Hallenberg. Trotz steigender Beliebtheit alkoholfreier Biere verzichtet der Brauhof Hallenberg darauf. Das hat seine Gründe, erklärt Betriebsleiter Valentin Schöttke

Alkoholfreie Biere finden in NRW und im Sauerland immer mehr Abnehmer. 2023 stieg die Absatzmenge gegenüber dem Vorjahr um 21,5 Prozent. Ein Lichtblick für die Bierproduzenten, die aufgrund steigender Kosten und schrumpfender Absatzmengen beim klassischen Bier immer mehr unter Druck geraten. Dennoch bietet der Brauhof in Hallenberg bislang keine alkoholfreie Variante an. Betriebsleiter Valentin Schöttke erklärt, warum die kleine sauerländische Brauerei auf die spritfreie Variante des Hopfensaftes verzichtete und wie wichtig die kommende Europameisterschaft für das Braugeschäft ist.

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Was zeichnet Ihrer Meinung nach ein hervorragendes Bier aus, und wie versuchen Sie, dieses Qualitätsmerkmal in Ihren Brauprozess zu integrieren?

Ein hervorragendes Bier ist für uns eins, das aus der Masse der Biere hervorsticht. Wir versuchen, jeder unserer Biersorten einen ganz besonderen, unverwechselbaren Geschmack, eine besondere Intensität und Vollmundigkeit zu geben. Und alle haben einen bodenständigen Charakter: viele unserer Zutaten kommen aus einem Umkreis von 1000 Metern um die Brauerei. Unsere Vertragslandwirte bauen hier in Hallenberg hochwertige Gerste und erstklassigen Hopfen an. Diese Zutaten verarbeitet unser Team in einem aufwändigen, handwerklichen Prozess. Außerdem bleiben unsere Biere unfiltriert, alle Geschmacksstoffe kommen also in Flaschen und Fass. Wir machen das Bier auch nicht durch Pasteurisieren künstlich haltbar, so wie es bei industriellen Bieren üblich ist. Im Brauhof produzieren wir echte, ursprüngliche Lebensmittel. Das schmeckt man einfach.

Der Trend zu alkoholfreiem Bier nimmt immer mehr zu. Wie hat Ihre Brauerei auf diesen Hype reagiert, und welche alkoholfreien Biere bieten Sie an?

Aktuell haben wir (noch) kein alkoholfreies Bier im Sortiment. Wir sind gerade dabei, auszutüfteln, wie ein alkoholfreies Bier gebraut werden müsste, damit es in unsere Linie passt: geschmackvoll, intensiv, sauerländisch. Das ist nicht ganz einfach, zum Beispiel weil ein Alkoholfreies zwangsläufig pasteurisiert werden muss – das machen wir ja mit unseren Bieren bisher bewusst nicht. Ein alkoholfreies Bier werden wir ganz sicher erst brauen, wenn wir einen richtig guten Weg gefunden haben. Aber wir sind dran!

Wie ist der Prozess der Herstellung eines alkoholfreien Biers im Vergleich zum traditionellen Bier, und gibt es spezielle Herausforderungen, die es dabei zu meistern gilt?

Es gibt verschiedene Wege alkoholfreies Bier zu produzieren, durch spezielle Hefen, gestoppte Gärung oder nachträglichen Alkoholentzug aus ‚‚normalen“ Bieren. Viele große Brauereien verwenden mehrere dieser Systeme parallel, um die jeweiligen Vor- und Nachteile der einzelnen Varianten miteinander kombinieren und gegeneinander ausspielen zu können. Damit man dabei wirtschaftlich bleibt, braucht man sehr hohe Absatzmengen. Deshalb haben kleine Handwerksbetriebe oft keine Chance, in diesen Markt einzusteigen. Die größte Herausforderung liegt darin, es so hinzubekommen, dass das alkoholfreie Bier auch richtig gut schmeckt. Viele Varianten gehen nur in ein Extrem - süß/malzig, bitter/herb, wässrig/bierig - weil die Komplexität der Gärnebenprodukte fehlt und die Hefe viel mehr Einfluss auf den Geschmack hat, als viele denken. Für uns müsste das Alkoholfreie schon nahezu perfekt sein, damit wir es auf den Markt bringen.

