Brilon. Im Gespräch mit der Westfalenpost formuliert Merz drei konkrete Ansprüche der CDU für die kommende Bundestagswahl und lehnt Dreierkoalitionen ab.
Es ist noch früh am Morgen, als Friedrich Merz auf den Parkplatz der Westfalenpost in Brilon fährt. Noch bevor er aus seinem Auto aussteigt, hat er bereits die ersten Besprechungen hinter sich. Seine Mercedes S-Klasse mit Berliner Kennzeichen dient dabei als Transportmittel und mobiles Büro zugleich.
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Der Besuch in Brilon ist für den Bundesvorsitzenden auch eine Gelegenheit für einen Familienbesuch: „Meine Eltern wohnen noch hier“, sagt Merz, dessen Geburtshaus nur wenige Schritte von der Westfalenpost entfernt liegt. Zunächst steht jedoch noch ein Unternehmensbesuch bei Hitachi auf dem Programm. In der Redaktion angekommen, betrachtet der Politiker zunächst die neuen Bilder an der Wand. „Das ist doch in Medebach, oder?“, fragt er interessiert, bevor das Gespräch beginnt. Seinen Kaffee trinkt er stark und schwarz.
Gesundheitsversorgung auf dem Land
Mit Besorgnis betrachtet er die aktuellen Entwicklungen im Gesundheitswesen: „Die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum ist ein äußerst wichtiges Thema“, sagt Merz. Auch in der Pflege drohe eine Unterversorgung. Die Westfalenpost hat in der Vergangenheit wiederholt über den Ärztemangel berichtet. In Brilon hat sich die Situation zuletzt durch neue Praxisöffnungen etwas entspannt. Auch die wirtschaftliche Lage bereitet dem ehemaligen Vorsitzenden der Mittelstandsvereinigung der CDU Sorgen. Dabei nimmt er einen deutlichen Unterschied zwischen der Einschätzung der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber wahr: „Aktuell haben wir noch einen Arbeitnehmermarkt. Aber ich höre von vielen Unternehmen, dass sie sich Sorgen um den Standort Deutschland machen“, berichtet Merz.
Bürokratie und Kritik am Bürgergeld
Ein weiteres Problem sei die Bürokratie, die „zum beachtlichen Teil“ in Brüssel gemacht werde. „Ich habe deswegen mit der amtierenden und auch zukünftigen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gesprochen. Wir müssen dieses Thema endlich angehen“, betont Merz und veranschaulicht dies mit einem Beispiel: „Früher hatten Sie in Ihrem T-Shirt einen kleinen eingenähten Zettel mit der Waschanleitung. Heute finden Sie stattdessen einen halben Roman in der Kleidung.“ Auch das Bürgergeld der SPD kritisiert er scharf: „Die Jobcenter sind aktuell durch Überlastung nicht mehr in der Lage, Menschen in Arbeit zu vermitteln. Sie sind völlig überfordert“, so Merz.
„Die Jobcenter sind aktuell durch Überlastung nicht mehr in der Lage, Menschen in Arbeit zu vermitteln. Sie sind völlig überfordert“
Das sind die Wahlziele
Für die Zeit nach der Wahl hat er sich klare Ziele gesetzt: „Wir müssen endlich sichtbare Maßnahmen ergreifen, die auch bei den Menschen ankommen.“ Merz formuliert die drei Ziele der CDU: „Wir wollen die stärkste Fraktion werden. Wir wollen nur einen Koalitionspartner und wir wollen die Auswahl aus zwei Koalitionspartnern“, wobei derzeit nur SPD, Grüne und FDP für die CDU infrage kommen. „Was nicht gut wäre, da bin ich ganz ehrlich, wäre eine Dreierkoalition“, so der 68-Jährige. Nach aktuellen Umfragen, bei denen die CDU bei etwa 30 Prozent liegt, würden Zweierkonstellationen mit SPD und Grünen ermöglichen.
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Merz zu den transatlantischen Beziehungen
Während sich die CDU noch auf den Wahlkampf vorbereitet, ist dieser in den USA bereits in vollem Gange. Friedrich Merz, ehemaliger Vorsitzender der Atlantikbrücke, macht kein Geheimnis daraus, dass er Kamala Harris für eine verlässlichere Partnerin hält. Die Wahl sei nun wieder offen: „Ich habe gestern noch mit einem Freund in den USA gesprochen, und er erzählte mir, dass der Knoten geplatzt sei. Es gebe wieder viel Rückenwind für die Demokraten, so sein Eindruck“, berichtet der CDU-Politiker. Mit Biden sei jedoch eine Ära zu Ende gegangen: „Das transatlantische Verhältnis wird sich deutlich verändern. Wir müssen in Europa mehr Verantwortung für uns selbst übernehmen“, schließt Merz das halbstündige Gespräch ab.