Hochsauerland. Alle Feuerwehren sind in Alarmbereitschaft. Der Starkregen breitet sich aus. In Udorf herrscht „Land unter“. So ist die Lage im Altkreis Brilon:
Anfangs war es noch nicht so schlimm. Inzwischen hat sich der Starkregen zu einem gefährlichen Unwetter ausgeweitet. Polizei und Feuerwehr kommen gar nicht mehr damit nach, die einzelnen Straßensperrungen zu benennen. Die Polizei im Hochsauerlandkreis bittet daher alle Bewohner, möglichst das Haus nicht zu verlassen und nur im absoluten Notfall hinauszugehen.
„Land unter!“ in Udorf
Besonders schlimm ist es im Raum Marsberg. Die Straße zwischen Canstein und Udorf musste gesperrt werden. Ein Durchkommen sei nicht möglich. Dort herrscht Land unter: In dem Ort an der Grenze zu Hessen trat am Nachmittag die Orpe über die Ufer. Die Marsberger Feuerwehr war mit mehreren Einheiten im Einsatz, um mit Sandsäcken die Wassermassen in den Griff zu bekommen. Auch der Wasserförderzug des HSK sei angefordert worden, sagte Ralph Pohle, Sprecher der Marsberger Feuerwehr. Rund 8000 Liter Wasser in der Minute wurden dadurch mit Hochleistungspumpen aus den Überschwemmungsgebieten wieder zurück in den Bach gepumpt. Die Polizei hatte zudem auch die Straße von Canstein nach Udorf gesperrt, da Bäume auf die Fahrbahn zu fallen drohen.
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Der Großeinsatz am Nachmittag folgte auf eine lange Nacht. Zu insgesamt 36 regenbedingten Einsätzen hatten die Einheiten zwischen 22.30 und 8 Uhr raus gemusst. Schwerpunkt war die Marsberger Kernstadt, um vollgelaufene Keller abzupumpen. Bis zu 40 Zentimer hoch habe an einigen Stellen das Wasser gestanden, so Feuerwehrsprecher Frank Steker zur WP. Vereinzelt, wie in Essentho, sei es in der Nacht auch in Ortsteilen wegen der starken Niederschläge zu Einsätzen gekommen.
Feuerwehren in Alarmbereitschaft
Die Feuerwehr in Winterberg befindet sich aktuell in Alarmbereitschaft. „Die Wache ist besetzt und einsatzbereit“, sagt Pressesprecher Jens Vogelsang. Die Winterberger Feuerwehr hatte derweil im Stadtgebiet noch keinen Einsatz, behält aber vor allen Dingen die angespannte Hochwasser-Situation am Kurpark in Siedlinghausen genau im Blick. Ein Einsatzleitwagen aus Winterberg ist gemeinsam mit weiteren Kräften aus dem gesamten Kreisgebiet in Hagen im Einsatz. Dort kamen seit vergangener Nacht bis zu 200 Liter Regen auf den Quadratmeter herunter, die Stadt befindet sich aktuell im Ausnahmezustand.
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Die Feuerwehr in Medebach war heute wegen des Wetters noch nicht im Einsatz, wie Pressesprecher Oliver Grosche erklärt. Jedoch ging bereits am Morgen kreisweit eine Meldung an die Feuerwehren, die besagt, dass alle Wachen im Hochsauerlandkreis besetzt werden sollen für den Fall, dass alles zusammenbricht.
Voll gelaufenen Keller in Olsberg
Die Feuerwehr in Olsberg bleibt ebenfalls nicht vor Einsätzen verschont. Noch helfen die Einsatzkräfte nicht in anderen Städten aus, kümmern sich aber um vollgelaufene Keller in Brunskappel und Assinghausen, wie Pressesprecher Marc Stappert auf Anfrage erklärte.
Ähnlich ist die Situation auch in Hallenberg. Gegen 17.30 Uhr wurden die Einsatzkräfte des Löschzuges der Freiwilligen Feuerwehr aber zu einem Einsatz in Eslohe gerufen. „Wir trommeln jetzt gerade alle zusammen und machen uns auf den Weg“, so Stadtbrandmeister Michael Gamm. Im Hallenberger Stadtgebiet selbst mussten noch keine Einsätze gefahren werden.
