Hochsauerland/Brilon/Paderborn. Eine Brilonerin soll ins Gefängnis. Sie gehört der HSK-Querdenkerszene an. Wieso sie freiwillig eine Haftstrafe in Kauf nimmt.
Dreimal soll sie keine Maske getragen haben, obwohl die Corona-Schutzverordnung das Tragen einer Maske vorgeschrieben hat. Das Bußgeld, das sie dafür bezahlen soll, will sie nicht zahlen. Jetzt soll eine Brilonerin, die sich in der Querdenker-Szene hervorgetan und auch an den „Montags-Demonstrationen“ vor dem Briloner Rathaus teilgenommen hat, für sechs Tage ins Gefängnis. Am Tag der Verhandlung vor dem Amtsgericht Paderborn kommt es zu einer Demonstration von Querdenkern und Corona-Leugnern, auf der auch die Brilonerin das Wort ergreift: „Ich kann nicht zahlen, ich werde nicht zahlen. Ihr werdet auf den Kosten sitzen bleiben, das schwöre ich euch“, schreit sie.
Querdenker-Szene in Brilon: Telegram-Gruppe hetzt gegen Corona-Regeln
Ihre Geschichte ist eine lange Geschichte. Eine Laute Geschichte voller Hetze, Demonstrationen und Propaganda. Sie beginnt, als die ersten Versammlungen gegen die Corona-Regeln der Bundesregierung vor dem Rathaus in Brilon stattfinden. Die Brilonerin ist oft mit dabei, das sagt sie selbst. Das sagen die Demonstranten und Gleichgesinnten über sie. Vor der Rathaustreppe stehen die Querdenker und Corona-Leugner jeden Montag, spielen laut Musik und demonstrieren gegen die Corona-Regeln, wie das Maskentragen oder die Corona-Impfungen. Dabei hatte sie sich noch 2019 bei ihrem damaligen Arbeitgeber für Polio-Impfungen eingesetzt.
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Nicht nur auf dem Marktplatz wehrt sich die Brilonerin gegen die Infektionsschutzregeln. Auf ihrer Facebook-Seite teilt sie mitunter täglich Inhalte, die sich gegen die Corona-Maßnahmen wenden – in hetzerischem Ton, Unwahrheiten wie sie in der Querdenker-Szene via Telegram und Co. weiterverbreitet werden. Oft nutzt sie dubiose Quellen und Verschwörungstheorien. Zur Pflege-Impfpflicht teilt sie einen Aufruf an die Pflegekräfte, die Arbeit niederzulegen. „Es ist soweit der Krieg beginnt!!!!“, schreibt sie dazu. Ihr Ton wird sogar rau und beleidigend. Sie leugnet das Corona-Virus, nennt die Briloner Politiker „gehirnlos und abartig“. Droht dem „abartigen Volk“, dass sie irgendwann im Dunkeln sitzen würden. „Seid dabei und geht mit uns Spazieren. Zeigt den Politikern die Rote Linie“, ruft sie zu den unangemeldeten Demonstrationen in den verschiedensten Städten auf. Oft teilt sie Bilder von sich selbst auf den Demonstrationen. In Hamm oder Köln. Dann trägt sie eine grüne Weste, Aufschrift: „Freie Presse Sauerland“.
Selbst ernannte „Freie Presse Sauerland“, dort ist die Brilonerin lange Mitglied
Die selbst ernannte „Freie Presse Sauerland“ ist unter anderem auf Telegram zu finden. Dort werden Verschwörungstheorien geteilt. Querdenker und Corona-Leugner tauschen sich hier aus, hetzten sich gegenseitig auf. Teilen falsche Nachrichten, Unwahrheiten oder Aufrufe zu Demonstrationen, die in vielen Fällen rechtswidrig, weil nicht angemeldet sind. Seit Kriegsbeginn in der Ukraine wird dort vermehrt Pro-Putin-Propaganda geteilt und der russische Angriffskrieg wird vehement verteidigt.
