Medebach. Michael Neumann ist der neue Direktor am Amtsgericht in Medebach. So tickt der Jurist, der als Quereinsteiger zum Richter berufen wurde
Michael Neumann ist ein freundlicher, angenehmer Gesprächspartner. Ein Mann, der mit ruhiger Stimmer spricht und seine Worte genau abwägt. Der 48-jährige Werler bittet in sein Amtszimmer ins Amtsgericht Medebach. Nun hat er hier das Sagen. Denn seit Kurzem spricht er in dem altehrwürdigen Gebäude nicht nur Recht - er ist auch Direktor dieses kleinen Justiztempels. Seit Januar hatte er das Gericht schon kommissarisch geleitet. „Die Justiz hat mich eigentlich schon immer interessiert“, sagt Neumann und lächelt. Doch der Vater von fünf Kindern ist als Richter ein Quereinsteiger. Denn zunächst arbeitete der Jurist, der mit einem Prädikatsexamen sein Studium an der Universität Marburg abschloss, zehn Jahre als Rechtsanwalt spezialisiert auf Wirtschaftsrecht. Die Arbeit habe ihm viel Freude gemacht. Vor allem aber die Auftritte vor Gericht.
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Als Proberichter am Landgericht
Mit Ende 30 habe er sich dann gefragt: „Will ich das immer machen?“ Neumann richtet sich in seinem Stuhl auf. Gemeinsam mit seiner Frau, einer gebürtigen Werlerin, fiel dann die Entscheidung, sich auf eine Richterstelle im Landgerichtsbezirk Arnsberg zu bewerben. „Das Gehalt hat dabei aber nicht die größte Rolle gespielt, sondern die spannende Herausforderung“, sagt er mit Überzeugung in der Stimme.
Zunächst sprach er unter anderem als Proberichter am Landgericht in Arnsberg und an den Amtsgerichten in Brilon, Werl und an seiner jetzigen Station in Medebach Recht. Natürlich sei es zunächst ungewohnt gewesen, bei einem Prozess am Richtertisch Platz zu nehmen, gibt er zu. Doch anders als seine zumeist deutlich jüngeren Proberichter-Kollegen habe er einen Vorteil gehabt: „Ich kann mich natürlich gut in die Rechtsanwälte hineinversetzen und deren Prozessstrategie in der Regel nachvollziehen“, sagt er. Bisher habe er hier schon circa hundert Strafsachen bearbeitet. Bei seiner Prozessführung lege er großen Wert darauf, ausgleichend zu wirken. „Ich versuche die Verhandlungen moderierend und weniger streng zu leiten. Ich denke als Richter sollte man empathisch sein, um die Motive der Prozessparteien besser verstehen zu können“, sagt er. Doch er könne auch ungemütlich werden: „Ich lasse mich nur ungern für dumm verkaufen“, sagt er.
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Die Standortsicherheit
Mittlerweile fühle er sich in Medebach angekommen. Die Einarbeitungsphase sei abgeschlossen. Die Arbeit mit den neuen Kollegen und Kolleginnen mache ihm großen Spaß. So trägt er Verantwortung für 15 Angestellte, die unter anderem in der Verwaltung und an der Sicherheitspforte tätig sind. Mit seiner Berufung haben sicherlich auch viele der Mitarbeiter aufgeatmet. Denn Neumanns Vorgängerin als kommissarische Direktorin, Isabel Möllenberg, hatte noch im vergangenen Jahr in der WP gewarnt: „Wenn kein Nachfolger gefunden wird, brennt hier die Hütte.“ Viele der Gerichtsmitarbeiter hätten Sorge davor gehabt, dass die Medebacher Behörde bei einer Vakanz der Stelle wegrationalisiert werden könnte. Das Gericht sei beispielsweise im Vergleich mit dem Amtsgericht in Brilon klein, viele Richter seien nur schwer dazu zu bewegen, aufs Land zu ziehen. Sie hatte außerdem die Besoldung für die Stelle in Medebach kritisiert.
Mit der Berufung von Neumann scheint diese Gefahr nun vorerst gebannt. „Die Standortsicherheit ist aktuell gegeben“, sagt der neue Direktor im ernsten Tonfall. Das Pendeln von Werl in die sauerländische Kleinstadt sei für ihn kein Problem. Besonders im Sommer genieße er die Fahrt durch die „wunderschöne Landschaft“ mit seinem Cabrio. Im Kombination mit Homeoffice können er sich zudem auch gut um seine Großfamilie kümmern, mit der er auch gerne nach Italien in den Sommerurlaub fahre. In Rimini könne sich der leidenschaftliche Schachspieler dann auch wunderbar von dem Arbeitsstress erholen und ein Sachbuch des Psychologen Daniel Kahnemann in die Hand nehmen. „Der Mann schreibt über Denkprozesse und wie die Menschen Entscheidungen treffen“, sagt Richter Neumann.