Berlin. Pompöse Hochzeiten boomen. Immer mehr Paare stürzen sich in Unkosten. Experten erklären, welches Bedürfnis hinter dem Trend steckt.

Geld oder Liebe? Wenn es ums Heiraten geht, liegt beides manchmal nah beisammen. Knapp 14.300 Euro – so viel kostet die durchschnittliche deutsche Hochzeit laut dem Hochzeitsportal weddyplace.com. Doch es geht noch üppiger. „Wenn Wedding-Planer am Zuge sind, knacken wir mit allen Dienstleistern meistens die 100.000 Euro“, sagt Hochzeitsplanerin Isabel Merfort aus Berlin.

Auch Dajana und Patrick Siemers haben sich ihre Feier einiges kosten lassen. Die 30-jährige Youtuberin und der 31-jährige Geschäftsmann sind eines der 13 Paare, für die Isabel Merfort diesen Sommer eine Hochzeit plant. „Wir wollten es so richtig krachen lassen“, sagen Dajana und Patrick. Die beiden sind seit 15 Jahren ein Paar und haben am 24. Juni im Grand Hotel Heiligendamm geheiratet, einem Luxus-Hotel an der mecklenburgischen Ostseeküste. Die Feier mit 80 Gästen dauerte drei Tage. Heiraten, so das Paar, sei schon immer ein großer Traum gewesen – und dementsprechend konkret waren die Vorstellungen von der dazugehörigen Feier.

Hochzeitsplanerin: Manche Paare nehmen sogar Kredite auf

„Ich bin ziemlich kontaktfreudig, deshalb kamen bei mir viele Menschen zusammen, mit denen ich den Tag teilen wollte“, sagt Patrick. Seine Frau ist ein großer Dekorationsfan. „Da war uns schon klar, dass einiges zusammenkommt“, sagt Dajana. Vom Preis der Hochzeit, den sie nicht verraten möchten, waren die beiden dennoch überrascht: „Wir mussten erst kurz schlucken. Aber letzten Endes heiratet man ja nur einmal im Leben.“

Solche Kompromisse sind für Hochzeitsplanerin Isabel Merfort keine Seltenheit. „Die meisten Paare, die zu einem Hochzeitsplaner kommen, denken – natürlich zu Recht –, dass 30.000 Euro schon viel sind. Bei 80 Gästen und mehr kann aber schnell das Doppelte oder Dreifache dafür anfallen“, sagt sie. „Man darf nicht vergessen, dass Dienstleister wie Floristen und Konditoren immer noch ganz individuell arbeiten. Das ist echtes Handwerk, da gibt es keine Massenproduktion.“ Auch durch Corona und die zahlreichen aufgeschobenen Hochzeiten seien die Preise ex­trem in die Höhe gegangen.

Dajana und Patrick Siemers haben im Grand Hotel Heiligendamm geheiratet.
Dajana und Patrick Siemers haben im Grand Hotel Heiligendamm geheiratet. © Tali Photography

Grundsätzlich würden die Paare, die einen Hochzeitsplaner aufsuchen allerdings zu den Besserverdienern gehören, die es sich leisten könnten, das angedachte Budget zu sprengen. „Es gibt aber auch Paare, die Kredite aufnehmen oder sehr lange gespart haben“, sagt Merfort. Manchmal, so die Planerin, würden auch die Eltern Geld dazugeben, damit die Hochzeit für die jungen Paare finanzierbar sei.

Luxus-Hochzeiten werden auch für Gäste teurer

Ein solches Event wie die dreitägige Traumhochzeit im Grand Hotel ist nicht nur teuer für das Brautpaar, sondern auch für die Gäste. So erzählt Lara Mölln aus München, die eigentlich anders heißt, dass sie aufgrund der kostspieligen Hochzeiten ihrer Freunde weder Urlaubstage noch ein Budget für weitere Reisen habe. „Ich kann dieses Jahr nicht mehr in den Urlaub fahren, weil ich auf so vielen Hochzeiten eingeladen bin“, sagt die 35-Jährige, die allein im Frühjahr bereits auf zwei Junggesellinnenabschieden in Marrakesch und auf Mykonos war. Im Juli folgt eine weitere Hochzeit auf Sardinien, bei der Reise- und Unterkunftskosten von den Gästen selbst getragen werden müssen. „Unterm Strich kosten mich die ganzen Einladungen 8000 Euro“, sagt sie.

Dajana Siemers hat sich von sozialen Netzwerken wie Pinterest und Instagram für ihre Hochzeit inspirieren lassen. „Ich finde es toll, jetzt selbst eine solche Inspiration für andere sein zu können.“ Diese Art von Inspiration sieht Planerin Isabel Merfort als Grund für die Lust am kostenintensiven Heiraten: „Durch Pinterest, Instagram & Co. ist der Hochzeitstrend aus den USA herübergeschwappt und kann man jetzt sehen, was überhaupt möglich ist. Das gab es früher nicht so.“

Philosoph erklärt, was hinter den Traumhochzeiten steckt

Auch Professor Alex Burri, Philosoph an der Universität Erfurt, sieht die Darstellung in den sozialen Medien als Grund für den Boom der Luxus-Hochzeiten: „Ein Bedürfnis nach sozialer Anerkennung, nach Status, nach Einfluss gab es sicherlich schon immer. Was sich in der letzten Zeit allerdings verändert hat, ist der Ort der Anerkennung: Was früher in persönlichen Begegnungen verhandelt worden ist, hat sich zu einem erheblichen Teil in die sozialen Medien verlagert.“

Beziehungscoach Kathrin Buser aus Berlin sieht den neuen Heiratstrend begründet in der heutigen Zeit, die von hohen Scheidungsraten, Klimawandel und sozialem Druck geprägt ist. „Bei vielen Paaren findet eine Rückbesinnung auf traditionelle Werte und Rituale statt“, sagt die Beziehungsexpertin. „Ich könnte mir vorstellen, dass Paare mit einer solch kosten- und zeitintensiven Hochzeit versuchen, die Beziehung besonders zu festigen und einen sicheren Beziehungsraum zu schaffen.“ Diese Vorstellung passe zu dem altbekannten Bild des Einlaufens in den sicheren Hafen der Ehe. „Ein Bild, das mir viel besser gefällt und ich auch Paaren in meinen Coachings als Inspiration mitgebe, ist, dass mit dem Bund der Ehe das Schiff auf eine Reise voller Abenteuer ausläuft und damit auch die Investition von Zeit, Geld und Beziehungsarbeit in die Beziehung erst richtig beginnt“, sagt Kathrin Buser.

Dajana und Patrick Siemers heiraten aus Liebe und für sich selbst, wie die beiden betonen. „Wir arbeiten beide hart – und das ist eine dieser Stationen im Leben, die wirklich Bedeutung haben“, sagt Dajana.