Berlin. Die Toniebox gibt Geschichten wieder und steht in Millionen Haushalten. Bald soll sie ChatGPT füttern. Wozu eine Pädagogin Eltern rät.
Künstliche Intelligenz (KI) könnte bald auch in Kinderzimmern zur Normalität gehören: Die Entwickler der Toniebox, mit rund fünf Millionen verkauften Geräten allein in Deutschland die führende digitale Audioplattform für Kinder, will die Fantasie der Kleinen auf neue Art anregen – mit einem Geschichten-Generator auf Basis von ChatGPT. Seit Mai läuft dazu ein Testbetrieb mit der KI. Daran nehmen rund 1000 Haushalte teil, zunächst in Großbritannien, einem der Kernmärkte der Toniebox.
„Der Test verläuft sehr vielversprechend“, sagt Tonies-Digitalchef Christian Sprinkmeyer im Gespräch mit unserer Redaktion. Die neue Funktion komme bei den Familien sehr gut an. Eltern nutzten die Funktion meist zusammen mit den Kindern und überwiegend für das Erfinden neuer Gute-Nacht-Geschichten.
ChatGPT für Toniebox: KI erfindet Hörgeschichten für Kinder
Wichtig zu betonen ist Sprinkmeyer: „Wir haben ganz bewusst kein ChatGPT in der Toniebox an sich.“ Der KI-Chatbot der US-Firma OpenAI und das eigene würfelförmige Abspielgerät seien technisch gesehen voneinander getrennt. Die Neuerung bestehe vielmehr darin, dass Eltern und Kinder künftig innerhalb ihres Nutzerkontos auf dem Portal Mytonies beziehungsweise in der App auf ChatGPT zugreifen könnten – genauer: auf eine kindgerecht optimierte Version des bekannten KI-Chatbots.
In diesem Bereich sei es dann möglich, die Künstliche Intelligenz neue Kurzgeschichten erfinden zu lassen – anhand eigener Vorgaben. Bestimmen lässt sich etwa, wie die Hauptfiguren heißen sollen, was in der Handlung vorzukommen habe und in welcher Welt sich das Geschehen abspielen solle. „Zum Beispiel ein Fußballspiel mit den eigenen Freunden auf dem Mars“, erklärt Sprinkmeyer.
Aus den Vorgaben generiert ChatGPT also in kürzester Zeit eine Geschichte in Textform, eine A4-Seite lang, rund drei Vorleseminuten. Das eingegebene Alter des Kindes wirkt sich auf die Erzähl- und Erklärinhalte aus.
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Eltern haben dann die Wahl: Sie können die KI-Geschichte einfach vorlesen oder ihre Stimme dabei aufnehmen und auf eine leere „Kreativ-Tonie“-Figur übertragen, um die Aufnahme später auf der Toniebox abzuspielen. Wer nicht vorlesen möchte, kann den Text in eine Audiodatei umwandeln und von einer künstlichen Stimme vorlesen lassen.
Entwickler optimieren ChatGPT für kindgerechte Inhalte
„Die Neuerung soll nicht das elterliche Vorlesen am Abend ersetzen“, sagt Sprinkmeyer und ergänzt: „Wir weisen Eltern auch darauf hin, immer zu prüfen, ob die entstandenen Texte ihren Wertvorstellungen entsprechen.“ Damit wirklich nur kindgerechte Geschichten entstehen, geben die Entwickler dem durchaus umstrittenen Programm ChatGPT grundsätzlich vor, dass es ein Geschichtenerzähler für Kinder ist und etwa keine aggressive Sprache verwenden soll, auch lizenzierte Markennamen werden unterbunden.
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Entstanden sei die Idee, als ein Programmierer der Firma mit ChatGPT herumspielte, um für seine Tochter Geschichten erfinden zu lassen. Eine Testversion hätten dann Leute aus dem Tonies-Team zu Hause ausprobiert, auch Sprinkmeyer mit seinem Sohn. „Es ist toll, die Begeisterung zu beobachten, wenn die Kinder selbst in der Geschichte mitspielen“, erzählt der Tonies-Digitalchef.
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Aber was macht das mit der Kreativität und Fantasie, wenn Eltern künftig das Geschichtenerfinden einer Maschine überlassen können? „Ich glaube, richtig eingesetzt, kann es die Kreativität sogar anregen und fördern“, ist Sprinkmeyer überzeugt. Schließlich könnten Kinder gemeinsam mit ihren Eltern Personen, Haustiere und Dinge aus ihrem Alltag völlig neu zusammenwürfeln und dann besprechen, was die KI daraus strickt.
Pädagogin: Tipps für Umgang mit Hörboxen und KI
Sich gemeinsam Vorgaben für neue Geschichten auszudenken, kann Experten zufolge tatsächlich die Kreativität und den Spracherwerb des Nachwuchses fördern. „Die Vorstellungskraft zu entwickeln und frei zu fabulieren, ist für Kinder ein großer Spaß, weil sie damit auch über alltägliche Grenzen hinausgehen“, sagt Kristin Langer, Mediencoach der Initiative „Schau Hin!“. Das könne mit den Eltern oder auch mit gleichaltrigen Freunden geschehen und ermögliche, eigene Ideen mit denen anderer abzugleichen.
Beim Einsatz von Angeboten mit Künstlicher Intelligenz sollten Eltern generell darauf achten, was mit den eingegebenen Daten passiere, wo diese gespeichert und weiterverarbeitet würden. „Möglicherweise vertraue ich sehr persönliche Daten aus meinem direkten Umfeld dem System an“, sagt die Medienpädagogin.
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Zudem sei es gut, wenn KI-generierte Geschichten für jüngere Kinder einfach gestaltet sowie leicht verständlich seien und immer ein positives Ende haben. Ältere Kinder würden hingegen durchaus verschachtelte Geschichten mit Rückblenden und Konflikten verstehen.
„Eltern nicht einfach ersetzbar“
Das Abspielen fremder oder gar künstlicher Stimmen auf einer Hörbox sieht Langer nicht negativ. Wenn Kinder sich etwa Geschichten einer Buchfigur anhörten, würden sie auch nicht die Stimme der Eltern erwarten. Wichtig etwa für den Spracherwerb sei aber, dass Kinder mediale Angebote via Hörbox immer nur als Ergänzung zu Interaktionen mit realen Personen wie den Eltern nutzen würden. „Eltern sind trotz medialer Angebote nicht einfach ersetzbar.“
Sprinkmeyer und sein Team sehen KI-gebaute Geschichten für die Toniebox als „zusätzliches, spannendes Puzzlestück“, das bisherige Erzählinhalte keinesfalls verdrängen soll. „Es kann aber einer breiteren Masse mehr Kreativität ermöglichen.“
Als Nächstes gehe es darum, Wünsche aus der laufenden Testphase umzusetzen, allen voran die Möglichkeit, längere Geschichten erstellen zu lassen und diese mit Soundeffekten anreichern zu können. Offen ist derzeit noch, ob die geplante KI-Funktion kostenfrei daherkommt und wann sie in deutschen Haushalten getestet wird. So lange müssen Eltern sich hierzulande noch auf ihre Fantasie verlassen.