Berlin. In vielen Familien gibt es ungelöste Konflikte. Eine Lebensberaterin klärt auf, welche therapeutische Methode die Probleme lösen kann.

Familie gibt uns Halt, sie ist immer für uns da, sie ist für viele das Wichtigste. Wenn es gut läuft. Dann erdet sie uns wie ein Baum mit starken Wurzeln, damit die Äste sich ausbreiten und wir wachsen und uns entfalten können. Gerade in bewegten Zeiten brauchen wir sie auch als Schutzzelle. Familie ist nicht mehr primär eine Versorgungsgemeinschaft. Das Miteinander prägt den Gemeinschaftsgeist der einzelnen Familienmitglieder. Und wenn wir eine eigene Familie gründen, entscheiden wir uns meist sehr bewusst für sie.

Deshalb sind unsere Erwartungen oft auch sehr hoch, was das Zusammenleben nicht unbedingt einfacher macht. Denn Familie ist ein komplexes Beziehungsgeflecht, das uns viel Kraft kosten kann, wenn Gedanken und Gefühle nicht ausgesprochen werden, ungelöste Konflikte schwelen, Familiengeheimnisse die Harmonie stören oder uns immer wieder dieselben Verhaltensmuster unterdrücken, einengen und in unserer Entwicklung behindern.

Genau diese Beziehungsmuster führt uns eine Familienaufstellung vor – wie ein Theaterstück unserer Lebenssituation. Die sogenannte systemische Aufstellung ist eine therapeutische Methode, bei der wildfremde Menschen aus dem Publikum (Stellvertreter) die Rolle von Vater, Mutter, Geschwistern, Onkeln und Tanten übernehmen. Der systemische Ansatz beruht auf der Annahme, dass die Familie, in der wir aufwachsen, uns maßgeblich beeinflusst – und dass wir, wenn wir die Zusammenhänge verstehen, Lösungen finden und Veränderungen erreichen können.

Familie: So sehr beeinflussen uns Eltern und Geschwister

Tatsächlich prägt uns kaum etwas so stark, wie unsere Ursprungsfamilie. Als Kind möchten wir unbedingt dazugehören. Für die Liebe unserer Eltern würden wir alles geben. Mit Mutter, Vater und Geschwistern teilen wir Erlebnisse und Lebensumstände. Sie inspirieren oder nerven uns, aber auf jeden Fall geben sie uns den Weg und den Rahmen vor und der gilt oft ein Leben lang: welche Musik wir mögen, wie wir unsere Wohnung einrichten, welche Partei wir wählen, wie wir Urlaub machen oder für welchen Beruf wir uns entscheiden, hängt stark von unserer Familie ab.

„Wie bei einem Mobile sind wir in einer Familie verbunden“, erklärt Lebensberaterin Gabriele Schnitzler. „Das Gute ist: Wenn einer sich bewegt, schwingen alle anderen mit. Deshalb kann eine Aufstellung helfen, Muster zu durchbrechen und selbst etwas zu verändern. Denn das Problem oder die Blockade wird für die Person sichtbar, greif- und fühlbar.“

Eine Familienaufstellung kann auch mit Hilfe von Spielzeugfiguren durchgeführt werden.
Eine Familienaufstellung kann auch mit Hilfe von Spielzeugfiguren durchgeführt werden. © epd-bild/WernerxKrueper

Familienaufstellung: Das steckt hinter der Methode

Vielen Menschen fällt es plötzlich wie Schuppen von den Augen, wenn sie endlich erkennen, wo es hakt und warum sie sich das Leben schwer gemacht haben. „Jede Aufstellung entwickelt ihre eigene Dynamik, mal ist sie traurig, mal lustig, aber immer spannend und voller Überraschungen“, sagt die Expertin. „Denn so anschaulich bekommt man die eigene Story nur selten präsentiert“ (siehe Interview unten). „In jedem Problem liegt auch die Lösung“, ist der Ansatz von Bert Hellinger.

Der Psychotherapeut entwickelte Ende der 80er Jahre die systemische Familienaufstellung weiter. Sein Ziel: eine neue Ordnung. „Wenn etwas in Ordnung gekommen ist, dann gibt es ein Gefühl der Erleichterung, von Frieden und Möglichkeiten, etwas gemeinsam zu tun“, erklärt der Familientherapeut. Hellingers autoritäre Methode ist heute zwar sehr umstritten, dennoch war er ein wichtiger Wegbereiter: Er ging davon aus, dass uns ein „wissendes Feld“ verbindet, das den Stellvertretern ermöglicht, intuitiv in die Rolle eines Familienmitglieds zu schlüpfen.

