Marsberg. Hella und Gregor Sodies teilen sich die Leitung einer katholischen Gemeinde in der Schweiz. Was hierzulande undenkbar wäre: Sie sind verheiratet.
Er ist Theologe und Seelsorger. Sie ist Theologin und Seelsorgerin. Beide sind katholisch. Sie sind verheiratet und teilen sich die Leitung einer katholischen Gemeinde. In der Schweiz. Nicht in Deutschland. Hierzulande wäre das undenkbar. Hella (41) und Gregor (43) Sodies leiten gemeinsam die Pfarrei Greifensee im Zürcher Oberland. Hella Sodies ist in Marsberg aufgewachsen. Sodies ist ihr Familienname. Gregor heißt so seit der Hochzeit in 2005. Kurz darauf wanderten sie in die Schweiz aus. Die katholische Pfarrei Greifensee ist für das Theologen-Ehepaar ein wahrer Glücksfall, sagen sie im Gespräch mit der WP. „Miteinander können wir Leben aus dem Glauben heraus gestalten. Das gibt mir ganz viel Freude, Erfüllung und Dankbarkeit“, so Hella Sodies.
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Hella und Gregor Sodies sind für ein Familienwochenende in Marsberg. Bei ihrer Mutter. Ihre drei Geschwister mit Familien werden auch noch erwartet. Der Vater ist vor zwei Monaten verstorben. Deshalb war Hella Sodies in den vergangenen Jahren oft zu Hause, um ihre Eltern zu unterstützen und zu begleiten. So weit es ihre Zeit zuließ.
Hella und Gregor Sodies sitzen auf der sonnigen Terrasse des Elternhauses. Auf dem Tisch liegt ihr vor kurzem erschienenes Buch mit dem Titel: „Wir haben einfach gemacht!“. Sie hat es gemeinsam geschrieben mit Manfred Belok. Untertitel: „Aggiornamento in Greifensee - Eine nachkonziliare Pfarrei erfindet sich.“
Herausgeberin und Hauptautorin
Manfred Belok (70) ist Doktor der Theologie und Diplom-Pädagoge. Der kürzlich emeritierte Professor für Pastoral-Theologie an der Theologischen Hochschule Chur (THC) und ehemalige Leiter des Pastoralinstituts der THC hat für dieses Buch zwei Teile verfasst. Hella Sodies ist zusammen mit einer Freiwilligen aus der Pfarrei Herausgeberin und die Hauptautorin des umfangreichsten Teils des Buches.
In dem Buch geht es um die kleine katholische Pfarrei XXIII Greifensee-Nönikon-Werrikon. Die Pfarrei, in der das Ehepaar Sodies seit 2014 als Pfarreileiter und -leiterin arbeitet und lebt. Beschrieben wird die Gründung der Pfarrei von Laien Anfang der 1970er Jahre in einem evangelischen Umfeld. „Die ersten fünf Jahre hatte die Pfarrei gar keinen eigenen Pfarrer“, erzählt Hella Sodies.
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Auf dem Buchrücken ist zu lesen, dass das rasante Bevölkerungswachstum in dem ursprünglich kleinen reformierten Dorf Menschen aus allen Kantonen und aus dem Ausland mit unterschiedlichsten katholischen Prägungen zusammenbrachte. Zeitgleich wehte der Wind des II. Vatikanums mit der Synode 72 durch die Schweiz. Hella Sodies: „Diese Voraussetzungen begünstigten eine Pfarreientwicklung, die von einem hohen Maße an Eigenverantwortung der Laien und weitestgehenden Verzicht auf hierarchische Strukturen geprägt ist – bis heute.“
Eine aus der Pfarrei erwachsene Projektgruppe hat in zahlreichen Gesprächen mit der Gründergeneration die Aufbruchstimmung und weitere Pfarreigeschichten festgehalten. Nachzulesen im von Hella Sodies verfassten Pfarreiteil des Buches. Der Pastoraltheologe Manfred Belok ordnet das Geschehen zeitgeschichtlich ein und zeigt ermutigende Anstöße für Kirchenaufbrüche in der Gegenwart und Zukunft auf. Ermutigende Anstöße für Kirchenaufbrüche, die wünschen sich die gläubigen Menschen, besonders auch in Deutschland. Stichwort: Machtmissbrauch, Diskriminierung, Geschlechtergerechtigkeit und Missbrauch.
Rolle der Frau in der Kirche
Geschlechtergerechtigkeit und die Rolle der Frauen in der Kirche treibt Hella Sodies seit jeher um. Deshalb ging sie schon vor 17 Jahren mit ihrem Mann in die Schweiz. In der Schweiz kann sie mehr von dem tun, wozu sie sich berufen fühlt: Seelsorgerin sein, Leitungsverantwortung übernehmen. Aber auch hier mit Einschränkungen. Sie teilt sich mit ihrem Mann die Gemeindeleitung und zusätzlich eine 50-Prozent-Stelle als Seelsorger. Beide arbeiten also zu 75 Prozent.
Personalführung für die anderen Mitarbeitenden
Ihre Aufgabenbereiche haben sie aufgeteilt. Er ist beispielsweise für die Katechese und die damit betrauten Mitarbeitenden zuständig. Sie hat die Personalführung für die anderen Mitarbeitenden und ist unter anderem zuständig für die Bereiche Spiritualität und Erwachsenenbildung. Gregor arbeitet zusätzlich als Notfallseelsorger.
Hella Sodies ist auch geistliche Begleiterin und Kontemplationslehrerin. Beide übernehmen zahlreiche liturgische und seelsorgliche Aufgaben. An drei Sonntagen im Monat kommt ein Priester in ihre Gemeinde und steht der Eucharistie vor. Vorbereitet werden die Gottesdienste in der Regel vom Ehepaar Sodies, die auch das Evangelium verkündigen und die Predigt halten. Sie gestalten auch Taufen und Beerdigungen.
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Dass Frauen in der Kirche nicht gleichberechtigt sind, damit hadert Hella Sodies. Sie hat ein Theologiestudium absolviert. Priesterinnen aber gibt es nicht in der katholischen Kirche. Gregor Sodies hat ebenfalls Theologie studiert. Hat sich aber bewusst dazu entschlossen, sich nicht zum Priester weihen zu lassen. Weil er nicht das Zölibat leben will. Er ist zufrieden mit seinem eigenen kirchlichen Status. An der fehlenden Gleichberechtigung leidet er aber genauso, wie er sagt.
Sie arbeiten daran, dass zu ändern. Beide engagieren sich in kirchenpolitischen Reformbewegungen. Und sie feiern gemeinsam mit anderen Menschen, die sich von den traditionellen Messfeiern nicht angesprochen fühlen, regelmäßig an verschiedenen Orten des Kantons Zürich in neuen und freien Formen Gottesdienste.