Hochsauerlandkreis/Marsberg. Der Schritt vom Kindergarten in die Grundschule ist für Kinder oft nicht leicht. Worauf Eltern achten sollten, erklärt eine Marsberger Expertin.
Vom Kindergarten zum Schulkind: Unzählige Kinder im Hochsauerlandkreis werden nach den Sommerferien ein ganzes Stück größer - sie werden eingeschult. Ein großer Meilenstein für die Kinder, aber auch eine große Herausforderung: „Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule selbst ist ein großer Entwicklungsschritt, welcher von den Kindern eine deutliche Anpassungsleistung verlangt“, erklärt Dr. Johanna Waltereit. Die Expertin arbeitet als Sonderpädagogin und Kinder- und Jugendpsychotherapeutin in Ausbildung beim LWL-Klinikum Marsberg. Sie erklärt, wie Eltern ihre Kinder in der schwierigen Zeit der Einschulung unterstützen können.
„Die Kinder kommen bereits mit einem großen Blumenstrauß an ganz unterschiedlichen Erfahrungen, Fähigkeiten und erworbenen Kompetenzen in die Schule“, erklärt Dr. Johanna Waltereit. Die Sonderpädagogin ist selbst Mutter von fünf Kindern. Sie weiß aus Erfahrung, dass sich vor allem in den Jahren vor der Einschulung viel in der Entwicklung von Kindern tut. Hier werde auch ein wichtiger Grundstein für die spätere Schulzeit gelegt, so die Expertin: Die Erfahrungen, die Kinder z.B. im Kindergarten, in der Familie oder auch in Sportverein oder Musikschule machen, würden ihre Vorstellung von der Grundschule im Vorfeld prägen.
Wichtige Grundfähigkeiten für die Einschulung
Eine der wichtigsten Kompetenzen, die ein Kind für die Grundschule brauche, sei die Sprachkompetenz: „Eltern, die sich in Bezug auf die sprachliche Entwicklung ihres Kindes Sorgen machen, sollten sich vertrauensvoll an ihre Kinderärztin oder ihren Kinderarzt wenden – hier gibt es eine ganze Palette von Empfehlungen und Fördermöglichkeiten.“ Das gelte auch für Eltern mit Kindern, die Deutsch als Zweitsprache lernen. Eine weitere wichtige Kompetenz sei die soziale Interaktionsfähigkeit, wie Johanna Waltereit erklärt. Diese sorge dafür, dass ein Mensch sich zum kompetenten Gesprächspartner entwickelt. Demnach sollten sich der Expertin zufolge Eltern vor der Einschulung die Frage stellen: „Hat Ihr Kind Freunde? Wird es zu Kindergeburtstagen eingeladen? Ist es ein beliebter Spielpartner? Ist die Sprachentwicklung Ihres Kindes ungefähr so wie bei anderen Kindern verlaufen?“ Wer sich diesbezüglich Sorgen mache, könne sich Rat bei einem Kinder- und Jugendpsychotherapeuten einholen.
Auch Konzentration und Emotionsregulation seien wichtige Grundfähigkeiten für den Schulstart: „Es ist eine entscheidende Kompetenz für den Schulalltag, sich selbstständig oder mit etwas Hilfe regulieren zu können, wenn man frustriert oder verärgert oder auch verunsichert oder traurig oder vielleicht auch sehr aufgeregt und glücklich ist“, erläutert Johanna Waltereit. Dazu kämen noch viele andere wichtige Grundfähigkeiten: Fein- und Grobmotorik, kognitive Entwicklung, phonologisches Bewusstsein, eine intakte Wahrnehmungsfähigkeit oder mathematische Vorläuferfähigkeiten. Bei der Ausprägung sei jedes Kind anders, Unterschiede seien normal: „Jedes Kind hat sein ganz individuelles Fähigkeitsprofil, mit dem es in die Schule startet.“
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Früh aufstehen und still sitzen - Diese Routinen sollte man üben:
Eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung auf die Schule spielen die Eltern, wie Johanna Waltereit betont: „Eltern haben viel Einfluss auf die Kompetenzen, die ein Kind erwerben kann und möchte.“ Ein wichtiges Ritual sei beispielsweise das Vorlesen. „Die Kinder kommen dadurch früh in Kontakt mit Schriftsprache, welche sich strukturell von gesprochener Sprache unterscheidet und das Kind motiviert, selbst Bücher lesen lernen zu wollen.“ Auch Sprachspiele oder kleine Rechengeschichten mit Gegenständen helfen dabei, Kompetenzen früh auszubilden: „Affe beginnt mit einem A, welches Wort beginnt noch mit einem A? Wenn ich dir zwei Murmeln gebe und Papa schenkt dir auch noch eine - wie viele hast du dann?“
Sehr wichtig seien in der Vorbereitungszeit auf die Einschulung feste Zeiten und Routinen, vor allem beim Zubettgehen und Aufstehen an Werktagen: „Damit die Umgewöhnung in den Schulalltag leichter fällt.“, erklärt die Sonderpädagogin. Auch an Situationen, in denen man still sitzen muss, sollten Eltern ihre Kinder im Vorfeld heranführen: hier seien z.B. Besuche eines Kindertheaters sinnvoll. Dem Kind vorleben, Langeweile ohne Smartphone zu überbrücken, sich exklusiv Familienzeit mit dem Kind einzuplanen und es für die Dinge zu loben, die es schon gut kann - all das seien wichtige Schlüssel für eine gute Vorbereitung auf die Schulzeit: „Zehn Mal für konkrete Dinge loben, ein Mal meckern – mit diesem Schlüssel fahren die meisten Kinder ganz gut.“
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Nicht zu viele Sorgen um die Einschulung machen
Ungewohnte Abläufe, fremde Menschen, neue Sozialgefüge und Aufgaben - Es seien unglaublich viele Veränderungen, die mit der Einschulung auf das Kind zukommen. Dabei erbringe das Kind selbst die größte Anpassungsleistung, erklärt Johanna Waltereit. Die Einführung in den Schulalltag sei Aufgabe des Klassenlehrers: „Sie sind hier als Eltern in der Beraterrolle.“ Das Kind zu unterstützen, als Ansprechpartner für seine Unsicherheit und unverstandenen neuen Regeln offen zu sein und ihm zu zeigen, dass es bedingungslos geliebt wird - das seien die wichtigsten Aufgaben der Eltern in der Eingewöhnungszeit. Ansonsten rät Johanna Waltereit: „Haben Sie Vertrauen in Ihr Kind sowie die Pädagogen und Pädagoginnen, dass Ihr Kind die erforderlichen Regeln und Strukturen lernen wird.“ Es brauche Zeit und viel Geduld, bis sich die Aufregung lege und die Prozesse gut eingespielt seien. Und zu viele Sorgen sollten sich die Eltern auch nicht machen, empfiehlt die Expertin: „Spätestens nach den ersten Herbstferien wird Ihr Kind bereits ein kleiner Schulanfänger-Profi sein.“