Berlin. Schweiß- oder Mundgeruch, offener Hosenstall — eine Knigge-Expertin verrät, wie man Peinlichkeiten anspricht und warum das wichtig ist.
Man kann über vieles reden. Wirklich? Bei manchen Themen bewegen wir uns komplett in der Tabu-Zone, obwohl sie uns im Alltag ständig begegnen. Wie sag ich meinem Kollegen zum Beispiel, dass er nach Schweiß riecht? Oder Mundgeruch hat? Man muss nur die richtige Ansprache finden, sagt Carolin Lüdemann, Bestsellerautorin für Etikette und Umgangsformen.
Die Situation im Büro kennt wohl jeder: Ein Kollege müffelt nach Schweiß. Es nervt total. Was tun? Soll man ihm sagen, dass er streng riecht?
Carolin Lüdemann: Laut Knigge sollte man niemanden auf sein Fehlverhalten hinweisen, damit es ihm nicht peinlich ist. Ich weiß allerdings nicht, ob das wirklich hilfreich ist. Schließlich könnten wir dem Gegenüber auch einen Gefallen damit tun, dass wir Dinge ansprechen.
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Also raus damit und es ihm einfach mal ins Gesicht sagen?
Lüdemann: Zumeist passieren solche Fauxpas ja nicht, weil es den Leuten egal ist, sondern weil es ihnen nicht auffällt. Daher finde ich schon, dass man das ansprechen darf.
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Bei Mundgeruch oder Schweiß: „Ich“-Botschaften helfen, sagt die Expertin
Man sagt dann also verschämt: „Äh, Du stinkst übrigens schon wieder“?
Lüdemann: Gerne in Ich-Botschaften, nach dem Motto: „Mir ist aufgefallen, dass…“ oder, „Ich empfinde es so, als würdest du nach der Fahrradfahrt ins Büro manchmal etwas sportlich riechen.“
Okay, das ist besser als mit der Tür ins Haus zu fallen und das böse Stinkewort zu nutzen?
Lüdemann: Ja, und es ist auch besser als zu sagen: „Du riechst unangenehm.“ Letzteres führt eher zu einem Rechtfertigungsdruck. Das Erste schildert eigene Wahrnehmungen.
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Und Ich-Botschaften werden akzeptiert?
Lüdemann: Gern kann man auch sagen, dass es einem nicht leicht fällt, das anzusprechen. Und dass man den anderen sehr schätzt und deshalb hofft, dass es in Ordnung ist – gerade weil man ein sehr gutes Verhältnis zueinander hat.
Und was ist, wenn jemand ständig schlecht riecht. Und jeder im Büro schon drüber spricht. Aber keiner traut sich, es zu sagen. Ist das dann Chefsache?
Knigge-Tipps für die peinlichsten Momente
Lüdemann: Nein, das ist es aus meiner Sicht nicht. Wer von den Kollegen möchte denn zum Chef gehen und sagen, dass sich keiner traut. Das wirft dann auch kein gutes Licht auf das Team. Ich würde es auch als unfair empfinden, wenn alle über eine Person reden, aber keiner mit der Person. Vielleicht fällt es leichter, wenn ein Mann zu einem Mann sagt, was stört bzw. eine Frau zu einer Frau.
Im Büro nervt ja auch oft, wenn Kollegen ihr Essen am Schreibtisch zu sich nehmen. Und die Knoblauchsoße penetrant müffelt. Man möchte ja nicht als kleinlich gelten. Also aushalten, mal kurz rausgehen? Oder knallhart sagen: Bitte iss woanders.
Lüdemann: Das sind zwei Extreme, die wir miteinander vergleichen. Aushalten oder knallhart antworten. Weder noch, würde ich sagen. Ich darf das ansprechen, aber es ist eine Frage der Art und Weise. Also wohl besser wieder in den Ich-Botschaften, da diese eher zu Verständnis und zur Lösungsfindung führen
Lassen Sie uns ein paar peinliche Situationen durchspielen. Mundgeruch zum Beispiel.
