Berlin. KI-Programme an Schulen zu verbieten, sei keine Lösung, sagen Experten. ChatGPT kann durchaus hilfreich sein – aber es gibt Grenzen.
Eine Zwei in Geschichte, Mathe und Informatik, eine Zwei Minus in Ethik und Deutsch: Eine Abiturprüfung mit einem guten Ergebnis. Nur, dass diese Prüfungen nicht von einer realen Person geschrieben wurden, sondern vom Chatbot ChatGPT. Computerlinguisten vom Bayerischen Rundfunk haben das Programm, das mittels Künstlicher Intelligenz (KI) funktioniert, mit den diesjährigen bayerischen Abiturprüfungen getestet. Das Ergebnis: ChatGPT hätte bestanden.
Bereits zu Beginn des Jahres hatten die Experten der Vorgänger-Version die Abituraufgaben vorgelegt – damals war ChatGPT in fast allen Fächern durchgefallen. Die aktuelle Version des Chatbots meisterte die Prüfungen allerdings durchweg gut. KI-basierte Programme wie ChatGPT sind mittlerweile in vielen Bereichen des Lebens angekommen – und nicht mehr aus ihnen wegzudenken. An den Schulen ist das nicht anders.
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Mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler in Deutschland haben laut einer im Mai veröffentlichten Umfrage von Bitkom Research schon einmal ChatGPT genutzt. Die meisten von ihnen für Hausaufgaben oder zum Erstellen von Texten. Aber auch für Recherchezwecke und zur Vorbereitung von Präsentationen kam der Chatbot zum Einsatz.
ChatGPT im Unterricht: Medienkompetenz wird immer wichtiger
„Es macht keinen Sinn zu sagen, dass KI überall außerhalb der Schule stattfindet und nur innerhalb der Schule nicht“, sagt der neue Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Stefan Düll. „KI muss genauso auch in der Schule eine Rolle spielen, denn die Schülerinnen und Schüler müssen dort den Umgang damit lernen, um dann später, etwa im Beruf, darauf aufbauen zu können.“
Andere Expertinnen und Experten sehen das ähnlich. „Ich würde sogar sagen, es wäre schlimm, wenn die Schule ganz von KI unberührt bliebe“, sagt etwa Ulrike Cress, Direktorin des Leibniz-Instituts für Wissensmedien. Die Psychologin forscht unter anderem zum Thema digitales Lernen.
Ein Verbot von Programmen wie ChatGPT, wie es etwa in anderen Ländern diskutiert oder bereits umgesetzt wurde, hält sie dagegen nicht für sinnvoll. „Wir sollten uns in jedem Fall darauf einlassen, dass KI Teil des Unterrichts wird“, so Cress. Wichtig sei es dabei, dass die Schülerinnen und Schüler einen kritischen Umgang mit der KI lernen würden. „Die Kinder sollten wissen, wie KI funktioniert und was sie kann, beziehungsweise was nicht“, sagte die Psychologin. Medienkompetenz sei daher ein wichtiges Thema, das verstärkt vermittelt werden müsse.
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Schon heute werden KI-basierte Programme im schulischen Kontext eingesetzt. Das sind meist adaptive Lernprogramme – also Tools, die die Lerninhalte an das jeweilige Können der Kinder anpassen. Dazu gehört etwa das Mathe-Lernsystem „Bettermarks“ oder das Programm „Area9 Lyceum“. Einige Bundesländer haben bereits Lizenzen für diese Tools erworben. Gleichzeitig binden immer mehr Lehrkräfte ChatGPT in den Unterricht ein.
Im Deutschunterricht kann ChatGPT helfen, Gedichte zu schreiben
„Im Deutschunterricht kann man Programme wie ChatGPT zum Beispiel gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern Gedichte schreiben lassen“, sagt Lehrerverbands-Präsident Düll. Dann könne man das Ergebnis zusammen analysieren und erarbeiten, was ein gutes Gedicht ausmache. „Dieses Wissen lässt sich dann wiederum auch auf Gedichte von realen Schriftstellerinnen und Schriftstellern anwenden.“
Wichtig beim Einsatz von Chatbots wie ChatGPT sei, dass die Schülerinnen und Schüler auch wirklich mit dem Programm kommunizieren würden, sagt Cress: „Solche KI-Programme sind Teampartner, und zwar als solche, die bestimmte Stärken, aber eben auch Schwächen haben.“ Das Ziel sollte dann sein, gemeinsam mit dem Programm ein Ergebnis zu produzieren und nicht einfach nur die Antwort abzuschreiben.
