Siedlinghausen/Hallenberg/Medebach. Die Flüchtlingswelle rollt an. Die Städte sind vorbereitet. Was im Willkommenszentrum in Siedlinghausen passiert:
Die ehemalige Verbundschule in Siedlinghausen hat sich durch viele helfende Hände am Wochenende in ein Willkommenszentrum für ukrainische Flüchtlinge verwandelt. Wie in Siedlinghausen ist die Hilfsbereitschaft momentan in allen Orten der Stadtgebiete Hallenberg, Medebach und Winterberg riesengroß. Wie viele Flüchtende offiziell an die Städte verwiesen werden, sei momentan noch nicht klar, war aus allen drei Rathäuser zu hören.
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Telefondrähte laufen heiß
Die bisher eingetroffenen Menschen sind durch private Kontakte ins Hochsauerland gekommen und sind auch vorerst privat untergebracht worden. Am Montag hat eine Videokonferenz aller Bürgermeister mit dem Regierungspräsidenten Hans-Josef Vogel stattgefunden, in der Rahmenbedingungen für die Kommunen festgelegt wurden und auch von Seiten der Bezirksregierung Unterstützung zugesagt wurde.
Schon seit dem ersten Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine laufen in allen Städten die Telefondrähte heiß. „Wir sind mit der Erfahrung der letzten Jahre bereits krisenerprobt“, beschreibt Medebachs Bürgermeister Thomas Grosche die Situation. In den Räumen der Verbundschule in Siedlinghausen wurden am vergangenen Wochenende von vielen freiwilligen Helfern unzählige Spendenkartons ausgepackt und der Inhalt wurde neu sortiert. Die Klassenräume im Untergeschoss sind mit Feld- und Kinderbetten ausgestattet worden. Hier ist ein Willkommenszentrum entstanden, in dem die Flüchtlinge eine erste Unterkunft finden können, wenn sie nicht über private Kontakte verfügen.
Wohnungen im gesamten Stadtgebiet
Momentan laufen dort noch Arbeiten wie die Einrichtung einer Außenstelle des Sozialamtes, so dass Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz schnell und unbürokratisch ausgezahlt werden können. Außerdem werden derzeit Freifunk-Verbindungen und Teststrukturen aufgebaut, wie Rabea Kappen als Pressesprecherin der Stadt Winterberg mitteilt. Gemeinsam mit ehrenamtlichen Helfern ist eine Erstversorgung von Lebensmitteln und Hygiene-Artikeln sichergestellt worden, die ärztliche Betreuung wird mit den Hausärzten im Stadtgebiet geklärt. In der Nacht zum Mittwoch kommen Flüchtlinge an, die zunächst in Züschen zentral untergebracht und mit allen nötigen Dingen und Hilfeleistungen versorgt werden. Es stehen Wohnungen im gesamten Stadtgebiet zur Verfügung, in denen die Menschen anschließend untergebracht werden können.
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Einsatzstäbe gebildet
Auch in Medebach und Hallenberg sind Einsatzstäbe aus hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern gebildet worden, die sich mit Hochdruck um die Vorbereitungen kümmern. Man merkt Thomas Grosche an, wie sehr ihn das Schicksal der Ukrainer persönlich bewegt, aber auch die immense Hilfsbereitschaft. In der Hansestadt ist ein Netz aus Verwaltung, Kolping, Kirchengemeinden und Privatleuten aktiv, das bereits Erfahrung in der Flüchtlingsarbeit hat. Zurzeit stehen 30 Zimmer und Wohnungen bereit, in denen bis zu 100 Personen untergebracht werden könnten. Weiter wurden die örtlichen Vereine kontaktiert, um abzuklären, inwiefern Kapazitäten in Schützenhallen, Pensionen o.ä. aktiviert werden können.
Besonderes Engagement
Bei aller Betroffenheit und Sorge über die aktuelle Situation in Osteuropa ist die tatkräftige Unterstützung aus der Bevölkerung ein großer Lichtblick.Drei Beispiele von vielen: Beim Krankenhaus Winterberg sind bereits 34.000 Euro (Stand Dienstag) an Spenden für medizinische Produkte eingegangen. Die Oldtimerfreunde aus Hallenberg haben am Sonntagnachmittag bei einer Kuchenaktion fast 5.500 Euro eingenommen. Einen ganz besonderen Einsatz zeigten am Samstag die vier Kommunionkinder aus Medelon: Sie stellten mit ihren Eltern ein spontanes Waffelbacken auf die Beine und konnten dadurch 1.650 Euro für die Ukraine-Hilfe sammeln.
Der Sportverein Titmaringhausen hat z.B. signalisiert, dass für 10 bis 12 Personen Platz im dortigen Sportheim wäre. Bis Dienstagnachmittag sind 28 Ukrainer – größtenteils Frauen mit Kindern - im Stadtgebiet angekommen, die bei Bekannten Unterschlupf gefunden haben. Am Samstag ist ein Lastwagen mit Hilfsgütern in Medebach gestartet (wir berichteten) und inzwischen gut angekommen, wie Rückmeldungen bestätigen. Bürgermeister Enrico Eppner aus Hallenberg berichtet, dass der Stadt bereits mehrere Wohnungen gemeldet worden sind, die bereits geprüft sind und kurzfristig belegt werden könnten.
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Weitere Unterkünfte können gern angeboten werden. Sollten die vorhandenen Kapazitäten ausgereizt sein, gibt es Überlegungen, vorübergehend städtische Gebäude wie den Kump, die Gemeindehäuser oder die Stadthalle mit in die Unterbringung einzubeziehen. Die heimischen Hotels haben Hilfe zugesagt und auch signalisiert, dass sie Tag und Nacht bereitstünden, um Ankommende bei Bedarf zu bekochen. Die Stadt hat zum 1. März eine neue Stelle als „Flüchtlingskümmerer“ eingerichtet, die die Organisation nun unterstützt und Kontakte herstellt. Zu den bestehenden Helferstrukturen haben sich in allen drei Städten zusätzlich Bürger und Bürgerinnen gemeldet, die gebürtig aus der Ukraine oder Russland stammen und ihre Hilfe beim Dolmetschen angeboten haben. Die drei Bürgermeister sehen ihre Städte damit für den erwarteten Zustrom an geflüchteten Menschen gerüstet. Ausdrücklich richten alle ein großes Lob an ihre Verwaltungsmitarbeiter und vor allem die vielen Freiwilligen für ihren Einsatz, ihre Kreativität und ihre Spendenbereitschaft. Enrico Eppner bringt es auf den Punkt: „Chapeau an alle unsere Bürgerinnen und Bürger, dass in so kurzer Zeit alles so reibungslos läuft und man sich in Notsituationen immer auf sie verlassen kann.“