Brilon. Radfahren mit Mehrwert: Brilons neue Route fördert nachhaltigen Tourismus. Ein Radweg-Highlight, welches Spaß und Bildung vereint.

Wenn man sich mal die Gäste anschaut, die nach Brilon kommen, dann hat mehr als die Hälfte von ihnen inzwischen ein Fahrrad hinten auf dem Auto.“, sagt Rüdiger Strenger, Geschäftsführer der BWT. Seit vielen Jahren habe man sich in Brilon intensiv dem Thema Wandern gewidmet. Etwa mit dem Rothaarsteig, dem Briloner Kammweg oder auch den thematischen Wegen wie Gewerkenweg oder Waldfeenpfad. Das Thema Radfahren habe allerdings „massiv zugenommen“, so Strenger. Beliebte Radwege wie der Alme- oder Möhneradweg würden intensiv genutzt.

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Jetzt dürfen sich Radfahrfreunde auf ein neues Highlight freuen: Vom Waldbahnhof Brilon Wald bis zum Bahnhof Bredelar bringt ab diesem Monat auf rund 30 Kilometern die „Route der Nachhaltigkeit“ nicht nur jede Menge Fahrspaß, sondern auch die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele näher. Für den einen oder anderen sei der Begriff „Nachhaltigkeit“ noch immer etwas diffus, so Bügermeister Dr. Christof Bartsch. „An den verschiedenen Stationen werden wir darum sehr konkret.“ Manchmal, so Bartsch, wirke es es vielleicht so, als sei es ein Begriff aus der Neuzeit. Aber „mitnichten“. Der Begriff der Nachhaltigkeit stamme aus der Forstwirtschaft, wurde vor über 200 Jahren von Hans Karl von Carlowitz geprägt. „Da war die Waldsituation ähnlich wie heute, nämlich desaströs.“ Nachhaltig handeln habe in dem Zusammenhang bedeutet, dass wann immer ein Baum der Natur entnommen wird, auch ein neuer gepflanzt werden muss - „und zwar mit Wiederholungsabsicht.“ 

Route der Nachhaltigkeit
Dieses Schild weist auf die Route der Nachhaltigkeit hin. © WP | Felicitas Hendrichs

Die erste Station des Radweges, der Waldbahnhof Brilon Wald, sei hier das beste Symbol. Gerade auch, weil dieser gerade frisch erneuert und damit „auf die Zukunft ausgerichtet werde.“, so Bartsch.

Weltzukunftsvertrag

Im September 2015 haben 193 Staaten die 17 UN-Klimaziele unterschrieben. „Man könnte sagen, das ist so ein Weltzukunftsvertrag“, sagt Friedel Schumacher vom Bildungsnetzwerk Brilon Nachhaltig, das vor rund drei Jahren gegründet wurde. Jedes der Ziele ist mit einer bestimmten Farbe verbunden, sie alle finden sich auch im Logo von Brilon nachhaltig wieder. Das Bildungsnetzwerk verfügt über zahlreiche außerschulische Lernorte, wie zum Beispiel das Museum Haus Hövener, die Stadtbibliothek, das Stadtarchiv, die Umweltjugendherberge, den Geopark Grenzwelten oder auch den Naturpark Diemelsee. Dieser, so Geschäftsführer Benedikt Wrede, sei ein Projekt, das sich mit dem Wandel von Tourismus und Wald in der Region beschäftigt. „Eines unserer Ziele ist dabei, die Widerstandsfähigkeit des Waldes und die Biodiversität zu erhalten.“ Mit der neuen Radroute sei ein weiterer Schritt hin zu nachhaltigem Tourismus gelungen, so Wrede. „Wir wissen so viel, aber wir müssen es auch tun“, mahnt Friedel Schumacher, der unter Mithilfe von Willi Otto von „Brilon Wald aktiv“ der Planer und Konzeptersteller des neuen Radweges ist. Hervorheben möchte Schumacher, dass „die Akteure von Wirtschaft und Initiativen nicht auf die Formulierung der UN-Nachhaltigkeitsziele gewartet haben, sondern schon vorher intuitiv und innovativ daran gearbeitet haben.“ Daher habe man der Route die entsprechenden Ziele an den einzelnen Stationen einfach zuordnen können.

