Berlin. Sind Männer müde und haben keine Lust auf Sex, kann ein Testosteronmangel Ursache sein. Wann eine Therapie sinnvoll ist – oder riskant. 

  • Viele Männer erleben im Alter einen Rückgang des Testosteronspiegels, der zu Symptomen wie Müdigkeit, Antriebslosigkeit und sexueller Unlust führen kann
  • Diagnose und Behandlung: Ein Bluttest kann den aktuellen Testosteronwert bestimmen. Bei einem signifikanten Mangel kann eine Hormonersatztherapie helfen. Ein Experte klärt über die Risiken auf
  • Ein Mediziner erklärt, welchen Gruppen von der Einnahme von Testosteron grundsätzlich abzuraten ist

Fühlen sich Männer ab einem gewissen Alter müde, antriebslos und empfinden keine Lust mehr am Sex, kann ein Mangel des Sexual- und Stoffwechselhormons Testosteron die Ursache sein. Medikamente können helfen. Doch wer diese leichtfertig anwendet, geht ins Risiko, warnen Experten. Ein Überblick.

Testosteronmangel: Wie kommt es dazu?

„Eine langsame Abnahme des Testosteronspiegels ist mit zunehmendem Alter normal“, sagt Prof. Stephan Petersenn, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) und Inhaber einer Praxis in Hamburg. Ab dem 40. Lebensjahr sinke der Testosteronwert jährlich um etwa ein bis zwei Prozent ab.

„Diese Veränderung wird häufig auch als Wechseljahre beim Mann oder Andropause bezeichnet“, erklärt Privatdozent Atiqullah Aziz, Chefarzt und Leiter des Uroonkologischen Zentrums der München Klinik in Bogenhausen. 95 Prozent des Testosterons würde in den Hoden gebildet. Mit dem Alter erschöpften sich die hormonproduzierenden Zellen. „Darüber hinaus können auch ein ungesunder Lebensstil und wenig Bewegung dazu beitragen, dass der Testosteronspiegel schneller absinkt als üblich“, so Azis.

Sinkt der Testosteronspiegel sehr stark ab, können zudem Krankheiten die Ursache sein: Entzündungen des Hodens, ein Schlaf-Apnoe-Syndrom, Diabetes mellitus oder eine Nierenschwäche, erklärt die DGE.

Was sind Symptome eines Testosteronmangels?

Den meisten Betroffenen bereitet der geringere Testosteronspiegel kaum Probleme, doch bei manchen sinkt er so stark ab, dass Beschwerden auftreten. Typische Symptome eines Mangels sind Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Rückbildung der Muskulatur, sexuelle Unlust oder auch Hitzewallungen.

Darüber hinaus kann es zu einer verringerten Knochenfestigkeit bis hin zu Osteoporose kommen, zu Erektionsstörungen, depressiven Verstimmungen oder Blutarmut. „Ein Testosteronmangel erhöht ebenfalls das Risiko, an Bluthochdruck und Diabetes zu erkranken“, erklärt Aziz.

Wie kann ich den Testosteronspiegel messen?

„Ob es sich um einen natürlichen Altersprozess oder einen krankhaften Mangel handelt, kann nur der Arzt feststellen. Ein Bluttest gibt über den aktuellen Testosteronwert Auskunft“, erklärt Atiqullah Aziz. Laut DGE liegen die Normalwerte zwischen 12 und 40 Nanomol pro Liter (nmol/l), die unteren Grenzwerte zwischen 7 und 12 nmol/l. „Diese Angaben gelten für eine Blutentnahme zwischen acht und zehn Uhr morgens in nüchternem Zustand“, sagt Endokrinologe Petersenn. Ab Mittag falle der Testosteronwert um etwa 20 Prozent ab.

Die DGE rät, den Testosteronspiegel nicht nur einmal messen zu lassen. Denn der Wert zeige eine erhebliche Variabilität von Tag zu Tag, so Petersenn. Nach körperlich schwerer Arbeit zum Beispiel, bei Stress, starkem Übergewicht, der Einnahme von Medikamenten sowie nach Drogen- und Alkoholkonsum könne dieser niedriger sein als gewöhnlich.

Ab wann sollte eine Behandlung erfolgen?

„Ein Wert unter 8 nmol/l ist behandlungsbedürftig. Bei Werten zwischen 8 und zwölf nmol/l kann ebenfalls eine Hormonersatztherapie angebracht sein, was aber individuell beurteilt wird“, erklärt Atiqullah Aziz.

„Lebensstiländerungen und die Behandlung anderer Grunderkrankungen können gegebenenfalls wichtiger sein als der undifferenzierte Testosteronersatz“, sagt Stephan Petersenn. „Ohne weitere Ursachenabklärung ist die Anwendung von Testosteron in jedem Fall verfehlt“, betont er.

Testosteronmangel: Wie sieht die Therapie aus?

Bei einem krankhaften Testosteronmangel kann eine Ersatztherapie helfen. Sie hat das Ziel, den Testosteronspiegel so weit zu erhöhen, dass er wieder dem Wert entspricht, der bei gesunden gleichaltrigen Männern vorliegt.

„Hierzu werden inzwischen häufig entweder Gele, die auf die Haut aufgetragen werden, verwendet oder Injektionen in die Muskulatur“, erklärt Aziz. Die Spritzen würden bei einer langfristigen Behandlung bevorzugt. Sie werden alle drei Monate gegeben.

Was sind die Risiken einer Ersatztherapie?

„Vor Beginn einer Testosteron-Substitution ist eine urologische Untersuchung mit Ultraschall der Prostata sowie die Bestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA) sinnvoll“, sagt Stephan Petersenn. Denn der Testosteronersatz berge gesundheitliche Risiken, insbesondere bei Vorerkrankungen wie Prostatakrebs. Es bestehe die Gefahr, dass schlafende Prostatatumore aktiviert würden.

Darüber hinaus steige beim Hormonersatz der sogenannte Hämatokritwert an. Dieser beschreibt die Zelldichte im Blut, also dessen Zähigkeit. Damit steige auch das Risiko für Blutklumpen. „Diese Risiken bestehen insbesondere, wenn Männer Testosteron zur Leistungssteigerung und als Anti-Aging-Maßnahme anwenden“, so Petersenn.

Und Atiqullah Azis erklärt: „Es ist ein Irrglaube, dass die Testosteron-Ersatztherapie das Altern aufhält. Sie sollte auch nicht missbraucht werden, um leichter Muskeln aufzubauen. Wer keinen Mangel an Testosteron hat, profitiert auch nicht von einer Therapie.“

Männern sei grundsätzlich die Einnahme von Testosteron abzuraten, wenn sie bereits an Prostatakrebs oder Brustkrebs erkrankt seien, an schwerer Schlafapnoe oder Herzinsuffizienz litten, einen aktiven Kinderwunsch, einen PSA-Wert über 4 Nanogramm pro Milliliter oder „dickes Blut“ mit einem Hematokritwert über 54 Prozent hätten.