Inwieweit beeinflusst der wachsende Markt für alkoholfreies Bier den Absatz Ihrer alkoholhaltigen Biere?

Da wir nicht auf den Massenabsatz, sondern auf den Genusskonsum abzielen, haben diese aktuellen Markttendenzen tatsächlich praktisch keinen Einfluss auf uns. Das obere Qualitäts-Segment im Markt der alkoholhaltigen Biere ist für den Brauhof Hallenberg bei weitem groß genug und noch längst nicht ausgeschöpft.

Mit Blick auf die anstehende Fußball-Europameisterschaft, planen Sie spezielle Aktionen oder Biersorten, um das Event zu feiern?

Wir möchten da sein, wo unsere Kunden am liebsten Fußball schauen: bei sich zu Hause. Der Brauhof hat ein 20 Liter-Fass auf den Markt gebracht, das einen bayrischen Anstich hat. Man kann es also zu Hause ganz einfach mit einem Holz- oder Kunststoffhahn anzapfen. Den liefern wir leihweise gerne mit. Die Fässer sind im Brauhof perfekt gekühlt. Als besondere Aktion zur EM liefern wir unseren Kunden im Raum Hallenberg/Winterberg und Medebach jedes Fass kostenlos nach Hause.

Fußballturniere gelten üblicherweise als umsatzstarke Zeiten für Brauereien. Wie bereiten Sie sich auf die zu erwartende Nachfrage vor, insbesondere im Hinblick auf Kapazitäten und Logistik?

Alle Tanks des Brauhofs sind schon jetzt gefüllt. Die Hallenberger Biere reifen ganz in Ruhe rund sechs Wochen lang. Auf den steigenden Absatz zur EM sind wir also gut vorbereitet.

Der designierte Betriebsleiter des Brauhofs Hallenberg, Ben Krengel (links), mit seinem Vorgänger, Valentin Schöttke.
Der designierte Betriebsleiter des Brauhofs Hallenberg, Ben Krengel (links), mit seinem Vorgänger, Valentin Schöttke. © WP | Brauhof

Traditionell sind Schützenfeste für lokale Brauereien bedeutende Ereignisse. Welchen Stellenwert haben solche Veranstaltungen für Ihr Unternehmen, und wie unterstützt oder engagiert sich Ihre Brauerei bei diesen Festen?

Heute teilen sich einige wenige, große Brauereien alle Feste im Umkreis auf, wobei der Marktdruck hier so hoch ist, dass wir kaum eine Chance haben, dort Fuß zu fassen. Der Ausschank von anderen Bieren als dem vertraglich vereinbarten ist bei vielen Festen strikt untersagt und wird mit Strafen geahndet, wir können also auch nicht als Kleinanbieter mit einem Stand auftreten. Mit dieser Situation müssen wir leben und das ist auch okay für uns. Wir beliefern stattdessen andere Veranstaltungen mit unseren Bieren. Zum Beispiel arbeiten wir für Unternehmen und Organisationen aus Nordrhein-Westfalen auf internationalen Messen. Dort wird unser Bier als „Botschafter“ des Unternehmens, der Region und des Landes ausgeschenkt. Wir waren unter anderem in Cannes, Barcelona und Düsseldorf. In diesem Jahr stehen noch Berlin und Paris an. Und: wir veranstalten selbst Feste – zum Beispiel das große Hopfenfest rund um den Brauhof Hallenberg im September.

Welche Auswirkungen hat die aktuelle Inflation auf Ihre Brauerei, und welche Maßnahmen ergreifen Sie, um mit den steigenden Kosten für Rohstoffe, Energie und Logistik umzugehen?

