Berlin. Sport stärkt nachweislich die Psyche. Doch wie viel Training braucht es dazu und was motiviert am besten? Ein Experte klärt auf.

Für die Zeitschrift „Psychotherapeut“ hat Stephan Heinzel den internationalen Forschungsstand zu den Wirkmechanismen von Sport zusammengetragen. Im Interview erklärt der Professor für klinische und biologische Psychologie an der TU Dortmund, dass Sport psychischen Krisen vorbeugen kann, wie viel Training es dazu braucht und was am besten motiviert.

Herr Heinzel, was hat Ihre Recherche ergeben? Macht Sport glücklich und zufrieden?

Stephan Heinzel: Die Wissenschaft stellt sich vor, dass es bei Sport und Bewegung zu einer Kaskade von biologischen und psychologischen Mechanismen kommt, die das Wohlbefinden beeinflussen. Klar zu sehen ist etwa eine bessere Sauerstoffversorgung des Gehirns und ein Anstieg der neuronalen Aktivität in Hirnregionen, die für Konzentration und Emotionsregulation wichtig sind. Das könnte bedeuten: Menschen, die Sport machen, können sich nicht nur besser konzentrieren, sondern auch negative Gefühle besser herunterregulieren, und das steigert das Wohlbefinden.

Manche fühlen sich vom Sport sogar berauscht.

Heinzel: Das gibt es auch. Dabei dürften Endorphine eine große Rolle spielen. Das sind körpereigene Opioide, die von der Hirnanhangsdrüse ausgeschüttet werden und positive Gefühle hervorrufen.

Sport bei Stress: Das ist für viele relevant

Sie betonen in Ihrer Übersichtsarbeit die besondere Wirkung von Sport auf die Verarbeitung von Stress.

Heinzel: Das könnte in der Tat ein zentraler Mechanismus sein. Es gibt Befunde, dass Sport die Aktivität der sogenannten Stressachse beeinflusst. Man kann also generell sagen: Sport hat eine stressreduzierende Wirkung. Und das ist nicht nur für Menschen relevant, die eine Depression haben, bei denen die Stressachse also womöglich chronisch beansprucht ist, sondern auch für Menschen, die generell viel um die Ohren haben und nah vor dem Burnout sind. Sport hat auch über diesen Weg eine gesundheitssteigernde Wirkung.

Stephan Heinzel, Professor für klinische und biologische Psychologie an der Technischen Universität Dortmund
Stephan Heinzel, Professor für klinische und biologische Psychologie an der Technischen Universität Dortmund © privat | Hesham Elsherif

Könnte Sport psychischen Krankheiten sogar vorbeugen?

Heinzel: Die Forschung zu den psychischen Auswirkungen von Sport ist relativ neu und es gibt auch noch viele Dinge, die es zu untersuchen gilt. Die Prävention ist aus meiner Sicht aber vielleicht der Hauptpunkt, wo Sport für die breite Bevölkerung wirksam sein kann. Sport könnte verhindern, dass Menschen in eine psychische Krise oder eine Depression rutschten.

Wie viel Sport muss man machen, damit er der Psyche guttut?

Heinzel: Die Studienlage ist uneindeutig. Man kann nicht klar sagen, dass es dafür eine bestimmte Mindestanzahl von Sporteinheiten braucht. Die meisten Studien treffen Aussagen zu einem zwei bis drei Mal pro Woche stattfindenden Training. Wahrscheinlich bewegt man sich in diesem Bereich, wenn man über eine wirksame Dosis spricht. Was wir definitiv sagen können: Um antidepressive Effekte zu erzielen, ist eine Dauer von mehreren Wochen erforderlich.

Einen Sport finden, der die Motivation steigert

Und welche Sportarten sind die besten?

Heinzel: Die meisten Studien vergleichen Ausdauer- und Kraftsport. Aber da scheint es gar keinen großen Unterschied zu geben. Vielleicht ist auch eine Kombination verschiedener Sportarten am besten. Das kann man noch nicht so genau sagen. Allerdings wurde der Ausdauersport deutlich häufiger untersucht. Und da kann man auch mit größerer Sicherheit sagen, dass dieser eine Wirkung hat. Wichtiger ist aber sowieso etwas anderes: Man muss einen Sport finden, der die Motivation steigert. Es nutzt nichts, Sport anzufangen, der einem überhaupt keinen Spaß macht und mit dem man nach drei Wochen wieder aufhört.

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Wo wir beim Stichwort Motivation wären. Was sagen Sie Menschen, die den inneren Schweinehund besiegen wollen, um endlich Sport zu treiben?

Heinzel: Sie sollten sich vor Augen führen, dass die positiven Auswirkungen für die psychische Gesundheit wirklich wissenschaftlich gut belegt sind. Das kann dazu motivieren, es auszuprobieren. Und wenn man dann merkt, dass es einen positiven Effekt gibt, kann das helfen, am Ball zu bleiben.

Was sagt die Wissenschaft: Was motiviert am besten zum Sport?

Heinzel: Studien zeigen relativ eindeutig, dass es am besten ist, sich einer Gruppe anzuschließen, die professionell angeleitet ist. Wenn Menschen gemeinsam zu bestimmten Uhrzeiten an einem bestimmten Ort Sport machen, statt zum Beispiel allein joggen zu gehen oder sich immer wieder neu zu verabreden, macht das vieles leichter.