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So etwa am ersten Stopp an der Condensator Dominit GmbH am Essigturm in Brilon Wald. Das international tätige Unternehmen fertigt Elemente für für modernen Steuerungs- und Anlagenbau und ist Gründungsmitglied im Unternehmensnetzwerk Klimaschutz. Die Gebäude sind CO2-neutral, die Energiegewinnung erfolgt durch Sonnenkollektoren. „Geschäftsführer Dr. Christian Dresel weiß, wie wir die Energiewende schaffen.“, so Schumacher. Die Station ist dem UN-Ziel Nummer 12 „Nachhaltige/r Konsum und Produktion“ zugeordnet. Auf dem Sattel geht es weiter entlang des Waldes bis zur „Krake“ kurz vor Schmelterfeld. „Dort haben wir eine Waldversuchsfläche angelegt“, erklärt Benedikt Wrede. Zusammen mit dem Landesbetrieb Wald und Holz und der Forschungseinrichtung in Arnsberg, habe man überlegt, welche Bäume die passenden für unsere Region sind. „Wir haben dort ein Hektar Aufforstungsfläche und ein Hektar Sukzessionsfläche, das heißt, der Wald wächst in natürlicher Form nach.“, so Schumacher. Im Laufe der Zeit könne man dann diese Flächen miteinander vergleichen und Schlüsse aus den Beobachtungen ziehen. Diese Station gehört zum Ziel Nummer 13: „Maßnahmen zum Klimaschutz.“ Für das Ziel Nummer 6, „Sauberes Wasser und Sanitäranlagen“ führt die Strecke jetzt weiter ins Bibertal und zum Wanderparkplatz bei der Pulvermühle. Hier sei eine interaktive Station zum Thema Wasser geplant. „Hier wollen wir einen außerschulischen Lernort schaffen, wo wir dann im Grunde das tun, was ich schon über 20 Jahre lang in der Umweltjugendherberge gemacht habe. Nämlich biologische Gewässergütebestimmungen durch Lebewesen wie zum Beispiel Steinfliegenlarven, Strudelwürmer, Bachflohkrebse oder Wasserasseln.“

Als nächsten Etappenziel folgt Hoppecke Batterien. 2021 und 2022 habe die Akku jeweils die Nachhaltigkeits-Goldmedaille in den Bereichen Umwelt, Ethik, Soziales und nachhaltiges Schaffen durch die weltweit größte Ratingagentur für nachhaltiges Handeln, EcoVadis, erhalten. „2023 dann die Krönung, Hoppecke erhält Platin“, so Schumacher. Die Akku zähle damit weltweit zu den 1% der am höchsten bewerteten Unternehmen und konnte sich für das maximale Blei-Recycling von annähernd 100% sogar noch ein weiteres Siegel, das Clean Lead, sichern. Weiter geht’s zum Hüttenplatz in Messinghausen mit der Geschichtssäule. Von hier aus laden die bekannten „blauen Schilder“ zu einem Dorfrundgang ein, der viel geschichtliches Hintergrundwissen vermittelt.

Beim nächsten Halt in Rösenbeck wartet nicht nur eine traumhafte Aussicht, sondern mit der „Alten Schule“ auch ein tolles Dorfgemeinschaftsprojekt. Statt auf der Schulbank sitzt man hier jetzt am Tresen. Sämtliche Einnahmen der „Projekt-Kneipe“, die Treffpunkt und Ort der Begegnung geworden ist, kommen dem Dorf Rösenbeck zugute.

Strom für 48.000 Haushalte

Über weitere Stationen wie den Windpark Madfeld-Bleiwäsche, der mit seinen 41 Windkraftanlagen inzwischen Strom für knapp 48.000 Haushalte erzeugt, und die Metzgerei Scharfenbaum, die sich nachhaltiger Produktion, Tierwohl und resilienten landwirtschaftlichen Methoden verschrieben hat, geht es durch einen 200 Jahre alten Laubmischwald dann Richtung Ziel, dem Bahnhof Bredelar. „Der bildet zusammen mit dem Bahnhof Brilon Wald den Rahmen des Pfades“, sagt Benedikt Wrede. Wer mag, kann von hier aus über den Diemelradweg weiter Richtung Willingen oder einfach mit dem Zug zurück zum Ausgangspunkt fahren. 

Auf der Strecke gilt es 350 Höhenmeter Steigung mit zwei starken Anstiegen zu bewältigen. Da nicht nur asphaltierte Wege, sondern auch Forst- und Wirtschaftswege zu befahren sind, wird zu einem geländegängigen Fahrrad geraten. In Kürze werden die Schilder entlang des Streckenverlaufs angebracht, sodass die Route ab etwa Mitte Juni befahren werden kann. Schumacher: „Man kann nur grob ermessen, welches Gesamtpotential unser Sauerland bietet.“