Am 6. August vergangenen Jahres steht die Brilonerin zum ersten Mal vor Gericht. Dreimal hat sie das Tragen einer Maske verweigert. Sie habe ein Attest vorgelegt, das behauptet die Brilonerin auf dem Telegram-Kanal „Freie Presse Sauerland“. Das Gericht hat allerdings Zweifel an der Gültigkeit. Es verurteilt sie zu einer Geldstrafe von je 50 Euro pro Vorfall, insgesamt also 150 Euro. Bis heute hat die Frau das Geld nicht bezahlt. Am vergangenen Montag muss sie vor das Amtsgericht Paderborn. Ein Sprecher des Gerichts bestätigt das auf Anfrage der Westfalenpost. „Die Brilonerin muss eine Geldstrafe von 150 Euro bezahlen wegen Nichttragens einer Alltagsmaske. Sie hat freiwillig nicht das Bußgeld bezahlt. Für je 50 Euro Geldstrafe soll die Brilonerin also nun zwei Tage in Erzwingungshaft.“
Erzwingungshaft als letzte Möglichkeit, Bußgeld einzutreiben
Weigern sich Personen, ein Bußgeld zu bezahlen, kann als letzte Möglichkeit die sogenannte Erzwingungshaft angeordnet werden. Die Dauer der Erzwingungshaft richtet sich maßgeblich nach der Höhe des fälligen Bußgeldes. Sobald der Betroffene das Bußgeld bezahlt, wird er aus der Haft entlassen. Wurde die Erzwingungshaft angetreten, entbindet dies allerdings nicht von der Zahlungspflicht des Bußgeldes. „Die Brilonerin kann die Haft jederzeit abwenden, sofern sie das Bußgeld bezahlt“, betont der Gerichtssprecher.
Schon vor dem Termin am Amtsgericht rufen die Mitglieder der Querdenker-Szene lautstark und wütend zur Unterstützung der Brilonerin auf – via Telegram mit schrillen Plakaten und polarisierenden Sätzen. Am Verhandlungstag versammelt sich eine Demonstration vor dem Gerichtsgebäude, festgehalten via Video und abrufbar auf Youtube. Zu sehen sind zweieinhalb Stunden Demonstrationsreden. Mitglieder der Szene sind aus Hamm, Lippstadt, Kassel und Bielefeld angereist. Schilder werden hochgehalten. „Lasst meine Freundin frei“, steht da in Schnörkelschrift. „Schluss mit der Willkür“. Gegen 18.30 Uhr an diesem Demonstrationsabend kommt die Brilonerin nach vorn. Schätzungsweise um die 50 Menschen hören ihr zu. Trommeln und Pfiffe begrüßen sie, die Kamera schwenkt über den Platz. Ein Sprecher lobt ihre „Geradlinigkeit und den Mut dieser Frau. Wir waren fast jeden Montag gemeinsam Schulter an Schulter unterwegs.“ Er spricht von Opfer der Corona-Justiz.
Brilonerin bedankt sich für die Unterstützung und hetzt die Demonstranten auf
Die Brilonerin bedankt sich auf dem Video für die Unterstützung. Sie betont, dass sie nicht zahlen werde. Dass sie ein Attest habe. Dass die Polizei lüge. Die Demonstranten rufen laut „Widerstand, Widerstand, Widerstand.“ „Wenn wir weitermachen und jedes Bußgeld zahlen, dann haben sie uns in der Hand. Ich bekomme Arbeitslosenhilfe, wie soll ich das bezahlen? Die wollen uns zu Märtyrern machen“, sagt sie. Dann hebt sie die Faust, ihr Gesicht verzerrt sich. „Viele haben Angst vor der Justiz und der Bullerei. Ich lasse mich nicht unterkriegen. Wir werden weiter für die Freiheit kämpfen.“ Auch sie brüllt, „Widerstand“.
Ob die Brilonerin die Erzwingungshaft antritt oder das Bußgeld doch noch bezahlt, zum jetzigen Zeitpunkt unklar. Die Westfalenpost hat mit Kontakt aufgenommen und sie um Stellungnahme gebeten. Diese hat sie abgelehnt, mit der Presse will sie nicht sprechen.