Brilon. Homeschooling, Distanzunterricht, Unterrichtsausfall: Die Pandemie macht vielen Schülern zu schaffen. Das sagt ein Nachhilfe-Experte aus Brilon.
Nach den Halbjahreszeugnissen steigt die Nachfrage nach Nachhilfe immer an. Doch zurzeit ist der Bedarf „überproportional“ hoch. Das berichtet Elmar Sommer, Inhaber der Schüler Nachhilfe in Brilon. Im WP-Interview erzählt er, warum und wo es im Moment besonders hakt.
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Nachfrage zurzeit sehr hoch
WP: Wie hat sich die Nachfrage nach Nachhilfe in der Corona-Pandemie entwickelt?
Elmar Sommer: Auch wir waren anfangs als außerschulische Bildungseinrichtung von den Schulschließungen betroffen. Während dieser Zeit haben wir - wie alle anderen auch - Online-Unterricht angeboten. Ein paar Wochen später konnten die Institute aber unter Auflagen wieder öffnen. Resümierend kann man festhalten, dass während dieser Zeit als die Schulen geschlossen hatten bzw. dort Distanzunterricht oder Wechselunterricht vorherrschte, sich der Lernfortschritt deutlich verlangsamt hat. Tests und Klassenarbeiten wurden verschoben oder fanden nicht statt, zu vermittelnde Inhalte wurden teils deutlich reduziert. Dadurch fiel für die meisten Schüler der Nachhilfegrund weg. Dieser atypische Nachfrageverlauf fing bei uns im August 2020 an und dauerte ziemlich genau ein Jahr bis zu den Sommerferien 2021. Seitdem hat die Nachfrage nach Nachhilfe wieder deutlich zugenommen. Viele Eltern und Schüler ahnten da bereits, dass die coronabedingten Lücken einfach sehr groß waren und dass es Zeit wurde und auch Zeit kosten würde, diese aufzuholen. Zurzeit ist die Nachfrage nach Nachhilfe-Unterricht überproportional hoch - höher als sonst nach den Halbjahreszeugnissen. Jetzt merken alle, dass es keine Schulschließungen gibt, Klausuren ganz normal stattfinden und, dass es dringend Zeit wird, die manchmal recht großen Lücken aufzuholen.
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Besonders nachgefragt: Mathe
Apropos Lücken: Haben Kinder durch die Pandemie besondere Defizite in Folge von Distanzunterricht/Homeschooling/zusätzlichem Unterrichtsausfall?
Unserer Erfahrung nach hat es oftmals eine Stagnation des Lernfortschritts gegeben. In allen Hauptfächern haben sich coronabedingte Lücken ergeben. Aber allen voran scheint das Fach Mathematik am meisten unter der Situation gelitten zu haben. Nahezu 60 Prozent der neuen Schüler und Schülerinnen seit August letzten Jahres kommen für das Fach Mathematik. Das heißt: 40 Prozent verteilen sich auf alle anderen Fächer. Die Ursachen sind uns noch nicht so ganz klar, aber, Mathematik ist ein erklärungsbedürftiges Fach und sicherlich stark vom persönlichen Kontakt abhängig. Möglicherweise ist dieses Fach für den Online-Unterricht nicht gut geeignet.
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Hat sich das Verhalten der Kinder verändert?
Abgesehen vom Online-Unterricht haben sich die Kinder sehr schnell und gut an die jeweils neuen Situationen angepasst. Gerade die Umstände des Hygienekonzepts verlangen natürlich ein geändertes Verhalten, wurden aber problemlos angenommen. Inhaltlich stellten wir bei vielen Schülern und Schülerinnen aber auch eine Verunsicherung fest – vielen fehlte es einfach an Lernstruktur.
Schulen versuchen wieder normales Lerntempo zu erreichen
Schaffen Schulen es, die Schüler trotzdem gut auf anstehende Prüfungen und Klassenarbeiten vorzubereiten?
Man kann da niemandem einen Vorwurf machen. Es war für uns alle eine noch nie da gewesene Situation. Wir alle wurden gewissermaßen ins kalte Wasser geworfen und man konnte noch nicht mal Prognosen für die nächsten drei Schulwochen abgeben. Vor diesem Hintergrund haben viele Schulen und Lehrer aber versucht, die Schüler so gut die Umstände es zuließen vorzubereiten. Die meisten haben – umständehalber – ihr Bestes gegeben. Und im Moment, so stellen wir es fest, versuchen die Schulen richtigerweise wieder an das normale Lerntempo zu kommen.
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Was können Eltern tun, damit die Kinder gut durch diese schwierige Zeit kommen?
Das lässt sich so pauschal gar nicht sagen. Manche Schüler haben coronabedingte Lücken, manche hatten schon vorher Defizite, die sich in den letzten Monaten noch verstärkt haben. Hier lohnt es sich genauer hinzusehen und zu überlegen, wo genau man ansetzt. Da wird sicherlich ein Gespräch mit dem Fachlehrer hilfreich sein. Ansonsten empfehlen wir, den Kindern zu helfen, einfach wieder in eine normale Lernstruktur zu kommen.
Wunsch an die Politik: Weniger Bürokratie
Was wünschen Sie sich von Politik, Schulleitungen und Lehrern?
Die Nachhilfeinstitute leisten generell aber auch gerade in der jetzigen schweren Zeit einen wertvollen Beitrag zum schulischen Erfolg. Wir in Brilon hatten bisher immer eine vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit mit den ortsansässigen Schulen. Aber ich weiß aus anderen Städten, dass das nicht immer so ist. Insofern wünsche ich mir, dass die institutionelle Nachhilfe als wichtige und wertvolle Ergänzung zu den Schulen gesehen wird. Von der Schulpolitik wünsche ich mir durchaus weniger Bürokratie. Ein aktuelles Beispiel ist die sogenannte „Nachhilfe-Milliarde“, die - ich glaube es war im März letzten Jahres – zur Kompensation der Lernrückstände für das neue Schuljahr angekündigt wurde. Herausgekommen sind nun zum zweiten Halbjahr Bildungsgutscheine, die sowohl bei der Akkreditierung der Institute, der Verteilung durch die Schulen und sicherlich auch bei der Abrechnung durch den Schulträger nur mit immensem Aufwand bewältigt werden können. Ich hätte es gut gefunden, wenn es zu einer befristeten steuerlichen Absetzbarkeit institutioneller Nachhilfe gekommen wäre, zumal die jetzigen Gutscheine mit zehn Terminen nicht unserem eigentlichen Nachhilfekonzept entsprechen. Zehn Lerneinheiten, das sind bei uns ein normaler Ferienkurs.
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