Berlin. Der Klimawandel bringt mehr Hitze. Wie ernst sind die Folgen für unser Trinkwasser? Ein Experte erklärt, was jetzt passieren muss.

Der Pegel des Rheins ist niedrig. Mancherorts gehen Felder in Flammen auf. Äcker verdorren aufgrund der Hitze. Deutschland fehlt Wasser. Wird auch das Trinkwasser knapp? Wird bald nicht mehr genug für alle da sein? Mancherorts ist längst von Wasserrationierungen die Rede.

Berthold Niehues vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches, der sich um die Sicherheit der öffentlichen Wasserversorgung kümmert, sagt: „Das Trinkwasser wird in Deutschland nicht knapp, auch in Zukunft nicht.“

Hitze und Klimawandel: Folgen für unser Trinkwasser

Wie kommt Niehues darauf? Es gibt doch viele Gegenargumente. Vier Beispiele und die Antworten des Experten für Wasserversorgung:

1. Der Wasserverbrauch steigt

Der vergangene Juni war nach Auswertungen des EU-Klimawandeldienstes Copernicus der weltweit wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. Auch wenn die Wetter-Vorhersage des Deutschen Wetterdienstes für die Woche Ende Juli eher lautete: „Wechselhaft mit Schauern und Gewittern, aber auch längeren trockenen Phasen. Im Nordwesten mäßig, sonst meist sommerlich warm.“

Die Klimakrise macht sich schneller bemerkbar als gedacht. Schon an einem durchschnittlichen Tag verbraucht jeder Deutsche aber 128 Liter Wasser. An heißen Sommertagen wird der gesamte Verbrauch noch höher sein – wenn viele nach der Arbeit bei Hitze nochmal duschen, womöglich auch den Rasen sprengen und einen Pool auffüllen wollen.

„Ja, die Sommertage mit mehr als 25 Grad Celsius werden zunehmen und damit auch der Wasserverbrauch an diesen Tagen“, meint Niehues. Darauf müssten die Anlagen und Netze der Versorger ausgelegt werden, die Leitungen, Pumpen, Speicher. Die Infrastruktur werde darum jetzt auch auf den Prüfstand gestellt. Der brütend heiße und extrem trockene Sommer 2018 sei aber bereits ein „Stresstest“ gewesen, so Niehues, „die Systeme wurden damals sechs bis sieben Monate lang auf Volllast gefahren“. Sie seien in vielen Regionen bereits sehr robust.

2. Deutschland verliert Wasser

Aber Deutschlands Wasser schwindet. Jay Famiglietti, Direktor des Global Institute for Water Security an der Universität im kanadischen Saskatoon, wertete im Auftrag der US-Weltraumbehörde Nasa und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt Daten der „Grace“-Satelliten aus. Sie messen Abweichungen im Schwerefeld der Erde, wodurch sich Rückschlüsse auf den Wasserhaushalt ziehen lassen. Der Forscher sagte der ARD unlängst: „Deutschland hat in 20 Jahren Wasser im Umfang des Bodensees verloren. Das ist unvorstellbar viel.“

Das sei ein starker Verlust, sagt auch Niehues, es handele sich dabei aber nicht um reines Grundwasser, aus dem Deutschland zu 70 Prozent sein Trinkwasser gewinne. Mit einberechnet seien abschmelzende Gletscher, fallende Pegel von Flüssen und Seen sowie die abnehmende Bodenfeuchte. Zweitens ziehe Famiglietti für seinen Vergleich einen Zeitraum heran, der in Deutschland sehr niederschlagsreich gewesen sei. Nur zur Erinnerung: 2002 traten etwa die Elbe und weitere Flüsse nach starkem Regen über die Ufer, das Hochwasser war damals eine Katastrophe.

Das Trinkwasser zu Hause wird auch künftig fließen statt tröpfeln, sagt Experte Niehues. Manche Regionen müssten aber vorsorgen.
Das Trinkwasser zu Hause wird auch künftig fließen statt tröpfeln, sagt Experte Niehues. Manche Regionen müssten aber vorsorgen. © iStock | istock

3. Wasserwerke suchen neue Quellen

Vielerorts bohren Wasserwerke schon neue Brunnen. Manche denken auch über Verbundsysteme mit benachbarten Versorgern, Fernleitungen oder den Bau weiterer Talsperren nach. „Es geht um die möglichen Spitzenverbrauchszeiten, für die sich Versorger rüsten müssen“, so Niehues.

Nicht überall in Deutschland gebe es gleich viel Niederschlag. So sei die Wassersituation von Region zu Region verschieden, und „hier und da“ könne es doch mal einen Engpass geben. Kritisch sei das aber nicht, allenfalls komme es zu „Komforteinschränkungen“: Auto waschen, Blumen gießen, Planschbecken füllen, das werde dann vielleicht verboten, um das Versorgungssystem zu entlasten. „Deutschlandweit betrachtet“, sagt Niehues, „wird es im langjährigen Mittel künftig gleichbleibende Verhältnisse oder sogar einen kleinen Anstieg der Grundwasserneubildung geben.“

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Das habe ausgerechnet mit dem Klimawandel zu tun: „Mit ihm werden die Winter milder und feuchter. Die Niederschläge fallen damit vermehrt, wenn die Vegetation ruht und wenig Wasser für ihr Wachstum braucht, im Winter.“ Das Wasser könne dann tief im Boden versickern, Grundwasser würde sich neu bilden. So sei, auch wenn die Grundwasserstände immer mal wieder schwanken könnten, langfristig genug da.

Videografik: So wird aus Regen trinkbares Grundwasser

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    4. Trinkwasser ist nicht alles

    Allerdings geht es nicht nur um das Trinkwasser zu Hause. In Deutschland werden derzeit pro Jahr insgesamt rund 20 Milliarden Kubikmeter Wasser gewonnen, nur ein Viertel davon für die öffentliche Wasserversorgung. Drei Viertel entfallen auf andere Bereiche, darunter etwa die Energiewirtschaft, Industrie und Landwirtschaft. Und Bauern müssen in heißen und trockenen Sommern immer öfter ihre Felder bewässern.

    „Alle Nutzer zusammen dürfen nicht mehr Grundwasser entnehmen, als sich neu bildet“, erklärt Niehues. Deshalb müsse Wasser auch in Kreisläufen geführt und wiederverwendet werden. Auf den Feldern könne zum Beispiel in trockenen Sommern geklärtes Abwasser aus kommunalen Kläranlagen landen, vorausgesetzt, Keime und andere Belastungen ließen dies zu. Bislang rauscht das Wasser aus Duschen oder Toiletten über den Abfluss in die Kläranlage und von dort in die Flüsse und das Meer.

    Die Bundesregierung hat im März eine Wasserstrategie mit vielen Maßnahmen beschlossen, die bis 2030 umgesetzt werden sollen. Zuallererst müsse bundesweit nach einheitlichen Methoden eine Wasserbilanz aufgestellt werden, fordert Niehues – wo ist wann wie viel Wasser da und wird verbraucht. Es mag erstaunen, dass es dazu bisher keine Daten gibt. Aber Deutschland ist eigentlich ein wasserreiches Land. Lange Zeit war Wassermanagement darum kein großes Thema. Niehues sagt es am Ende so: „Das Trinkwasser ist in Deutschland sicher, das heißt aber nicht, dass es in Zeiten des Klimawandels nichts zu tun gibt.“

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