Berlin. Eine Expertin warnt vor zahlreichen psychischen Probleme, wenn Kinder soziale Netzwerke nutzen. Bedeutend ist vor allem ein Botenstoff.
- Vor allem bei jungen Menschen sind soziale Netzwerke wie TikTok, Facebook und Instagram sehr beliebt
- Doch viele unterschätzen die Gefahr, die durch die Nutzung entsteht
- Eine Expertin sieht große Probleme – und warnt vor den Folgen
Social-Media-Plattformen wie Instagram, Facebook, Tiktok & Co. greifen nach Auffassung von Neurowissenschaftlerin Frederike Petzschner tief in die Biologie des Gehirns ein und können Suchtverhalten und psychische Probleme fördern. Vor allem für Kinder und Jugendliche berge dies große Gefahren. Wegen dieses Eingriffs in die Gehirnentwicklung von Hunderten Millionen junger Menschen laufe derzeit wohl das „größte soziale Experiment der Menschheitsgeschichte“.
„Durch das gezielte Ausnutzen basaler Lernmechanismen, für die das Dopamin-System des Gehirns eine zentrale Rolle spielt, werden Abhängigkeiten erzeugt, die besonders für junge Menschen fatal sein könnten“, schreibt die Professorin an der Brown University (USA) gemeinsam mit einem Autorenteam in einem Positionspapier des Rates für Digitale Ökologie (RDÖ). Der RDÖ ist eine interdisziplinär besetzte und von Stiftungen finanzierte Organisation, die sich eigenen Angaben zufolge für eine gemeinwohlorientierte und nachhaltige Digitalpolitik einsetzt.
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Doch wie manipulieren Instagram, Facebook, TikTok & Co. das Gehirn? Dopamin ist ein Botenstoff, der im Hirn gebildet wird und den Menschen antreibt. Er spielt eine zentrale Rolle in unserem Leben. Ohne Dopamin keine Motivation, ohne Motivation kein Lernen oder Handeln.
Soziale Medien: Dopamin-System arbeitet auf Hochtouren
Lange Zeit ging die Wissenschaft davon aus, dass Dopamin bei Genuss oder Erfolg als Belohnung ausgeschüttet wird. Vor einigen Jahren aber entdeckte ein Forscherteam um Wolfram Schultz von der Universität in Cambridge (Großbritannien), dass das Dopamin-System auch dann schon anspringt, wenn Erfolg oder Genuss erwartet werden.
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Frederike Petzschner zufolge setzen die sozialen Medien und deren Entwickler an diesem Punkt an: Mittels Datenanalyse, Algorithmen und Programmdesign hielten die Plattformen das Dopamin-System der Nutzerinnen und Nutzer so lange wie möglich auf Hochtouren. Unterstützt werde dies durch extreme Personalisierung, ständiges Feedback in Form von Kommentaren oder Likes sowie einer Endlosigkeit des Angebots.
Wird das Dopamin-System häufig weit über das natürliche Maß hinaus stimuliert, kann das laut der Neurowissenschaftlerin schwerwiegende Folgen haben. „Dopamin spielt im Kontext von Suchtverhalten eine entscheidende Rolle. Das Suchtpotenzial einer Substanz oder eines Verhaltens korreliert direkt mit der Menge an Dopamin, die sie im Gehirn freisetzt“, schreibt sie.
Instagram & Co.: Auch psychische Probleme sind möglich
Darüber hinaus bewirke eine Überstimulation auch langfristige Veränderungen im Gehirn. „Eine häufige Folge ist die Reduzierung der Dichte von Dopamin-Rezeptoren. Dies bedeutet, dass Aktivitäten oder Substanzen, die zuvor belohnend wirkten, nun eine schwächere Reaktion hervorrufen“, heißt es im Positionspapier. Ebenfalls bekannt seien psychische Probleme, die mit einer intensiven Social-Media-Nutzung in Verbindung stehen könnten: Störungen in der Wahrnehmung von Körper- und Selbstbild, Ängste oder Depressionen.
Aufgrund der erhöhten Plastizität ihres Gehirns seien Jugendliche besonders empfänglich für die verstärkenden Effekte von Aktivitäten, die mit einer Dopamin-Ausschüttung verbunden seien wie die Nutzung von Social Media. „Besonders das Frontalhirn, das unter anderem für Impulskontrolle und Verhaltensregulation maßgeblich ist, durchläuft bis weit ins Erwachsenenalter hinein umfassende neuroanatomische Veränderungen“, so Petzschner. In dieser Zeit bildeten sich zahlreiche synaptische Verbindungen zwischen den Neuronen, die die Grundlage für Denken und Verhalten schaffen würden.
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Rat fordert: Es braucht eine Transparenzpflicht für Algorithmen
„Wir stehen vor der Herausforderung, die tiefgreifenden Auswirkungen dieser technologischen Revolution auf die neuronale Verschaltungsarchitektur sich entwickelnder menschlicher Gehirne zu verstehen“, schreiben die Autoren. Angesichts der massiven wirtschaftlichen Interessen der Tech-Konzerne und des Mangels an politischer Regulierung fordert der RDÖ eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Entwicklungen, insbesondere im Hinblick auf die langfristigen Folgen für Individuum und Gesellschaft.
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Der RDÖ fordert Politik und Öffentlichkeit zum Handeln auf: So sollte nicht nur die Soziale-Medien-Sucht als psychiatrische Erkrankung klassifiziert werden, es sollte auch eine Pflicht zur Transparenz von Algorithmen und ein fundamentales Umdenken in der Gestaltung von sozialen Plattformen geben: „Hierfür braucht es politische Vorgaben und Bedingungen, sonst werden Gewinne der Plattformen etwa mittels Werbung weiterhin privatisiert und gesundheitliche Kosten, beispielsweise durch Suchtverhalten, Depressionen und Arbeitsunfähigkeit, sozialisiert.“