Berlin. Hitzewellen werden häufiger. Der Mensch ist dafür nicht gemacht. Ein Hitzeforscher erklärt, wie wir Körper und Umfeld vorbereiten.

Hitzewellen sind längst keine Seltenheit mehr – selbst bei uns in Deutschland. Der vergangene Juli gilt als der heißeste Monat seit Beginn moderner Wetteraufzeichnungen. Gerade in Kombination mit hoher Luftfeuchtigkeit ist Hitze eine enorme Belastung für den menschlichen Körper. In Zukunft werden Phasen mit extrem hohen Temperaturen häufiger werden, ist sich die Wissenschaft einig. Doch was bedeutet das für uns? Lesen Sie dazu den Kommentar: Hitzestress: Richtige Vorbereitung ist das A und O

Hanns-Christian Gunga ist Seniorprofessor am Institut für Physiologie der Berliner Charité und Sprecher des Zentrums für Weltraummedizin und Extreme Umwelten dort. Der Physiologe hat sich in seiner Arbeit den Auswirkungen des Wetters auf unseren Organismus verschrieben – und weiß, was es mit Blick auf Hitzewellen künftig zu tun gilt.

Herr Gunga, inwieweit können wir unseren Körper auf den Klimawandel vorbereiten?

Hanns-Christian Gunga: Klar ist: Der Mensch ist für manche Temperaturen, die wir künftig auf der Erde erwarten, einfach nicht gemacht – etwa in Pakistan, Indien oder Saudi-Arabien. In der Sahelzone werden bald 300 Millionen Menschen von zu großer Hitze betroffen sein und eventuell in kühlere Regionen ausweichen müssen.

Es gibt schlicht nur ein winziges Temperaturfenster, das höheres Leben ermöglicht und in dem sich auch unser Körper noch regulieren kann. Wird unsere normale Körpertemperatur von 37 Grad Celsius um nur etwa sechs Grad über- oder unterschritten, besteht Lebensgefahr. Eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, wie groß die Temperaturskala im Universum ist, die Millionen Grad Celsius betragen kann.

Hitze: Unsere Leistungsfähigkeit nimmt rapide ab

Was bedeutet das mit Blick auf die Außentemperaturen?

Gunga: Das ist gar nicht so einfach. Denn es kommt nicht nur auf die Temperatur an, sondern auch auf Luftfeuchte, Wind und Strahlung – in der Fachsprache Wet Bulb Globe Temperature, kurz WBGT, genannt. Generell unterscheiden wir zwischen Erträglichkeitsbereich und Unerträglichkeitsbereich.

Im Erträglichkeitsbereich ist der Körper mit seiner Wärmebilanz zwar nicht mehr im Gleichgewicht und gezwungen, etwas stärker zu schwitzen, um sich abzukühlen. Das bekommt er aber noch hin. Über 28 Grad WBGT nimmt die Leistungsfähigkeit dann rapide ab. Und die hatten wir bei uns in diesem Jahr bereits bei Temperaturen ab 30 Grad Celsius erreicht.

HItzeforscher Hanns-Christian Gunga rät jedem, seinen Körper dringend auf kommende Hitzewellen vorzubereiten – denn das brauche Zeit.
HItzeforscher Hanns-Christian Gunga rät jedem, seinen Körper dringend auf kommende Hitzewellen vorzubereiten – denn das brauche Zeit. © Privat | Privat

Was passiert im Unerträglichkeitsbereich?

Gunga: Dort befindet sich der Organismus jenseits einer psychisch-physischen Grenze. Kann er dieser nicht entkommen, etwa weil es keine klimatisierten Räume gibt, kann das kurzfristig zu Gesundheitsschäden, zu totaler Erschöpfung, Herz-Kreislauf-Kollaps beziehungsweise im extremen Fall auch zum Tod führen.

Bis Ende Juli sind dieses Jahr in Deutschland geschätzt rund 1700 Menschen hitzebedingt verstorben. Wäre das nicht vermeidbar?

Gunga: Manche Fälle schon. Es ist aber wichtig zu verstehen, dass sich der menschliche Körper und seine Kerntemperatur nicht an anhaltende Hitze und andere Wetterextreme anpassen kann und wird. Evolutionär sehe ich hierfür aus zahlreichen Gründen keine Chance.

