Marsberg. Derzeit sieht es gut aus, was die Hausarztversorgung in Marsberg belangt. Doch das könnte sich in Zukunft ändern, wie ein KVWL-Sprecher erklärt:
Das Thema Hausärztliche Versorgung treibt den Hochsauerlandkreis um, Krisen wie z.B. die kritische Versorgungslage in Brilon sorgten in den vergangenen Monaten immer wieder für Schlagzeilen. Doch nicht an allen Orten ist die Situation so brenzlig: Für das Stadtgebiet von Marsberg zeichnet sich in Hinblick auf die Hausarztlage ein anderes Bild, wie Stefan Kuster, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), erklärt:
Wie die Bedarfsplanung funktioniert
Um zu ermitteln, wie viele Ärzte in einer Stadt oder Region benötigt werden, werde eine bundesweite Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zugrunde gelegt, erklärt Stefan Kuster. Damit solle die ambulante Versorgung der Städte sichergestellt und eine Fehlversorgung vermieden werden. Grundlage dafür sei das Verhältnis von der Zahl der zu versorgenden Einwohner pro Arzt. Faktoren wie die demografische Entwicklung, Geschlechterverteilung und die Erkrankungswahrscheinlichkeit fließen in die Berechnung des Versorgungsgrades einer Stadt mit ein. Bei Städten wie Marsberg werde der Bedarf an Hausärzten auf der Mittelbereichebene geplant.
Derzeit betrage die Basis-Verhältniszahl für die hausärztliche Versorgung grundsätzlich 1.616 Einwohner je Arzt oder Ärztin, wie Stefan Kuster mitteilt: „Stimmt die Relation von Ärzten und Patienten in einer Region mit der gesetzlichen Vorgabe überein, so beträgt der Versorgungsgrad genau 100 Prozent.“ Bei einem Versorgungsgrad von 75 Prozent bei der hausärztlichen Versorgung werde geprüft, ob für eine Region oder Stadt eine Unterversorgung droht. Besteht für ein Gebiet ab einem Versorgungsgrad von 110 Prozent eine Überversorgung, werde der Planungsbereich für Neuzulassungen von Ärzten gesperrt.
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Knapp die Hälfte der Ärzte erreichen bald das Rentenalter
Was die hausärztliche Versorgung belangt, steht das Stadtgebiet Marsberg aktuell gut dar: „Der Versorgungsgrad im Mittelbereich Marsberg liegt derzeit bei 94,9 Prozent“, erklärt Stefan Kuster. So kämen in Marsberg derzeit 1.716 Einwohner auf jedes hausärztliche Vollzeitäquivalent. Insgesamt 11,5 Hausärzte in Vollzeitäquivalenten weise die aktuelle Statistik für Marsberg auf, bei 12,1 Hausärzten in Vollzeitäquivalenten läge der Versorgungsgrad schon bei 100 Prozent. Und es gibt noch Raum für mehr, wie Stefan Kuster erklärt: „Es bestehen weitere hausärztliche Niederlassungsmöglichkeiten.“
Mit Blick auf die Altersstruktur der vorhandenen Hausärzte wird jedoch auch in Marsberg eines deutlich: Rund die Hälfte der Hausärzte, die derzeit die Versorgung sicherstellen, sei älter als 60 Jahre: „Der demografische Wandel macht auch vor der Ärzteschaft nicht halt“, sagt der KVWL-Sprecher. In vielen Regionen werde die Nachbesetzung insbesondere in allgemeinmedizinischen Arztpraxen vor allem im ländlichen Raum schwieriger: „Da sich nicht genug junge Mediziner für eine (eigene) Praxis entscheiden.“
„„Die Kernprobleme der Niedergelassenen lauten: Bürokratie-Wahnsinn, Unterfinanzierung, Fachkräftemangel, mangelhafte Gesetzgebung. Ein ‚weiter so‘ kann es vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Rahmenbedingungen nicht mehr geben.““
Sicherstellung der Versorgung auch Aufgabe von Politik und Kommunen
Um Praxismodelle zu schaffen, die für den medizinischen Nachwuchs attraktiv sind, sei nicht nur die Kooperationsbereitschaft von eingesessenen Ärzten nötig. Auch die Rahmenbedingungen müssten eine Ansiedlung von Nachwuchsärzten in den ländlichen Raum attraktiv machen, so Stefan Kuster. Dazu zählen z.B. eine moderne Infrastruktur vor Ort mit ausreichend Praxisräumen zu bezahlbaren Konditionen, mit genügend Kinderbetreuungsangeboten, einer guten ÖPNV-Anbindung, Jobmöglichkeiten für den Partner, Baugrundstücken und Unterstützung bei der Personalsuche. „Das sind Aufgabenfelder insbesondere für die Kommunen“, erklärt Stefan Kuster.
Bei der Absicherung der medizinischen Versorgung auf dem Land seien auch weitere Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, für welche die Politik die Verantwortung trage: „Es darf nicht nur die Arztzahl in den Blick genommen werden, zumal diese nicht beliebig vermehrbar ist.“ Zu den anderen Rahmenbedingungen zählen z.B. fehlende Medizinstudienplätze, aber auch eine gesunkene Gesundheitsbildung in der Bevölkerung, weshalb vor allem bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen vermehrt ärztliche Leistungen in Anspruch genommen werde. Auch eine erhöhte Migration nehme Einfluss auf den Bedarf, ebenso wie eine Zunahme der Anzahl von Vorsorgeuntersuchungen. Und die formalen Abläufe in Hausarztpraxen gestalten sich zunehmend umständlicher, wie Stefan Kuster hinzufügt: „Zum Beispiel das Erstellen von Gutachten nimmt bei den Ärztinnen und Ärzten immer mehr Zeit in Anspruch.“ Diese Rahmenbedingungen zu verbessern, sei für die medizinische Versorgungssicherung wichtig und liege im Aufgabenbereich der Regierung.
KVWL fordert einen politischen Kurswechsel zur Rettung von Arztpraxen
„Die Sicherstellung der ambulanten Versorgung steht für uns als KVWL an erster Stelle“, erklärt Stefan Kuster. Deshalb fordere die KVWL einen grundlegenden Kurswechsel und appelliere an die Politik, den ambulanten Sektor zu stärken und dafür zu sorgen, dass eine Niederlassung für Ärzte nicht weiter an Attraktivität verliert. Stefan Kuster bringt die Problematik auf den Punkt: „Die Kernprobleme der Niedergelassenen lauten: Bürokratie-Wahnsinn, Unterfinanzierung, Fachkräftemangel, mangelhafte Gesetzgebung. Ein ‚weiter so‘ kann es vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Rahmenbedingungen nicht mehr geben.“