Winterberg/Arnsberg. Ein Mann stirbt in Winterberg-Grönebach. Vom versuchten Totschlag bis zur Überdosis reichen die Möglichkeiten. Hat er sich selbst verletzt?

Kaum merklich nickt der Angeklagte auf die Frage des Richters, ob er seine Rechte verstanden hat. Sein Blick bleibt starr nach unten gerichtet, weitere Regungen zeigt der Körper nicht. Angaben zu seiner Person oder dem Vorfall möchte er nicht machen. Vor der 4. Großen Strafkammer als Schwurgericht am Landgericht Arnsberg begann am heutigen Freitag, 20. Juni, der Prozess gegen einen 48 Jahre alten Mann, dem ein versuchter Totschlag im Dorf Grönebach bei Winterbergvorgeworfen wird. Die Todesursache ist nach einem ersten verlesenen Gutachten nicht ganz geklärt. Klar ist aber: die mutmaßlichen Schnittverletzungen durch den Angeklagten sind nicht der Grund. Der Fall ist verworren und der Angeklagte fiel schon mehrfach wegen Streitigkeiten mit dem 65 Jahre alten Opfer auf.

Grönebach: Rätsel um den Tod eines Mannes durch Chrystal Meth, dem die Kehle durchgeschnitten wurde.
Grönebach: Rätsel um den Tod eines Mannes durch Chrystal Meth, dem die Kehle durchgeschnitten wurde. © Unbekannt | Rita Maurer

Dem Beschuldigten, der derzeit in einem psychiatrischen Krankenhaus in Lippstadt untergebracht ist, wird vorgeworfen, zwischen dem 28. und 30. Dezember 2020 dem Verstorbenen in dessen Wohnung in Winterberg-Grönebach im Zustand der Schuldunfähigkeit und in Tötungsabsicht ein Kissen auf das Gesicht gedrückt und ihm mit einem Messer zwei parallel laufende circa 8,4 Zentimeter breite Schnittwunden im Bereich des Halses zugefügt zu haben. Der untere Schnitt soll lediglich eine leichte Verletzung der Oberhaut verursacht haben. Mit dem oberen Schnitt soll der Beschuldigte seinem Opfer jedoch eine rund drei Zentimeter tiefe, stark blutende Wunde zugefügt haben, heißt es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft.

+++ Lesen Sie auch: Die aus Indien stammende Corona-Mutation breitet sich auch im HSK weiter aus. Gesundheitsamt und Krisenstand prognostizieren die Entwicklung.

Ersticken bleibt eine mögliche Todesursache

Anschließend soll der 48 Jahre alte Beschuldigte in der Überzeugung, „alles Notwendige getan zu haben, um sein Opfer zu töten“ die Wohnung verlassen haben. Laut Gutachten waren an der Leiche allerdings keine Abwehrverletzungen zu erkennen, auch Blut befand sich nicht sichtbar auf dem Boden in unmittelbarer Nähe. Für die Rechtsmedizin steht fest, dass die akute Blutung nicht die Todesursache ist. Auffällig ist, dass sich der Körper wohl in keiner Weise während des Angriffs bewegt hat und auf der Couch rücklings mit Füßen auf den Boden lag. Eine Handlungsunfähigkeit ist denkbar.

Ein Ersticken durch das Kissen auf dem Gesicht des Toten bleibt für die Experten eine Möglichkeit. Der Verdacht ließ sich weder eindeutig bestätigen noch widerlegen. Es zeigte sich allerdings ein stark vergrößertes Herz. Ein Herzinfarkt könnte ebenfalls zum Tode geführt haben.

Ein toxikologisches Gutachten zeigte einen erhöhten Alkoholspiegel im Blut, die Leber wies ebenfalls auf einen regelmäßigen Alkoholkonsum hin. Spuren der Droge Crystal Meth und von Amphetaminen befanden sich ebenfalls im Körper des Opfers. Die Drogen könnten die Handlungsunfähigkeit ausgelöst haben. Und auch den Tod. Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck oder Herzstillstand können die Folgen des Konsums sein.