Die Leitstelle Hochsauerlandkreis meldet unterdessen: „Im Hochsauerlandkreis besteht an vielen Stellen die Gefahr der Überflutung. Wenn Sie sich in einem betroffenen Bereich aufhalten, schalten Sie Heiz- und Kochgeräte ab. Verlassen Sie anschließend das Gebäude und begeben Sie sich an einen sicheren Ort.
Weitere Regenfälle mit Überschwemmungen
Mit weiteren Regenfällen mit Überschwemmungen rechnet Wetterexperte Julian Pape bis Donnerstag. Und dann soll sogar Sommer in Sicht sein. Bereits am Montag hatte Pape vor der Entwicklung gewarnt. Allein in der Nacht zu Mittwoch war im Altkreis Brilon etwa eine halbe Monatsmenge an Regen heruntergekommen. Hallenberg war in der Nacht Spitzenreiter. 48,8 Liter pro Quadratmeter registrierte Julian Pape dort zwischen 21 und 9 Uhr an seiner Messstation. In Medebach fielen in dem 12-Stunden-Zeitraum 35 Liter pro Quadratmeter, in Neuastenberg 33 Liter, in Marsberg 32 Liter, in Brilon 28 Liter und in Olsberg lediglich 26 Liter. Im Laufe des Tages nahmen die Mengen aber überall rasant zu.
Örtlich, so Julian Pape, können natürlich größere Niederschläge vorgekommen sei, aber das sei ohne Messstation natürlich nicht nachzuhalten. Zwischen 60 und 70 Litern pro Quadratmeter seien für einen Juli hier üblich, sagt der Meteorologe. Auf dem Kahlen Asten allerdings liegt das Monatsmittel bei rund 120 Litern. Dort sei mit 106 Litern pro Quadratmeter binnen 24-Stunden auch die je gemessene Tageshöchstmenge gemessen worden.
Bemerkenswert für den Wetter-Experten, dass sich das Niederschlagsgebiet nicht wie üblich von Westen, sondern von Osten, aus dem Hessischen, über das Hochsauerland hermachte. Pape: „Das war schon heftig.“ Neben den starken Regenfällen habe es zudem einige „Gewitter-Cluster“ gegeben.
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Der Starkregen lässt auch den Pegel der Flüsse und Seen stark ansteigen. Der Diemelsee ist randvoll. Pegelstand gestern Morgen: 375,79 Meter. 19,9 Millionen Kubikmeter fasst der Diemelsee bei Vollstau. Noch 20 Zentimeter dann ist der See bis zum Überlauf gefüllt.
Diemelsee vorm Überlaufen
Genau im Blick hat Bernd Hunold, langjähriger Ortsbürgermeister von Helminghausen, immer den Diemelsee und seinen Pegelstand. Er steht auch im engen Kontakt mit dem Wasser- und Schifffahrtsamtes Hann.Münden. Nach deren Auskunft laufen fünf Kubikmeter pro Sekunde ein und ein Kubikmeter pro Sekunde wird abgelassen. Im Laufe des Nachmittages wurde diese Menge erhöht. Denn wenn der Regen anhält, geht der Schifffahrtsamt davon aus, dass der See heute überläuft. Am Mittwochnachmittag wurde deshalb überlegt, ob noch mehr Wasser abgelassen werden soll, um einen Überlauf zu vermeiden.
Weil der See im April schon einmal übergelaufen war, wäre das nicht optimal. Denn: Wenn es wieder zu einem Überlauf kommen würde, könnten die Fugen ausgespült werden und das wiederum könnte einen Baueinsatz nach sich ziehen. Die Fachleute waren von den Wassermengen überrascht; sie hätten die berechnete Menge übertroffen, hieße es.
Dass sich die starken Regenfälle auch auf den Betrieb von Kläranlagen auswirken könnten, bemerkt der Ruhrverband nicht. Erst vor wenigen Jahren wurden Bassins in Altenbüren gebaut. Ein erster Härtetest ist das derzeitige Wetter laut Pressesprecher Markus Rüdel aber nicht. „Starkregen gibt es häufiger, auch wenn er zu dieser Jahreszeit ungewöhnlich ist. Aber die Kläranlagen sind so konzipiert, dass sie maximalen hydraulischen Zulauf haben. Sie können die Wassermengen normal behandeln.“ Überschüssige Mengen können im Kanalnetz zwischengespeichert und nach Abklingen des Regens zurückgeführt werden. Sollte auch das Netz zu voll werden, wird das Wasser in das nächste Gewässer entlassen und schadlos abgeführt.