Brilon/Münster. Das OVG Münster hält das Briloner Redezeitverfahren für kommunalpolitisch so relevant, dass es in seinem Jahresgespräch eigens darauf hinwies.
Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) wird sich voraussichtlich im zweiten Quartal diesen Jahres mit dem Briloner Redezeit-Verfahren befassen. Das kam jetzt im Rahmen der Jahrespressekonferenz in Münster zur Sprache.
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Wie berichtet, hatten die fünf in der vergangenen Wahlperiode für BBL, FDP und Die Linke im Rat tätigen Stadtvertreter gegen die von CDU und SPD durchgesetzte Beschränkung der Redezeit auf zwei jeweils bis maximal fünf Minuten lange Redebeiträge in Rats- und Ausschusssitzungen geklagt. Vorher waren drei Beiträge von bis zu zehn Minuten möglich.
Anlass der Geschäftsordnungsänderung: Einzelne Stadtvertreter, vor allem der damalige BBL-Ratsherr Reinhard Loos, hätten durch ständiges Hinterfragen und mit Ermüdungsreden die Sitzungen unnötigerweise in die Länge gezogen.
Ex-BBLer überhaupt noch klageberechtigt?
Die Kläger sehen sich durch diese Beschränkung des Rederechts in ihren Mitgliedschaftsrechten als Ratsmitglieder verletzt und wollen dies gerichtlich feststellen lassen. Das Verwaltungsgericht Arnsberg hat, wie berichtet, den Klägern bezüglich der Redezeitbeschränkung in den Ausschüssen stattgegeben, sie für den Rat allerdings abgewiesen: Die Beschränkung für Ratssitzungen sei angemessen, in den Fachausschüssen dagegen müsse mehr Zeit zur Meinungsbildung, zum Austausch von Argumenten und zur Beschlussvorbereitung durch den Rat gewährt werden. Das sei mit zwei Redebeiträge von jeweils fünf Minuten Dauer pro Ratsmitglied nicht sachgerecht möglich.
So sieht es bei den anderen aus
In Winterberg ist die Redezeit auf zweimal drei Minuten beschränkt, in Hallenberg auf dreimal drei Minuten.In Marsberg, Medebach und Olsberg darf ein Ratsmitglied dreimal bis zu jeweils zehn Minuten zu einem Thema sprechen
Mit ihren jeweils vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufungen wenden sich sowohl die Kläger und als auch der beklagte Rat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, soweit sie dort unterlegen sind.
Die Stadt steht zum einen auf dem Standpunkt, dass die beiden mit der Kommunalwahl aus dem Rat ausgeschiedenen BBL-Ratsmitglieder Reinhard Loos und Christiana Kretzschmar gar nicht mehr klageberechtigt seien, da sie sich ausdrücklich „in ihren Mitgliedschaftsrechten als Ratsmitglied“ verletzt sehen. Eine derartige Verletzung bestehe jetzt ja nicht mehr, deshalb sei auch eine entsprechende gerichtliche Feststellung nicht mehr möglich.
„Nachschärfen“ nicht erforderlich
Außerdem weist die von der Stadt eingeschaltete Kanzlei Brandi (Paderborn) darauf hin, dass das OVG in seiner Rechtsprechung die Begrenzung der Redezeit zwecks Sicherung der Effektivität und Funktionsfähigkeit eines Gremiums bereits anerkennt, auch wenn es einen Präzedenzfall bisher nicht gebe; ein Nachschärfen jedenfalls sei nicht erforderlich.
Dass das Verwaltungsgericht Arnsberg für die Ausschüsse drei Wortmeldungen pro Mitglied als angemessen ansieht, hält die Stadt für eine „deutliche Überzeichnung der Vorbereitungstätigkeit“ eines Ausschusses.
„Einzelumstände“ nicht hinreichend betrachtet
Das Kläger-Quintett seinerseits moniert an dem erstinstanzlichen Urteil, dass sich das Verwaltungsgericht „nicht in der gebotenen Weise mit den konkreten Einzelfallumständen und den konkreten Gründen für die Sitzungsdauer in der Vergangenheit“ auseinandergesetzt habe. So habe es mehrere überdurchschnittlich lange Sitzungen gegeben, deren Dauer „maßgeblich den Sachthemen selbst und deren Komplexität bzw. Kontroversität geschuldet“ gewesen seien. Zudem hätten Beratungspausen und Fachvorträge Zeit in Anspruch genommen. Das Rederecht in der Absicht zu beschränken, diese Zeit auszugleichen, sei mit der Funktion des Rederechts „ersichtlich nicht vereinbar“.
Kompromiss nicht möglich
Mit dem bereits in der Verhandlung in Arnsberg vorgetragenen Kompromissvorschlag, es im Rat bei den beiden, maximal fünf Minuten langen Wortbeiträgen zu belassen, in den Ausschüssen jedoch drei Wortmeldungen von bis zu sieben Minuten zuzulassen, konnten sich zwar die fünf Kläger anfreunden. Allerdings hätten sie, so die Forderung der CDU, zunächst die Klage formell zurückziehen sollen. Darauf wollten sie sich jedoch nicht einlassen.
Aktenzeichen:15 A 46/20 (I. Instanz: VG Arnsberg 12 K 7751/17)