Aber insbesondere bei uns in Mitteleuropa erwarten uns ja zunächst „nur“ erhöhte Temperaturen im Erträglichkeitsbereich oder vermehrte Hitzetage, die nicht von Dauer sind. Und hier kann man zum Glück schon etwas tun, um sich vorzubereiten.

Vorbereitung auf Hitze: Experte empfiehlt dieses Training

Was können wir konkret beeinflussen und trainieren?

Gunga: Allem voran unser Herz-Kreislaufsystem und natürlich Schwitzschwelle, Schweißmenge und Schweißzusammensetzung. Es geht darum, dass unser System zumindest lernt mit akuten, kurzfristigen Belastungen klarzukommen. Dafür muss man aber lange vor Hitzewellen etwas tun.

Was empfehlen Sie?

Gunga: Aktives körperliches Training ist alternativlos – mindestens eine Dreiviertelstunde pro Tag bei einer Herzfrequenz bis zu 130 pro Minute. Man kann also nicht nur im Schaukelstuhl wippen und Schach spielen. Vorausgesetzt, man ist körperlich gesund. Je mehr man beim Sport ins Schwitzen kommt, desto besser.

Im Idealfall würde ich danach auch noch in die Sauna gehen. Wer das, wie selbst ich mit meinen knapp 70 Jahren, konsequent macht, wird merken, dass sein Schweiß am Anfang noch sehr viele Elektrolyte enthält – er schmeckt salzig. Das ändert sich im Laufe der Zeit.

Das liegt an einer durch das Training gesteigerten Hormonbildung. Die Elektrolyte werden so quasi im Körper gehalten und wir verlieren perspektivisch weniger der überlebenswichtigen Nährstoffe. Ein weiterer extrem wichtiger Aspekt: Je weniger Elektrolyte im Schweiß sind, desto besser kann dieser verdunsten und desto besser kühlt er somit auch den Körper ab.

Nach Wochen des Trainings verändert sich dann ergänzend auch noch das Schweißmuster – man Schwitz etwa vermehrt an Händen und Füßen, also an stark durchbluteten Bereichen. Dadurch verstärkt sich der Kühlungseffekt noch einmal zusätzlich.

Hitzewellen: Schwitzen hilft unserem Körper mit hohen Temperaturen klar zu kommen.
Hitzewellen: Schwitzen hilft unserem Körper mit hohen Temperaturen klar zu kommen. © iStock

Experte mahnt: Persönlichen Hitzeschutzplan entwickeln

Gibt es neben Sport und Sauna weitere Dinge, die jeder tun kann?

Gunga: Es geht darum, einen persönlichen Hitzeschutzplan zu entwickeln: Ich rate jedem, sich an heißen Tagen morgens und abends zu wiegen, um einen Eindruck zu gewinnen, wie viel Flüssigkeit man über die Nacht verloren hat und dann entsprechend viel zu trinken und das auch über den Tag regelmäßig zu tun – und nicht erst, wenn der Durst kommt.

Und so lapidar das klingt: Je gesünder die Lebensweise und je weniger Vorerkrankungen, desto besser. Ergänzend ist es ratsam, sich ein gutes soziales Netzwerk aufzubauen.

Weil immer mehr Menschen alleine leben?

Gunga: Genau. Wir müssen in Hitzewellen gegenseitig auf uns aufpassen – in den Familien, aber auch im Freundes- und Bekanntenkreis. Gerade ältere Mensch sollten sich etwa gegenseitig ans Trinken erinnern, dem anderen die Flaschen öffnen, wenn die Kraft dazu bereits fehlt. Und prüfen, ob die Wohnräume des anderen ausreichend kühl bleiben beziehungsweise bei der Verschattung nachrüsten – und zwar möglichst schnell.

Wird es zu heiß, sind etwa Kirchen oder Supermärkte gute Anlaufpunkte, um dem Körper etwas Erholung vom Hitzestress zu ermöglichen. Auch wer ländlich und dezentral mit viel Grün wohnt, hat hier definitiv Vorteile.