Berlin/München. Kriminelle schmelzen Teile des Manchinger Keltenschatzes ein. Eine Katastrophe für die Wissenschaft. Doch ein Archäologe hat eine Idee.

Einen antiken Goldschatz wie den keltischen Münzschatz von Manching zu finden, ist der Traum eines jeden Archäologen. Von einem solchen Schatz jedoch nur noch Trümmerstücke zurückzubekommen, nachdem er aus dem Museum gestohlen worden war, das mache vor allem betroffen, sagt Rupert Gebhard, leitender Direktor der Archäologischen Staatssammlung München.

Im November 2022 war der Keltenschatz von Manching aus dem Museum in der gleichnamigen Stadt bei Ingolstadt an der Donau gestohlen worden, dem Zweigmuseum der Staatssammlung. Im Juli nahm die Polizei in der Nähe von Schwerin in Mecklenburg fünf Verdächtige fest. Alles, was die Ermittler bislang von den 483 keltischen Goldmünzen und einem 200 Gramm schweren Goldstück aus dem 1. Jahrhundert vor Christus fanden, waren 18 Goldklumpen. „Wahrscheinlich wurde ein Teil der Münzen mit einem Schweißbrenner eingeschmolzen“, sagt Gebhard im Gespräch mit unserer Redaktion. Teils weisen die Goldklumpen noch Merkmale der alten Münzen auf.

Der reine Metallwert des gesamten Schatzes wird auf rund 250.000 Euro geschätzt. Der Wert der Münzen, wenn man sie einzeln an Sammler verkaufen würde, beträgt rund 1,6 Millionen Euro. Der Wert für die Forschung ist jedoch unschätzbar. Der Goldschatz von Manching ist der größte keltische Münzschatz, der im 20. Jahrhundert gefunden wurde.

Goldschatz von Manching: Experte will keltische Münzen mit ungewöhnlicher Idee zurückbringen

Gebhard und seine Kollegen haben das bayerische Landeskriminalamt bei der Analyse der gefundenen Goldklumpen unterstützt. Er sagt, das Metall sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit den Münzen zuweisbar. „Wir sind natürlich sehr glücklich über diesen Fahndungserfolg.“ Doch was, wenn die anderen Stücke nicht gefunden werden?

Rupert Gebhard ist leitender Direktor der Archäologischen Staatssammlung München. Er hat Hoffnung, dass Teile des Schatzes unbeschadet gefunden werden.
Rupert Gebhard ist leitender Direktor der Archäologischen Staatssammlung München. Er hat Hoffnung, dass Teile des Schatzes unbeschadet gefunden werden. © Archäologische Staatssammlung Bayern | Photodesign_Friedrich

Gebhard hat schon konkrete Vorstellungen. Sollte der Rest des Schatzes nicht wiederauftauchen, will er das Keltengold zumindest digital zurückbringen. Der Wissenschaftler ist als Prähistoriker vor allem mit der Erforschung schriftloser Kulturen vertraut und ist Experte für die Zeit der Kelten in Mitteleuropa. Das Münchner Institut hat den Manchinger Goldschatz über Jahre akribisch untersucht. Dabei wurde eine Vielzahl an Fotos von den einzelnen Münzen gemacht. „Es gibt keine dreidimensionalen Aufnahmen“, so Gebhard. Doch mit dem vorhandenen Material sei es möglich, präzise dreidimensionale Digitalbilder zu erstellen.

Keltische Münzen könnten neu geprägt werden – Experte lehnt ab

Denkbar ist genauso, anhand dieser digitalen Vorlagen Gussformen anzufertigen und die Münzen neu zu prägen. Repliken herzustellen ist ein durchaus übliches Vorgehen in der neueren deutschen Erinnerungskultur, wie der Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche oder des Berliner Stadtschlosses zeigen. Und das Material – also die spezifische Legierung des Goldes mit den natürlichen Beimischungen zum Beispiel aus Silber und Kupfer – wäre im Fall des Keltenschatzes anders als bei den beiden architektonischen Beispielen ja noch immer dasselbe. Hinzu kommt: Das Gold wurde zur Zeit der Kelten in den Flüssen im Westen Böhmens geschürft. Das träfe auch nach einer Neuprägung weiterhin zu.

Diese 18 Goldklumpen stellte das bayerische LKA im Juli sicher. Jeder der Klumpen entspricht dem Durchschnittsgewicht von vier eingeschmolzenen Münzen. Das könnte bedeuten, dass bislang nur 72 der 483 Münzen eingeschmolzen worden sind.
Diese 18 Goldklumpen stellte das bayerische LKA im Juli sicher. Jeder der Klumpen entspricht dem Durchschnittsgewicht von vier eingeschmolzenen Münzen. Das könnte bedeuten, dass bislang nur 72 der 483 Münzen eingeschmolzen worden sind. © Bayerisches Landeskriminalamt | BLKA

Gebhard lehnt eine Neuprägung jedoch ab. „Eine ähnliche Diskussion gab es schon vor dem Zugriff der Polizei“, sagt er. Er wolle jedoch nicht das Signal verbreiten, zu schnell aufzugeben und die Situation einfach hinzunehmen. Die Haltung „Dann ist es einfach so, und ich mach’s mir eben neu!“ komme nicht infrage. „Diese beliebige Reproduzierbarkeit durch eine Kopie der Antike finde ich keine gute Haltung“, so Gebhard. Er hat Hoffnung, die restlichen Stücke noch zu finden.

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Museumsraub: Goldklumpen haben trotzdem historischen Wert

Der Fahndungserfolg könnte Gebhard recht geben. Denn das Einzelgewicht jeder der 18 bei der Festnahme in Mecklenburg sichergestellten, gleich großen Goldklumpen entsprach dem Durchschnittsgewicht von vier Keltenmünzen. Das könnte bedeuten, dass erst 4 mal 18, also 72 Münzen eingeschmolzen worden sind. „Es besteht nach wie vor die konkrete Chance, dass weit die Mehrheit des Schatzes möglicherweise erhalten ist“, schlussfolgert Gebhard. Man kenne die mutmaßlichen Täter, und man kenne den Weg des Schatzfundes nach dem Raub aus dem Museum.

Eine Münze gibt es noch im Original. Sie war von den Dieben im Museum in Manching zurückgelassen worden. Ob das versehentlich oder absichtlich geschah, wissen die Ermittler nicht. Aber auch die gefundenen Goldklumpen haben, so wie sie sind, noch einen historischen Wert. „Auch in dieser transformierten Form hat das Gold eine geschichtliche Bedeutung, wenn auch nicht mehr für die Keltenforschung“, so Gebhard. Es bleibe ein ursprünglich in der Antike geschürftes Gold, ein in Flüssen gewonnenes Gold, das zu Münzen geprägt worden sei – und nun seine Gestalt verloren habe.

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