Die steigenden Kosten sind für uns alle sehr hart. Der Brauhof hat dennoch die Preise seit der Unternehmensgründung nicht erhöht. Wir schauen jetzt noch genauer, wo wir Energie und Arbeitsstunden einsparen können. Seit jeher gehen wir sehr verantwortungsvoll mit unseren Rohstoffen um und unser Team strukturiert die Lieferungen noch besser, um zusätzliche Ausgaben zu vermeiden. Aktuell steigern wir den Ausschank in unserem hauseigenen Biergarten. Hier vor Ort haben wir unsere Stammkundschaft. Jedes Bier, das in der Brauerei ausgeschenkt wird, erzeugt keine Transportkosten – und ist natürlich sehr nachhaltig. Durch die Einführung unseres Kneipenabends, der sehr gut angenommen wird, haben wir einen wichtigen Schritt in diese Richtung getan und werden uns weiter auf dieses Feld fokussieren.

In einem inflationären Umfeld steht oft auch die Preisgestaltung auf dem Prüfstand. Wie halten Sie die Balance zwischen Kostendeckung und der Wahrung eines fairen Preises für Ihre Kunden?

Wir haben die Preise seit Gründung stabil gehalten, es gab nie eine Erhöhung. Der Brauhof arbeitet langfristig mit regionalen Zulieferern zusammen – und das schon seit Jahren. Unser Hopfen kommt direkt vom Hallenberger Hopfenbauern, die Gerste bauen Landwirte für uns auf den Äckern um die Stadt an. Der Brauhof besitzt auch eigene Ackerflächen. Unsere Partner haben wir von Anfang an gut bezahlt und langfristige Vereinbarungen getroffen. Das zahlt sich jetzt aus. Unsere Preise waren gegenüber Lieferanten und Kunden also immer fair – und werden es bleiben. Diese Preispolitik und die hohe Qualität der Biere haben uns viele treue Stammkunden gebracht. Manche kommen regelmäßig aus dem Ruhrgebiet, Hessen, dem Saarland oder den Niederlanden, um unser Bier zu kaufen. Oft verbinden sie einen Urlaub im Sauerland damit.

Gibt es neue Entwicklungen oder Innovationen in der Brautechnologie, die Sie aufregend finden oder die Sie bereits in Ihrer Brauerei implementiert haben?

Selbstverständlich gibt es immer wieder spannende Neuerungen. Die Bierbranche ist aber insgesamt ziemlich gut erforscht und Bier das wahrscheinlich am besten erforschte Getränk, wenn nicht sogar Lebensmittel überhaupt. Wirklich nützliche Innovationen sehe ich kaum. Ich bin davon überzeugt, dass es in dieser Situation vor allem auf die Ideen und handwerklichen Fähigkeiten der Mitarbeiter ankommt. Und natürlich auf eine hohe Qualität der Zutaten. Diese Faktoren kann man in einer kleinen, handwerklichen Brauerei wie dem Brauhof natürlich viel besser zur Geltung bringen als in einem großen Industriebetrieb.

Nachhaltigkeit ist ein Thema, das Verbraucher zunehmend beschäftigt. Wie geht Ihre Brauerei mit Umweltverantwortung um und gibt es spezifische Initiativen, die Sie in diesem Bereich verfolgen?

Wir setzen seit unserer Gründung auf Nachhaltigkeit, unter diesem Gesichtspunkt wurde die Brauerei aufgebaut. Wir beschaffen die Vorprodukte von Getreide über Bierkisten bis hin zu den Gläsern regional im Sauerland, nutzen Öko-Strom und liefern nur in einem kleinen Umkreis aus. Für uns geht es dabei um ‚‚back-to-basic‘‚. Im Grunde sind wir die Antipoden der Globalisierung. Unser Umkreis bietet sehr, sehr viel und für uns bedeutet Nachhaltigkeit auch einen Mehrwert für alle hier in der Region zu schaffen – von Bierfreund bis Bauer.