Paderborn/HSK. 600.000 Passagiere – so viele verlor der Flughafen Paderborn 2020 wegen Corona und der Insolvenz. Trotz allem bleibt er ein Ort der Begegnungen.
Es ist eine von diesen berühmten Film-Szenen: „Tatsächlich Liebe“, einer der beliebtesten Weihnachtsfilme aus Großbritannien, beginnt und endet mit Szenen aus der Ankunftshalle des Flughafens London-Heathrow. Menschen umarmen sich, mehr wird nicht gezeigt während Hugh Grant im Hintergrund sagt, dass Liebe überall sei. Es sind Begegnungen, besondere. Ein Flughafen bringt Menschen zusammen. Lässt sie sich nach einem Urlaub wiederbegegnen. Lässt sie die Familie wiedersehen, die sie vielleicht nur einmal im Jahr besuchen. Lässt Geschäftsreisende alte Kumpel treffen oder Liebende auf ihre Hochzeitsreisen gehen. Doch die Corona-Pandemie hat diesen Ort der Begegnung – für den HSK so wichtig als der Flughafen in der Nähe – still werden lassen. Keine Flüge via Flughafen Paderborn-Lippstadt. Lockdown. Jetzt, über ein Jahr später, finden wieder Begegnungen statt – doch vermisst werden sie immer noch.
Flughafen in Paderborn: Ein einfaches Jahr sollte 2020 sein – dann kam Corona
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2019 betraten rund 693.500 Passagiere den Paderborn-Lippstadt Airport. 5,8 Prozent weniger als noch ein Jahr davor. Die Airline-Insolvenzen verhinderten ein besseres Ergebnis. „2020 wird voraussichtlich kein einfaches Jahr für den Luftverkehr in Deutschland. Dennoch werden wir erneut ein attraktives Flugprogramm am Heimathafen anbieten, um weiterhin die Anbindung an wichtige Ziele und den weltweiten Flugverkehr zu ermöglichen“, verspricht Dr. Marc Cezanne, damaliger Geschäftsführer, in einer Pressemitteilung vom 9. Januar 2020. Am 27. desselben Monats wird der erste Deutsche positiv auf Corona getestet.
2. Oktober 2021: Erster Tag der Herbstferien in NRW. Um 18.45 Uhr geht ein Flug nach Rhodos. Auf dem Platz vor dem Eingang parkt gegen Mittag kaum ein Auto. Die Teststelle ist geschlossen. Eine weiße Zeltplane raschelt im Wind. Die Eingangshalle ist leer. Ein Spielzeug-Hubschrauber blinkt leise. Die Restaurants sind geschlossen, dunkel. Keine Fluggäste sind hier. Niemand wartet auf jemanden, niemand kommt. Keine Begegnungen. Stille.
Lockdown-Stimmung am Flughafen in Paderborn – Herbstferien beginnen ruhig
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Es wirkt fast ausgestorben, an diesem ersten Herbstferientag. Ein bisschen Lockdown-Stimmung. Wie damals, im ersten Lockdown. 2020: Die British Airways streicht Anfang März für den Zeitraum vom 17. bis 28. März wegen der verminderten Nachfrage Hunderte Hin- und Rückflüge in die USA sowie nach Deutschland, Italien, Frankreich, Österreich, Irland und in die Schweiz. Zahlreiche Airlines folgen. Leere Flugzeuge, medizinisch vermummte Passagiere. Umarmungen? 1,5 Meter Abstand. Viele Menschen können ihre Familien nicht mehr besuchen. Auch im Flughafen Paderborn-Lippstadt finden kaum noch Begegnungen statt.
„Im Jahr 2020 hatten wir rund 92.000 Fluggäste, was vor allem auf die Vor-Corona-Monate und das laufende Insolvenzverfahren zurückzuführen war“, sagt Matthias Hack, Pressesprecher des Flughafens. Das sind mehr als 600.000 Passagiere weniger als noch 2019. „Im Jahr 2021 gehen wir aktuell von mehr als 100.000 Passagieren aus. Dieser Wert zeigt, dass sich unser Flughafen wieder auf einem sehr guten Kurs befindet. Die Vorausschau für 2022 lässt aus heutiger Sicht eine weitere Steigerung erkennen“, freut sich Matthias Hack.
Insolvenzverfahren des Flughafens Paderborn zwingt zur Verkleinerung
Es ist nicht nur Corona. Das Insolvenzverfahren zwingt den Flughafen in Paderborn dazu, sich zu verkleinern. Die Flughafen Paderborn/Lippstadt GmbH ist zahlungsfähig, als das Verfahren der Insolvenz in Eigenverwaltung beginnt. Das Unternehmen hat Möglichkeiten der Sanierung genutzt, solange dafür noch genügend Zeit gewesen ist und noch ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestanden haben. Zur Rettung des Flughafens wird unter anderem die Belegschaft von 170 auf rund 65 Beschäftigte reduziert. Im April 2021 ist der Flughafen schuldenfrei – trotz Pandemie. Die Gläubigerversammlung, die den Insolvenzplan am 29. Januar einstimmig angenommen hat, sei froh, dass es mit dem Regionalflughafen weiter geht.
