Berlin. Forschende untersuchten bis zu 60.000 Jahre alten Hyänen-Kot. Dabei machten sie eine Entdeckung, mit der sie selbst nicht gerechnet hätten.

Die Eiszeit, eine Periode der Erdgeschichte, in der eisige Kälte weite Teile Europas und Asiens beherrschte, beherbergte eine faszinierende Fauna, darunter die Wollnashörner. Mit ihrem dichten Fell trotzten die Pflanzenfresser den extremen Klimabedingungen, die vor Zehntausenden von Jahren den Planeten beherrschten. Obwohl Wollnashörner längst ausgestorben sind, haben Forscher nun eine erstaunliche Entdeckung gemacht.

Enthüllung der Vergangenheit: Unerwartete Entdeckung von Wollnashorn-DNA

DNA-Spuren dieser prähistorischen Giganten wurden in unerwarteter Quelle gefunden: den Kotresten von Hyänen. Denn neben der DNA der eiszeitlichen Hyänen enthielten die Kotproben auch genetisches Material eines zweiten Tieres, eines Wollnashorns. Das zeigte sich durch Vergleiche der urzeitlichen Gensequenzen mit denen des heutigen Sumatra-Nashorns – des engsten, heute noch lebenden Verwandten der Wollnashörner.

Die Forschungsergebnisse, die kürzlich von der Universität Konstanz veröffentlicht wurden, werfen damit ein neues Licht auf die Geschichte der Wollnashörner. Auf diese Weise ist auch belegt, dass die urzeitlichen Hyänen als Jäger im heutigen Deutschland lebten. Entsprechende Knochenfunde hatte es vorher schon gegeben.

Die Wollnashörner der Eiszeit waren riesige Tiere, die bis zu zwei Meter Schulterhöhe groß werden konnten und ein dichtes Fell trugen, das sie vor der extremen Kälte schützte. Die Geschöpfe, die etwa 1700 Kilogramm wogen, zeichneten sich durch ihre charakteristischen Nasenhörner aus.

Wollnashörner wogen bis zu 1700 Kilogramm.
Wollnashörner wogen bis zu 1700 Kilogramm. © IMAGO | StockTrek Images

Rätsel der Evolution: Was uns die DNA-Analysen über Wollnashörner verraten

Die Entdeckung der DNA-Spuren erfolgte in den nahezu versteinerten Exkrementen von Hyänen, die zwischen 60.000 und 45.000 Jahren vor unserer Zeit, während des späten Mittelpaläolithikums, im heutigen Süddeutschland lebten. „Diese fossilen Exkremente werden Koprolithen genannt. Sie sehen versteinert aus, sind aber sehr porös, fast wie Bimsstein“, erklärt die Konstanzer Umweltgenomikerin Laura Epp.

Ähnlich wie in einer Zeitkapsel speicherten die Exkremente Informationen über Tiere und Pflanzen. Die DNA-Analysen wurden von Forschenden der Universität Konstanz in Zusammenarbeit mit Kollegen von der Universität Tübingen und dem Landesamt für Denkmalpflege in Stuttgart durchgeführt. Die Wissenschaftler konnten anhand der Funde erstmalig ein vollständiges mitochondrielles Genom des europäischen Wollnashorns erstellen und damit Rückschlüsse auf dessen Stammbaum ziehen.

„Wir haben festgestellt, dass dieses europäische Wollnashorn genetisch relativ weit entfernt ist von allen sibirischen Wollnashörnern, die bis jetzt sequenziert wurden“, schildert Dr. Peter Seeber aus dem Konstanzer Team: „Die molekulare Datierung legt nahe, dass die Abspaltung der mütterlichen Linie unseres europäischen Wollnashorns von seinen sibirischen Artgenossen vor einigen Hunderttausend Jahren stattfand – das passt zur Zeit der frühesten Fossilienfunde in Europa vor etwa 400.000 Jahren.“ Dies deutet darauf hin, dass es seit dieser Zeit eine stabile Population von europäischen Wollnashörnern gegeben haben könnte, die von ihren sibirischen Verwandten getrennt lebte. Die Wollnashörner sind vor rund 14.000 Jahren ausgestorben.

Hyänen-Kot als Schatztruhe der Wissenschaft: Wie Exkremente das Wissen über die Eiszeit erweitern

Die wissenschaftliche Bedeutung dieser Entdeckung erstreckt sich jedoch weit über die Geschichte der Wollnashörner hinaus. Die DNA aus den Hyänen-Kotproben bietet auch Einblicke in die Umwelt, in der diese Tiere lebten. Sie kann Informationen über Pflanzen und andere Organismen liefern, die zur damaligen Zeit existierten. Dies ermöglicht eine tiefere und umfassendere Kenntnis der Lebensbedingungen in der Eiszeit und gibt auch Einblicke in die Welt der Neandertaler, die während dieser Zeit lebten.

Die Tatsache, dass ausgerechnet Hyänen-Kot die Grundlage für die Rekonstruktion des mitochondriellen Genoms eines europäischen Wollnashorns bildete, unterstreicht die erstaunlichen Möglichkeiten der modernen Genomforschung. „Es ist ein bisschen verrückt, dass wir rein aus den fossilen Exkrementen einer Hyäne das erste mitochondrielle Genom eines europäischen Wollnashorns rekonstruiert haben“, so Professorin Laura Epp. Dies verdeutlicht, dass wertvolle genetische Informationen selbst aus Proben gewonnen werden können, die auf den ersten Blick nichts mit den untersuchten Organismen zu tun haben. (soj/dpa)