erleichtern, ohne die grundsätzliche Stabilität der Schuldenbremse infrage zu stellen.

Der Krieg in der Ukraine dauert weiter an, und Deutschland spielt eine zentrale Rolle in der Unterstützung des Landes. Manche kritisieren, dass Deutschland nicht genug tut, andere warnen vor einer Eskalation des Konflikts. Wie bewerten Sie die deutsche Ukraine-Politik?

Deutschland hat keinen Grund, sich zu verstecken. Wir sind der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine. Für mich ist dabei klare rote Linie, dass die NATO als Kriegspartei in den Konflikt einsteigt. Aber der Krieg zeigt immer wieder, wie überraschend sich Entwicklungen gestalten können, wie etwa das Kursk-Manöver der Ukraine beweist. Wir dürfen den Verlauf des Krieges folglich nicht unterschätzen. Gleichzeitig müssen wir uns aber auch immer die Frage, wie perspektivisch Diplomatie in den Fokus rücken kann. Da spreche ich noch gar nicht von Friedensverhandlungen, sondern eher von einem Waffenstillstand. Vor den Wahlen in den USA aber sehr schwierig.

„Natürlich ist es schwierig, ein solches Verbot flächendeckend zu kontrollieren, aber auch die Polizeigewerkschaft unterstützt diesen Vorschlag, und sie ist es letztlich, die das in der Praxis umsetzen muss.“

Dirk Wiese
SPD Bundestagsabgeordneter aus Brilon und stellvertrender Vorsitzender der SPD Bundestagsfraktion.

Innenministerin Nancy Faeser hat kürzlich den Vorschlag eines Messerverbots ins Gespräch gebracht, um der zunehmenden Messerkriminalität entgegenzuwirken. Kritiker fragen sich jedoch, wie ein solches Verbot in der Praxis umgesetzt und kontrolliert werden soll.

Gesetze haben immer auch eine generalpräventive Wirkung. Die meisten Menschen halten sich an die Regeln, und bei der besorgniserregenden Zunahme der Messerkriminalität ist es aus meiner Sicht richtig, hier unterschiedliche Initiative zu ergreifen. Natürlich ist es schwierig, ein solches Verbot flächendeckend zu kontrollieren, aber auch die Polizeigewerkschaft unterstützt diesen Vorschlag, und sie ist es letztlich, die das in der Praxis umsetzen muss.

Die Westfalenpost Brilon auf Social Media

Chancen auf die SPD-Kanzlerschaft

Die SPD liegt in den aktuellen Umfragen bei etwa 15 bis 18 Prozent. Einige sprechen bereits von einer schwierigen Ausgangslage für die kommende Bundestagswahl. Wie sehen Sie die Chancen der SPD in den nächsten zwölf Monaten, und was muss die Partei tun, um das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen?

Bis zur Wahl kann sich noch viel tun. Man darf die SPD keinesfalls abschreiben – das haben wir ja auch bei der letzten Bundestagswahl gesehen. Ich bin überzeugt, dass es zu einem Duell zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz kommen wird. Der Ausgang wird dann von vielen Faktoren abhängen, insbesondere angesichts der immer komplexer werdenden Parteienlandschaft. Olaf Scholz hat meiner Meinung nach dabei aber nach wie vor sehr gute Chancen.

Es gibt Kritik an der Kommunikation von Olaf Scholz. Aber auch Zustimmung.
Es gibt Kritik an der Kommunikation von Olaf Scholz. Aber auch Zustimmung. © DPA Images | Britta Pedersen

Kanzler Olaf Scholz steht immer wieder in der Kritik, vor allem was seine Kommunikationsstrategie angeht. Es wird ihm oft vorgeworfen, zu zurückhaltend zu agieren und sich nicht ausreichend zu äußern. Glauben Sie, dass Scholz auf diese Kritik reagiert hat, und wie beurteilen Sie seine Kommunikationsstrategie in der aktuellen politischen Lage?

Ja. Der Kanzler ist viel unterwegs, gibt Interviews und stellt sich den Bürgerinnen und Bürgern. Abgesehen davon gibt es viele, die seine hanseatisch-abwägende Art in dieser aufgeheizten Stimmung schätzen. Gerade in diesen herausfordernden Zeiten ist es gut jemanden zu haben, der nicht unüberlegt oder vorschnell aus dem Bauch heraus entscheidet.

Zum Abschluss des Gespräches kündigt Wiese den Besuch der Spitzenpolitiker Lars Klingbeil (6. September), Nancy Faeser (7. September) und Boris Pistorius (23. November) im Sauerland an. Darüber hinaus habe sich auch Sabine Lackner, die Präsidentin des Technischen Hilfswerkes, am 18. September zu einer Stippvisite ins Sauerland angekündigt. Weitere Details werden rechtzeitig bekannt gegeben.

++++++++++++++++++++++++++

Für den Briloner Newsletter anmelden - und mit etwas Glück gewinnen

Melden Sie sich jetzt für den Briloner Newsletter an - und gewinnen Sie mit etwas Glück zwei Tickets für den Skywalk Willingen. Achtung: Das Gewinnspiel läuft nur für kurze Zeit. Jetzt teilnehmen.

Mit dem Briloner Newsletter erhalten Sie jeden Tag um 19 Uhr die wichtigsten Nachrichten aus Ihrer Stadt in Ihrem Postfach - kostenlos.

++++++++++++++++++++++++++