„Schülerinnen und Schüler sollten mit diesen Tools denken und nicht das Denken auslagern“, so die Psychologin. Gleichzeitig müsse sich der Fokus in der Leistungsbewertung hin zum Prozess und weg vom bloßen Ergebnis verschieben. „Die Zeit, Schülerinnen und Schüler zuhause Aufsätze schreiben zu lassen, ist vorbei“, sagt Cress. Denn ein solcher Aufsatz könnte natürlich ohne großen Aufwand von ChatGPT geschrieben werden. Das bedeute allerdings nicht, dass Hausaufgaben grundsätzlich nicht mehr sinnvoll seien – vielmehr müsse sich die Art, wie die Aufgabe gestellt werde, verändern, so die Expertin.
Lehrkräfte müssen für Einsatz von KI geschult werden
Allerdings, betont Lehrerverbands-Präsident Düll, selbst wenn eine Schülerin oder ein Schüler die Hausaufgaben von ChatGPT erledigen lassen würde, habe er oder sie ein Problem, sobald es darum gehe, an der Tafel eine ähnliche Aufgabe zu lösen. „Spätestens in den schriftlichen Prüfungen, wenn keine Geräte zugelassen sind, müssen die Schülerinnen und Schüler beweisen, dass sie die Aufgaben auch allein bearbeiten können.“
Dass KI-basierte Tools im Unterricht eingesetzt und den Schülerinnen und Schülern der richtige Umgang mit der Künstlichen Intelligenz vermittelt werden kann, setzt allerdings voraus, dass die Lehrkräfte ein entsprechendes Wissen haben. Dafür seien Fortbildungen notwendig, sagt Düll. Die Nachfrage sei schon jetzt hoch.
„Es braucht ein gutes Angebot, das permanent weiterentwickelt wird, weil sich auch die KI permanent weiterentwickelt“, so der Präsident des Lehrerverbands. Gleichzeitig kann Künstliche Intelligenz auch eine Hilfe für die Lehrerinnen und Lehrer sein – etwa durch Programme, die die Lehrkräfte bei administrativen Aufgaben wie der Materialerstellung oder der Stundenorganisation unterstützen oder einfache Korrekturen übernehmen.
ChatGPT und Co.: Auch Eltern sollten sich informieren
Einige Bundesländer haben bereits Richtlinien für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz im Unterricht entwickelt. Dazu gehören etwa Nordrhein-Westfalen, Hamburg oder Thüringen. Solche Leitlinien könnten durchaus sinnvoll sein, um einen groben Rahmen vorzugeben, sagt Düll. Gleichzeitig liefen sie allerdings Gefahr, von technischen Entwicklungen überholt zu werden und könnten nicht alle Details erfassen. „Ich würde deswegen als Lehrkraft nicht auf einen Leitfaden warten, sondern selbst aktiv werden“, so der Lehrerverbands-Präsident.
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Aber nicht nur Lehrkräfte, sondern auch Eltern sollten sich mit Künstlicher Intelligenz auseinandersetzen, sagt Bildungsexpertin Cress: „Eltern sollten zumindest im Groben wissen, welche Tools es auf dem Markt gibt, was sie können und wie die Kinder sie in der Schule nutzen.“ Dabei sollte man die KI weder glorifizieren noch verteufeln, sich aber durchaus der Gefahren bewusst sein. Wenn das Kind seine Hausaufgaben mit ChatGPT löse, sei das jedoch nicht unbedingt ein Grund, alarmiert zu sein.
Wichtig sei zu wissen, ob die Nutzung von der Lehrkraft gewünscht sei oder nicht. „Wenn der Einsatz verboten ist, dann sollten sich Eltern natürlich dafür einsetzen, dass das eingehalten wird“, sagt Cress. Sei es jedoch erlaubt oder sogar erwünscht, sollten Eltern darauf achten, „dass das Kind das Tool nicht einfach schreiben lässt und das Ergebnis eins zu eins rauskopiert, sondern, dass es die Ergebnisse als Basis nutzt, um mit ihnen zu arbeiten.“