Um zum Beispiel plötzlich das Macho-Gehabe an den Tag zu legen, das vielleicht die Unterdrückung in der Familie seit jeher geprägt hat. Eine Art Gruppengedächtnis, in dem die Familiengeschichte gespeichert ist. Dabei stellte er einen Zusammenhang zwischen Krankheiten und Familiendramen fest, der gegeben ist: Weil wir uns oft in Leiden flüchten, was uns leichter fällt, als die Probleme zu lösen. In seinen Aufstellungen sucht er nach diesen Verstrickungen, um Heilung zu erreichen.

Familie: Methode kann bei diesen Problemen helfen

Die Aufstellungsarbeit hat sich seitdem verfeinert, sie ist flexibler und individueller geworden, je nach Thema und Bedürfnis der Menschen. Sie kann „offen“ sein, das heißt, der Hintergrund ist bekannt und die Stellvertreter erfahren, wen sie darstellen oder sie kann „verdeckt“ sein, wenn die Stellvertreter keine Informationen über die Personen erhalten. Und sie kann auch für Job- und Gesundheits-Fragen, Lebensblockaden oder vor Entscheidungen sehr hilfreich sein.

Es ist wie bei komplizierten Rechnungen – die kritzeln wir ja auch gern auf ein Papier, um sie leichter zu lösen. Plötzlich sehen wir die Lösung vor uns! Wir erkennen die Konstanten und Variablen oder den kleinsten gemeinsamen Nenner und lernen so auch unseren Wurzeln zu vertrauen.

Zum Weiterlesen:

  • „Anerkennen was ist. Gespräche über Verstrickung und Lösung” von Bert Hellinger und Gabriele ten Hövel (Arkana Verlag, 7,95 Euro)
  • „Familienaufstellungen: Sich selbst verstehen – die eigenen Wurzeln entdecken” von Eva Tillmetz (Klett Cotta Verlag, 18 Euro)

Familienaufstellung: Das sind die Vorteile

Gabriele Schnitzler, psychologisch-spirituelle Lebensberaterin aus Dorsten, begleitet seit über zehn Jahren systemische Familienaufstellungen.

Wie funktionieren die Aufstellungen?

Gabriele Schnitzler: Im Zentrum steht bei mir immer der Aufsteller. Er oder sie kommt mit einem Anliegen, das wir ausführlich unter vier Augen besprechen. Das kann ein Problem in der Familie sein, aber auch bei der Arbeit oder eine Krankheit. Dann wird in der Gruppe aufgestellt. Der Aufsteller wählt die Stellvertreter aus. Sie wissen nicht, worum es geht und wen sie vertreten, sondern nur, ob sie Mann oder Frau sind. Während der Aufstellung versuche ich, vollkommen ergebnisoffen zu bleiben. Das System, also die Gruppe der Stellvertreter, bietet die Lösungen an. Ich frage nach, bleibe im Dialog und unterstütze, wenn sich nichts bewegt oder wenn ich spüre, welche Personen oder Gefühle noch wichtig sein könnten.

Wie erklären Sie sich, dass sich die Stellvertreter in eine fremde Person hineinversetzen können?

Schnitzler: Das kann man nicht wissenschaftlich erklären. Man kann sich nur darauf einlassen und es erleben. Es ist eine Energie, ein „wissendes Feld“, das uns Menschen verbindet. Jeder von uns hat dieses Einfühlungsvermögen. Ich erlebe oft, dass die Stellvertreter sich sogar von der Körperhaltung und der Stimme verändern. In der Gruppe entsteht zusätzlich eine Dynamik und wir schauen, was passiert und dass jeder den Platz findet, wo er sich wohlfühlt.

Was sind die Risiken?

Schnitzler: Wenn die Vor- und Nachbetreuung therapeutisch seriös ist, wenn die Aufstellung respektvoll und achtsam geschieht, dann gibt es keine Gefahren, nur Lösungsansätze. Ich halte daher nichts von Massenaufstellungen, weil dort nicht genug Zeit für den Einzelnen ist. Die Gruppe sollte überschaubar sein, denn gegenseitiges Vertrauen ist ganz wichtig. Ansonsten kann ich nur jedem empfehlen, es für sich auszuprobieren: Eine Aufstellung in der Gruppe bringt oft unmittelbarere Erkenntnisse als Einzelgespräche.

Dieser Artikel erschien zuerst im Magazin "Herzstück", das wie diese Redaktion zur Funke Mediengruppe gehört.