Schon bald wird wieder Mallorca angeflogen, die Corona-Maßnahmen lassen mehr Urlaube zu. Und mehr Begegnungen. Noch vor Beginn der Sommerferien kündigt der Flughafen an, dass sieben Reisebüros jeden Tag öffnen werden. Sieben Tage die Woche, auch am Wochenende. 35.000 Passagiere werden sich über sechs Wochen in den Sommerferien hier und dort am Flughafen begegnen. „Trotz einiger Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie zeigten sich die Menschen aus Ostwestfalen-Lippe, Südwestfalen und den angrenzenden Regionen in freudiger Reiselaune. Die Abwicklung der insgesamt 300 startenden und landenden Urlaubsflüge verlief auch aufgrund längerer Check-In-Zeiten reibungslos, so dass es zu keinen längeren Wartezeiten kam“, heißt es noch im Sommer.
17.200 Urlauber betreten in den Herbstferien den Flughafen in Paderborn
Wieder zurück zum 2. Oktober 2021. Herbstferien. Die Check-Ins sind geschlossen. Mittags geht kein Flug. Ein Pärchen schlendert von einem Reisebüro zum anderen, studiert die Schaufenster. Eine Mitarbeiterin steht an der Nachbarstür und redet mit den beiden Kolleginnen in den Bürostühlen. Ein Mann und eine Fraus sitzen händchenhaltend in einem der Büros. Pinke Wände, Werbung für Antalya an den Fenstern. Last-Minute-Angebote leuchten auf dem kleinen Bildschirm.
Es sind leise Begegnungen an einem ruhigen ersten Ferientag. 17.200 Urlauber werden in den Herbstferien den Flughafen passieren. An einem Ort, der Begegnungen erst erschafft, indem er die Menschen durch die Welt trägt.
Begegnungen während des Lockdowns gibt es dennoch am Flughafen Paderborn
Selbst eine Pandemie zerstört diesen Ort der Begegnung nicht. Die Sehnsucht nach ihr. Im Mai 2020, nach dem ersten Lockdown als noch so vieles geschlossen halten muss, eröffnet am Flughafen ein Autokino. „Die enorm positive Resonanz auf den Auto-Gottesdienst am Heimhafen hat uns gezeigt, dass solche Angebote sehr wichtig sind. Wir freuen uns deshalb sehr darüber, dass die Gottesdienste am Airport fortgesetzt werden und das Eventteam Wiegelmann mit dem Autokino ein neues Angebot auf unserem Gelände ergänzt. Damit bleiben wir in der aktuell schwierigen Zeit ein Anlaufpunkt für die Region“, sagt Dr. Marc Cezanne, ehemaliger Geschäftsführer der Flughafen Paderborn-Lippstadt GmbH, damals. Die Sehnsucht nach fehlenden Begegnungen. Sie lässt schnell weitere Aktionen auferstehen. Der Airport-Run am Flughafen, bei dem 700 Menschen mitmachen können. Oder eine Impfaktion mit dem Impfbus – das unbeschwerte Begegnungen erst wieder möglich machen soll.
Seit einigen Monaten ist Roland Hüser Geschäftsführer des Flughafens. „Ein Flughafen ist immer ein emotionaler Ort. Unser Flughafen Paderborn/Lippstadt ist auch deshalb so besonders, weil er den Heimathafen für die Regionen Ostwestfalen, Lippe und Südwestfalen darstellt. Wir wollen unseren Airport wieder stärker zu einem Treffpunkt machen, an dem die Region zusammenkommt“, verspricht er. Für die An- und Abreise in den Urlaub, für ein Unternehmensmeeting oder eine Konferenz. „Darüber hinaus auch einfach so, um die besondere Atmosphäre, die vielfältigen Angebote der Reiseanbieter oder die Gastronomie zu genießen“, sagt Hüser.
Begegnungen am Flughafen Paderborn: „Das macht den emotionalen Reiz aus“
Sein Flughafen sei mit keinem anderen Ort in der Region zu vergleichen. Das Fliegen, sagt Hüser, ist ein Lebenstraum vieler Menschen, „bei uns am Heimathafen wird er Realität.“ Man entwickele den Flugplan ständig weiter. Schon im Sommer 2022 sollen weitere Ziele angesteuert werden. „Das bringt die Menschen zusammen, versprüht Lebensfreude und eine positive Stimmung.“
Trotzdem, Begegnungen fehlen noch – und es drohen weitere Einschränkungen, denn die Zahlen steigen wieder an. „Die Flughäfen haben überall gelitten, weil die Verkehrsluftfahrt durch die Corona-Pandemie zeitweise quasi zum Erliegen gekommen war. Die persönlichen Begegnung mit den Urlaubs- und Geschäftsreisenden sowie der Kontakt zu den Besuchern hat uns sehr gefehlt, weil gerade dieser Austausch den emotionalen Reiz eines Airports ausmacht“, sagt Roland Hüser. „Nun hoffen wir, dass wir auch im Hinblick auf Corona gut durch den Winter kommen.“