Lüdemann: Natürlich ist das nicht einfach, so etwas wie Mundgeruch anzusprechen. Ich höre aber sehr oft, dass der andere letzten Endes sehr dankbar ist, wenn ihm so etwas vernünftig gesagt wurde, weil man selbst einfach nicht gut wahrnehmen und reflektieren kann.
Wie sieht es beim offenen Hosenstall aus?
Lüdemann: Das sagt am besten ein Mann zu einem Mann. Oder eine Frau zu einer Frau, wenn die Strumpfhose eine Laufmasche hat. Das fällt einfach etwas leichter. Am besten ganz schnell erledigen. Es dürfte schon reichen zu sagen „Ihr Reißverschluss...“ Das versteht man dann schon. Oder bei der Laufmasche: „Ich glaube, Ihre Strumpfhose hat eine kleine Laufmasche. Es fällt aber kaum auf.“
Und der Popel an der Nase?
Lüdemann: Hier würde ich nur andeuten, dass etwas sein könnte. Man spricht das „Problem“ nicht eindeutig an, sondern sagt allenfalls „Sie haben an der Nase einen Fussel.“ Es ist einfach leichter für sein Gegenüber, wenn er denkt, es sah nicht ganz so schlimm, sondern eher nach etwas Harmlosem aus. Oder man zeigt es nonverbal: den anderen anschauen und mit der eigenen Hand an die eigene Nase fassen, um zu signalisieren: Mach mir das einmal nach…
Warum fällt es uns denn so schwer, solche Themen anzusprechen?
Lüdemann: Nun ja, es stellt sich die Frage, ob unser Verhältnis dadurch besser oder schlechter wird oder gleich gut bleibt. Ein Hinweis auf einen Fauxpas hat immer das Potenzial, den anderen zu kränken oder ihn in eine unangenehme Situation zu bringen und dadurch das Verhältnis zu belasten. Wenn man solche Dinge aber gut anspricht, dann stärken sie das Vertrauensverhältnis.
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Expertin rät: So kann man selbst mit der Kritik der anderen umgehen
Andere auf ihre Defizite hinzuweisen, ist schon schwer. Aber noch schwerer ist es ja, wenn man selbst Ziel der Kritik ist. Wie sollte man sich verhalten, wenn man zum Beispiel auf ein Geruchsproblem angesprochen wird?
Lüdemann: Sich bedanken, weil es bestimmt schwer gewesen ist, das anzusprechen. Man muss und soll sich aber nicht rechtfertigen und erklären, das ist nicht erforderlich. „Vielen Dank. Ich weiß das sehr zu schätzen, dass du mir das gesagt hast. Ich werde darauf achten, da es mir selbst nicht bewusst gewesen ist.“ Und dann darf das Thema gewechselt werden – die Dinge hier kurz zu halten, macht es leichter für alle Beteiligten.
Ein weiteres Thema ist das liebe Thema Gäste: Sie bekommen Besuch. Und hätten es gern, wenn die Leute die Schuhe ausziehen. Wie sag ich es richtig?
Lüdemann: Es kommt darauf an, wie gut man sich kennt. Bei guten Freunden weiß man das ja meist sowieso voneinander. Wenn man sich weniger nahe steht, bittet man nicht darum, die Schuhe auszuziehen und übrigens empfängt man seine Gäste ebenfalls nicht strümpfig.
Darf man Männern, die einen besuchen, sagen, sie sollen bitte im Sitzen pinkeln?
Lüdemann: Wir vertrauen durchaus auf die angemessenen Gewohnheiten des Einzelnen.
Ulli, Steffi, Benni, Bekki: Was kann man eigentlich tun, wenn gleich mit einem Spitznamen angeredet wird?
Lüdemann: Es ist ja nicht böse gemeint vom anderen, daher finde ich, wir sollten daraus keinen Vorwurf basteln. Gern kann man konsequent weiterhin seine SMS mit „Stefanie“ unterschreiben; vielleicht fällt dann noch der Groschen auf der anderen Seite.