Hallenberg/Winterberg. Wegen einer Erbkrankheit versagten seine Nieren beinah. Carsten Hesse alias Freddy Albers aus Hallenberg über den schweren Weg zurück ins Leben.

„Junge, komm bald wieder!“ So endete im Februar 2020 eine Reportage über Freddy Albers alias Carsten Hesse aus Hallenberg im Hochsauerland. Der (seit wenigen Tagen) 51-Jährige, der lange Zeit die Kapitänsmütze aufsetzte und sich im Stil von Freddy Quinn und Hans Albers bundesweite in die Herzen seines Publikums sang, musste pausieren. Zwangsweise. Wegen einer Erbkrankheit hatten seine Nieren fast versagt. In letzter Sekunde im bundesweiten Corona-Lockdown wurde Carsten Hesse ein Organ transplantiert, das ihm seine Frau gespendet hat. „Eine neue Niere ist wie ein neues Leben“, scherzt der Sänger und Entertainer heute, nachdem er der Dialyse nur knapp entgangen ist. Doch das Leben als Künstler ist anders als vorher. Und das liegt hauptsächlich nicht an der Organtransplantation.

Chefarzt der Uniklinik macht Druck

Frühjahr 2020: Noch einmal reisen Carsten und seine Frau Marion Klabes-Hesse durch die heiß-geliebte USA. Dann steht am 6. April der schwere Eingriff in der Uni-Klinik Kiel an. „Die Ärzte hätten den Termin gern verschoben, weil nach dem Ausbruch der Pandemie alle Betten frei gehalten werden sollten. Aber das wäre keine vier Wochen mehr gut gegangen mit ihm“, sagt Ehefrau Marion. Lange hatte sie auf ihren Mann eingeredet, die Organspende auch wirklich offenen Herzens als Geschenk zu akzeptieren. Immer wieder hatte er sich gesträubt. „Mir war es wichtig, dass er die Niere mit einem guten Gefühl annimmt – damit sie auch sein Körper nicht abstößt“, sagt sie. Für die Voruntersuchungen hat sich das Ehepaar damals ein Hotel in Kiel gebucht. „Die wollten uns plötzlich nicht mehr aufnehmen. Reiseverbot. Eine Dienstreise hätten wir machen können, aber für eine lebenswichtige OP sollte das nicht möglich sein“, schüttelt Carsten Hesse rückblickend den Kopf.

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Freddy Albers in Las Vegas 2016
Freddy Albers in Las Vegas 2016 © WP | Unbekannt

Der Chefarzt der Uniklinik macht Druck. Es klappt. Auch die Vermieter der ursprünglich gebuchten Ferienwohnung in Kiel für die Zeit der Nachbehandlung springen ab. Beherbergungsverbot. Das Ehepaar und Hesses Schwiegereltern finden einen anderen Vermieter, dem Menschlichkeit vor Bürokratie geht. An jenem 6. April morgens um 8 Uhr wird Marion Klabes-Hesse dann in den OP gefahren, drei Stunden später ist ihr Mann an der Reihe. „Als ich aufwachte, hat die Schwester von sich aus als Erstes gefragt, ob ich mit Carsten telefonieren wollte. Das fand ich sehr nett. Ich habe ihn dann angerufen, seine Stimme gehört und war beruhigt.“ Seitdem feiert Carsten Hesse zweimal im Jahr Geburtstag: ganz regulär am 15. Mai und eben an jenem 6. April.

Durch Corona ausgebremst

Es folgen viele Aufs und Abs – für ihn und für seine Frau: Mal gehen die Blutwerte in die falsche Richtung, mal entpuppt sich ein Ziehen in der Nierengegend nur als „Seitenstechen“, mal als Embolie. Aber heute ist Carsten Hesse 40 Kilo leichter, um eine gesunde Niere reicher und auf Dauer um ein Hobby ärmer. Damit der Körper die Niere nicht als Fremdkörper abstößt, ist Hesses Immunsystem dauerhaft runtergefahren. „Ich muss regelmäßig Tabletten nehmen, der Körper kann sich sehr schlecht gegen Krankheiten, Bakterien oder Keime wehren.“ Deshalb ist Carsten Hesse auch nicht gegen Corona geimpft – in Abstimmung mit den Ärzten. Denn die Immunmedikamente mindern auch die Wirkung von Impfungen. „Künstlerkollegen haben mir geraten: Mensch, lass Dich doch einfach impfen. Dann hast Du Ruhe. Ich mache das nicht einfach so aus falsch verstandener Solidarität, zumal sich bei mir sowieso kaum Antikörper bilden würden oder auch gar keine“, sagt Hesse.

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Durch die Corona-Regeln fühle er sich förmlich von allem ausgegrenzt. „Auftritte unter Corona-Bedingungen mit Abstand und dadurch oft reduziertem Publikum, mit Masken, 2G und Verboten von Mitsingen oder Schunkeln machen mir einfach keinen Spaß. Da fehlt mir die Lockerheit, so kann ich auch keine gute Stimmung rüberbringen. Das ist nicht mehr mein Ding. Das Leben ändert sich, Menschen ändern sich, die Zeiten ändern sich. Aber in der Erinnerung bleibt das Gute gut. In der Tat habe ich für meine Auftritte beziehungsweise die Musik mal gebrannt. Tue ich auch noch heute beim Hören, YouTube anschauen und wenn ich zu Hause singe. Aber die Zeit der großen Auftritte ist vorbei.“

Pfingstsonntag im Winterberger Kurpark und am 23. Juli ebenfalls in Winterberg

Seitdem macht Carsten Alternativprogramm. Er geht viel spazieren, über 14.000 Schritte am Tag, kommt an Orte, die er vorher nicht mal vom Namen gekannt hat, macht für sich zu Hause Musik und schaut endlich mal die zahlreichen DVDs, die im Regal aufgereiht stehen und freut sich über zwei, drei kleine Open-Air-Konzerte – „der guten Zeiten wegen“ - wie das am Pfingstsonntag im Winterberger Kurpark mit Seemannsliedern und am 23. Juli ebenfalls in Winterberg im Rahmen des Sparkassen-Open-Airs mit einem bunt-gemischten, englisch-deutschen Dean-Martin-Frank-Sinatra-Elvis-Presley-Programm. „Eigentlich sehr schade, denn im Mai hat sich mein erster Auftritt mit Band und für Gage zum 30. Mal gejährt. Das Bühnenjubiläum hatte ich mir anders vorgestellt.“

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Aber der 50-Jährige hat sich trotz allem seinen Optimismus nicht nehmen lassen: „Es war alles wahrlich kein Zuckerschlecken, aber es hat sich gelohnt. Früher habe ich jeden Tag an die Krankheit gedacht, heute bin ich auch mental ganz anders drauf. Es geht uns beiden gut und die Niere läuft top.“ In zahlreichen Chatgruppen tauscht er sich seitdem mit Menschen aus, die gesundheitlich ein ähnliches Schicksal teilen: „Mir geht es darum, auch bei Gesunden ein Bewusstsein für das Thema Organspende zu wecken. Für mich war die Lebendspende eine super Sache. Und das Leben mit der neuen Niere ist nicht ansatzweise so schwierig, wie man es mir prophezeit hatte, was Nebenwirkungen von Medikamenten und die Verhaltensregeln betrifft. Wenn es nur einen Leser gibt, der der Sache dadurch lockerer gegenübersteht, wäre schon viel erreicht.“

Vielleicht glätten sich ja die Corona-Wellen doch noch hin bis zur stillen See. Und vielleicht heißt es ja doch bald mal wieder „Nimm uns mit, Kapitän, auf die Reise…