War es Leichenschändung?

Das Gericht und auch Rechtsanwalt Oliver Brock informierten sich beim Rechtsmediziner auch, ob das 65-Jährige vielleicht schon tot war, als ihm die Schnitte zugefügt wurden. Denkbar wäre es, allerdings wäre in diesem Fall Eile gefragt gewesen, da bei fehlendem Herzschlag und versagendem Kreislauf die Blutzirkulation keine Blutung aus der Wunde zur Folge haben würde. „Nach einem Hirntod kann das Herz noch ein paar Minuten pulsieren und so die Blutung ermöglichen“, sagte der Rechtsmediziner aus Dortmund.

Seiner Einschätzung nach wäre genauso denkbar, dass sich der Verstorbene die Schnitte selbst zugefügt hat. „Ich habe schon Fälle gesehen, wo die Schnitte tiefer und dennoch parallel waren.“ Der Vertreter der Staatsanwaltschaft wies aber darauf hin, dass bis heute nicht der Gegenstand gefunden wurde mit dem die Schnitte zugefügt wurden. Hätte sich das Opfer selbst verletzt, so vermutet der Staatsanwalt, wäre der Gegenstand in der Nähe des Körpers gefunden worden. Vor allem, wenn er durch das Crystal Meth plötzlich Handlungsunfähig wurde.

Drogenkonsum aus ungeklärter Ursache

Wie oft der Verstorbene zu Drogen griff, ließ sich nicht feststellen, da keine Haarproben zur Verfügung gestellt wurden. Unter den Fingernägeln des Toten befanden sich auch DNA-Spuren des Angeklagten. Dieser hat eine einschlägige Drogenvergangenheit und fiel schon unter anderem 2015 in Köln durch Besitz von Cannabis und Ecstasy auf. Nachbarn beschwerten sich später auch über Geruchsbelästigung durch Marihuana.

Mehrere Streitigkeiten zwischen Täter und Opfer

Der Angeklagte und das Opfer wohnten im selben Haus in Grönebach. Immer wieder kam es zu Streitigkeiten. Auch kurz vor der Tat. Der Angeklagte durchschnitt eine Wäscheleine, die von allen Hausbewohnern genutzt wurde und drohte laut Polizeibericht dem Verstorbenen mit einem Beil, weil er sich belästigt fühlte. In der Wohnung des 65-Jährigen wurde außerdem rund zwei Wochen vor dessen Tod eingebrochen und Sachbeschädigung begangen. Der Mieter hatte damals den Angeklagten in Verdacht, der dies bestritt. Allerdings machte er laut Bericht auf die Beamten, die vor Ort eintrafen, einen sehr verwirrten Eindruck und der 48-Jährige wies sich freiwillig in die LWL-Klinik in Marsberg ein. Gegen ärztlichen Rat verließ er diese allerdings nach wenigen Tagen der Entgiftung wieder. Eine akute psychische Störung wurde dort festgestellt ebenso wie eine Verhaltensstörung. Folgen von starkem Drogenmissbrauch, wie es im Bericht heißt.

+++ Lesen Sie auch:Dreieinhalb Stunden dauerte am Mittwochabend ein Polizeieinsatz in Brilon. Ein Mann war auf der Flucht und verschanzte sich auf einem Dach.

Nach der Festnahme wurde er erneut in die LWL-Klinik in Marsberg gebracht. Dort entließ man ihn allerdings wenige Tage später wieder, weil psychotisch nichts feststellbar war. Seit dem 15. Januar befindet sich der Angeklagte hingegen im LWL-Zentrum in Lippstadt, wo eine Schizophrenie und depressives Verhalten festgestellt wurden. Auch dort wollte er bisher weder über seine Person, seine Sucht noch über das Geschehene zur Tatzeit sprechen. Laut einem Bericht war er aber vor einer Woche noch bereit, Angaben vor Gericht zu machen. Die Tat habe er im Wahn begangen, heißt es in dem Schreiben. Doch in der Verhandlung entschied er doch wieder zu schweigen.